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Auf Anfang beim Thema Sterbehilfe

Der Mensch hat das Recht und die Freiheit, sich das Leben zu nehmen - auch mit Hilfe von Dritten, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Es kippt das Verbot der geschäftsmäßigen Hilfe zur Selbsttötung.

Foto: epd

Von Corinna Buschow (epd)

Berlin (epd). Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot organisierter Hilfe beim Suizid gekippt. Die Karlsruher Richter sahen darin einen Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht. Dieses Grundrecht umfasse auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, begründete das Gericht sein Urteil am Mittwoch. Zugleich ließ es dem Staat einen Handlungsspielraum, diese Form der Sterbehilfe zu regulieren. Für den Gesetzgeber heißt das, er steht wieder am Anfang bei der Frage, was am Lebensende erlaubt sein sollte.

Der Strafrechtsparagraf 217 war 2015 eine Reaktion des Gesetzgebers auf Sterbehilfe-Organisationen und Ärzte, die Sterbewilligen Assistenz bei der Selbsttötung versprachen. Grundsätzlich war das nicht strafbar. Wie der Suizid selbst wird auch die Hilfe dabei nicht verfolgt. Über ein Verbot "geschäftsmäßiger", also auf Wiederholung angelegter Hilfe, wollte der Gesetzgeber dafür sorgen, dass Einzelentscheidungen straffrei bleiben, die Praxis von Sterbehilfe-Vereinen aber dennoch unterbunden wird.

Damit ist er zu weit gegangen, urteilte nun das Bundesverfassungsgericht. Die Entscheidung, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen, sei "als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren". Diese weite Auslegung des Gerichts bei der Frage der persönlichen Selbstbestimmung sorgte für Kritik bei denen, dir vor fünf Jahren das Treiben von Sterbehilfe-Organisationen unbedingt unterbinden wollten.

Es sei eine "neue Dimension", dass das höchste deutsche Gericht von einem Recht auf Suizid und Suizidbeihilfe gesprochen habe, sagte die SPD-Politikerin Kerstin Griese. "Die Menschlichkeit in unserem Land hat heute eine schwere Niederlage erlitten", erklärte der CDU-Politiker Michael Brand, der wie Griese zu den Initiatoren des Paragrafen 217 gehörte. Auch die Kirchen reagierten enttäuscht auf das Urteil.

Dennoch sieht das Verfassungsgericht den Staat nicht nur als Zaungast individueller Sterbeentscheidungen. Dem Gesetzgeber sprach es am Mittwoch auch zu, 2015 mit Blick auf die Vereine ein legitimes Anliegen verfolgt zu haben. Im Urteil geben die Richter Hinweise, wie der Gesetzgeber organisierte Hilfe beim Suizid regulieren könnte, etwa durch Aufklärungs- und Wartepflichten, Erlaubnisvorbehalte, Nachweise der Ernsthaftigkeit des Wunsches oder Verboten "gefahrträchtiger" Suizidhilfe. Es von einer unheilbaren Krankheit abhängig zu machen, lehnen die Richter allerdings ab. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben "besteht in jeder Phase menschlicher Existenz", schreiben sie.

Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, forderte den Gesetzgeber auf, die Anregungen des Gerichts schnell aufzugreifen und umzusetzen. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hospiz- und Palliativmedizin, Lukas Radbruch, warnte vor "freier Fahrt für Sterbehilfeorganisationen", die nach dem Urteil nun erst einmal möglich scheint. Der Vorsitzende des Vereins "Sterbehilfe Deutschland", Roger Kusch, kündigte am Mittwoch bereits an, sein Angebot auszuweiten und dafür Ärzte zu suchen.

Paragraf 217 war aus einer Initiative im Bundestag entstanden. Wie bei ethischen Fragen hatten sich fraktionsübergreifend Gruppen zusammengefunden. Die Mitglieder der damaligen Bundesregierung hatten als Abgeordnete mehrheitlich für den Paragrafen 217 gestimmt, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Ob sie nach dem Karlsruher Urteil Handlungsbedarf sehen, blieb am Mittwoch offen. Die Begründung werde zunächst geprüft, sagte Regierungssprecher Seibert.

Aus den Reihen des Bundestags gab es derweil schon erste Wortmeldungen. Der Grünen-Abgeordnete Kai Gehring erneuerte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe seine Forderung, dass mit der Suizidhilfe kein Profit gemacht werden dürfe. Gehring war mit anderen Abgeordneten 2015 für eine Regelung eingetreten, die organisierte Suizidassistenz erlaubt, solange sie nicht kommerziell ist.

Die FDP-Abgeordnete Katrin Helling-Plahr kündigte sogar schon einen fraktionsübergreifenden Antrag für ein "liberales Sterbehilfegesetz" an. Kürzlich hatte sie Eckpunkte für ein Verfahren vorgelegt, das die Suizidassistenz ermöglichen soll, wenn der freie Wille belegt ist und der Sterbewillige eine Beratung bekommen hat.

Klar scheint nach dem Urteil, dass es künftig liberalere Regelungen geben wird. Denn auch im Bundestag haben sich die Verhältnisse verändert, nachdem 2017 die AfD neu und die FDP wieder eingezogen ist.

Zu klären wird in der Folge des Urteils auch sein, ob sich an den Regeln für Ärzte etwas ändert. Deren Musterberufsordnung verbietet die Mitwirkung am Suizid. Mindestens einzelne Mediziner haben das wiederholt kritisiert. Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt erklärte, soweit das Gericht auf ihr Berufsrecht abhebe, werde eine innerärztliche Debatte notwendig sein.

Ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben

Fragen und Antworten zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Von Markus Jantzer (epd)

Frankfurt a.M. (epd). Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot organisierter Sterbehilfe beim Suizid gekippt. Was bedeutet der weitreichende Beschluss des obersten deutschen Gerichts für Sterbenskranke und ihre Angehörigen? Fragen und Antworten zu der Entscheidung:


Werden mit dem Urteil die Rechte sterbenskranker Patienten gestärkt?
Das ist eindeutig so und war auch offenkundig die Absicht des Gerichts. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, betonte gleich zu Beginn seiner Begründung, dass das durch das Grundgesetz garantierte allgemeine Persönlichkeitsrecht "ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst". Er führte ausdrücklich aus: "Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen."


Bringt das Urteil Betroffenen, Angehörigen und Ärzten mehr Rechtssicherheit?
Ja. Denn das Gericht hat den beklagten Strafrechtsparagrafen 217 gekippt, durch den Ärzte und Sterbehilfevereine eine Bestrafung riskierten, wenn sie wiederholt Patienten beim Suizid assistierten. Allerdings dürften auch nach dem Urteil Rechtsfragen offen bleiben. Denn auch in der Schweiz und in den Niederlanden sind trotz liberalerer gesetzlicher Regelungen einzelne Fälle assistierten Suizids vor Gericht gelandet.


Steigt jetzt die Gefahr, dass sich todkranke Menschen für einen Suizid entscheiden, weil sie ihren Angehörigen nicht länger zur Last fallen wollen?
Diese Gefahr sehen insbesondere kirchliche Experten. Der Wunsch, niemandem zur Last zu fallen, gilt ihnen als einer der häufigsten Gründe für den Wunsch nach Sterbehilfe. Die These ist allerdings umstritten. Im Übrigen hat der Staat weiterhin Möglichkeiten, die organisierte Sterbehilfe zu kontrollieren.


Muss die Palliativversorgung ausgebaut werden, damit Menschen möglichst lange und möglichst schmerzfrei in den Tod begleitet werden können?
Die Hospiz- und Palliativversorgung ist in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich ausgebaut worden, zuletzt mit dem Hospiz- und Palliativgesetz 2015. Allerdings gibt es immer noch eine Reihe von weißen Flecken auf der Versorgungslandkarte. Daran hat sich durch das höchstrichterliche Urteil nichts geändert.

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(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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