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Wenn ein Weizenkorn erstirbt, bringt es viel Frucht

Am 9. April 1945 wurde Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet. Gedanken, Leben und Werk des Theologen und Widerstandskämpfers haben bis heute nicht an Strahlkraft und Gültigkeit verloren

Dietrich Bonhoeffer im Hof des Wehrmachtsuntersuchungsgefängnisses von Berlin-Tegel im Sommer 1944. Foto: Gütersloher Verlagshaus/epd

Von Gottfried Brezger 

Am Anfang des Gedenkens an Diet­rich Bonhoeffer steht die Trauerfeier am 27. Juli 1945 in London. Sie wurde von der BBC auch nach Deutschland übertragen und von Dietrichs Eltern Karl und Paula in Berlin in der Marienburger Allee 43 gehört. So bekamen sie die letzte Gewissheit über den Tod von zwei ihrer Söhne und zwei Schwiegersöhnen. In das Gedenken an seinen „lieben Bruder und Märtyrer der Kirche“ schloss der anglikanische Bischof George Bell Dietrichs Bruder Klaus und seine beiden Schwäger Rüdiger Schleicher und Hans von Dohnanyi ein – mit allen, die im Widerstand gegen die nationalsozialistische Tyrannei ermordet wurden. Bischof Bell erinnerte an Jesu Gleichniswort vom Weizenkorn, das in die Erde fallen muss, um vielfältig Frucht zu bringen (Johannes 12,24).

Mitverschwörer gegen Hitler

Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) wird heute weltweit geachtet als Pfarrer der „Bekennenden Kirche“, der früh gegen die Ausgrenzung von Juden protestierte, als theologischer Lehrer im illegalen Predigerseminar Finkenwalde, als ökumenischer Mahner zum Frieden und glaubwürdiger Zeuge des Widerstands gegen den Nationalsozialismus. 

Im Bewusstsein der damit verbundenen Schuld trat er in der militärischen Konspiration für den „Tyrannenmord“ ein. Den Verschwörern im Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht wurde die Rettung einer Gruppe jüdischer Verfolgter zum Verhängnis. Am 5. April 1943 wurden Hans von Dohnanyi an seinem Arbeitsplatz und Dietrich Bonhoeffer in seinem Elternhaus verhaftet. Als seine Verlobte Maria von Wedemeyer zum ersten Mal dorthin kam, war er bereits im Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis in Tegel. Dort gelang es ihm nach sieben Monaten, das Vertrauen von Wärtern zu gewinnen, die bereit waren, den Briefwechsel mit seinem Freund Eberhard Bethge, seiner Familie und Maria an der Zensur vorbei zu schleusen.

Beten und das Gerechte tun und auf Gottes Zeit warten

Die von Eberhard Bethge 1951 herausgegebene Sammlung „Widerstand und Ergebung“ mit den an ihn gerichteten Briefen Dietrichs und die 1992 veröffentlichten Brautbriefe Dietrichs und Marias („Zelle 92“) geben tiefen Einblick in Bonhoeffers existenzielles und theologisches Ringen in der Haft. Zehn Gedichte sind in der Haft entstanden, das letzte und bekannteste „Von guten Mächten“ im Dezember 1944 im Gestapo-Keller. In dieser Hölle findet er tröstliche Worte für seine Braut und seine Familie. Vielen Menschen spenden sie auch heute Trost.

Am frühen Morgen des 9. April 1945 wurde Dietrich Bonhoeffer zusammen mit Admiral Canaris und Generalmajor Oster nach einem nächtlichen Scheingericht im KZ Flossenbürg ermordet – wenige Tage vor der Befreiung. „Beten und das Gerechte tun und auf Gottes Zeit warten“ – so beschreibt er im Taufbrief für seinen Patensohn im Mai 1944 die „Sache der Christen“. Im Zentrum seiner Theologie steht die Beziehung zu Christus in der Weise, „dass wir an der Weite des Herzens Christi teilbekommen sollen in verantwortlicher Tat, die in Freiheit die Stunde ergreift“. Sein fragmentarisches Leben und Werk fordern uns auch heute heraus zum kritischen Nachdenken über die „Religionslosigkeit des mündig gewordenen Menschen“, die „nichtreligiöse Interpretation biblischer Begriffe“, „Gottes Wirklichkeit in der Wirklichkeit der Welt“, das „Für-andere-Dasein Jesu“ und die Folgerung daraus: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.“ Der Auftrag der Kirche ist, Zeuge Jesu Christi in und an der Welt zu sein. Christus ist nicht nur eine Kerze für die Kirche, sondern das Licht der Welt.

Trost in kritischen Zeiten 

Bonhoeffer-Worte begegnen uns in vielen Zusammenhängen: als Text auf Todesanzeigen oder als Lied, Sinnspruch in Kalendern, Predigteinstieg oder -schluss, Bekräftigung der eigenen Position … Wenn wir seine Worte schlicht auf uns wirken lassen als Herausforderung und als Trost, kommen wir dem Geheimnis seiner Wirkung auf die Spur: Er verbindet Gegensätze so, dass sich unser Blick zugleich fokussiert und weitet. Wir lernen glauben, „dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.“ So wie wir in Zeiten der Corona-Krise Hilfe erfahren in Psalmworten, kann bei Menschen, die in ihrer Sorge und Isolation Trost und Ermutigung suchen, aus Bonhoeffers Erfahrungen im politischen Widerstand und in der Haft geistliche und seelische Widerstandskraft erwachsen.

Gottfried Brezger ist Pfarrer im Ruhestand und Vorstandvorsitzender des Vereins „Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus“.

Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus

Die 1987 eröffnete Erinnerungs- und Begegnungsstätte in dem 1935 erbauten Elternhaus Dietrich Bonhoeffers ist ein Werk der EKBO in der Rechtsform eines als gemeinnützig anerkannten Vereins. Der Verein freut sich über neue Mitglieder und Fördermitglieder. Sechs Ehrenamtliche und die mit ihrem Mann Robert im Haus wohnende ehrenamtliche Geschäftsführerin Loreen Ullmann begleiten die Besuchenden theologisch und didaktisch kompetent in deutscher und englischer Sprache durch das Haus mit der ständigen Ausstellung und dem rekonstruierten Studierzimmer Bonhoeffers unter dem Dach. 

Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoeffer-Haus, Marienburger Allee 43, Berlin-Charlottenburg. Geöffnet jeden Samstag, 10 bis 12 Uhr. Besuchstermine an Wochentagen können über die Webseite vereinbart werden.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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