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Botschaft der Hoffnung für die Welt

Vor 80 Jahren zerstörte die deutsche Luftwaffe die englische Kathedrale von Coventry und drei Jahre später englische Bomber die Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Beides Symbole für die Tragödie des Zweiten Weltkrieges und ­Ereignisse, die Engländer und Deutsche für immer hätte trennen können. Doch sie gaben den Anlass für eine einzigartige Geschichte echter Versöhnung

Coventry, Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
Fotos: epd

Schwestern der Versöhnung

Von John Witcombe,
The Very Revd von Coventry


Am 14. November 1940 wurde die St.-Michaels-Kathedrale in Coventry, zusammen mit einem Großteil der Stadt um sie herum, durch Bombenangriffe der deutschen Luftwaffe zerstört. Obwohl die Zerstörung dort und der Verlust von Menschenleben später an vielen anderen Orten, insbesondere in Deutschland, noch übertroffen wurde, wurde der „Coventry Blitz“ zum Symbol für die Zerstörung und die Tragödie des Krieges. Coventry ist aber auch zu einem im Vereinigten Königreich einzigartigen Erinnerungsort für den Wiederaufbau der Beziehungen zwischen den ehemaligen Feinden geworden.

Die Gemeinde der Kathedrale und die Stadt Coventry nahmen, zunächst in Kiel, später dann auch in Hamburg, Berlin, Dresden und vielen anderen Städten Kontakt mit den Menschen in Deutschland auf - mit einer Botschaft der Ver­gebung und einer Einladung zur Versöhnung.

Ich besuchte die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche zum ersten Mal im Februar 2013, kurz nachdem ich Dean von Coventry (Domdekan) ­geworden war. Diese Kirche ist bis in ihr Äußeres ­hinein wie unsere Schwester in der Versöhnungsarbeit. Wir haben eine ähnliche Architektur und schöne moderne Glasfenster. Hier in Coventry wie in Berlin sind Teile der Ruinen des Krieges erhalten geblieben. Unsere neuen Kirchengebäude wurden 1961 und 1962 mit nur einem Jahr Abstand eingeweiht. Eine Kopie der bewegenden „Stalingrad-Madonna“ steht in Coventry und ein Nagelkreuz in der Gedenkhalle im Alten Turm auf dem Breitscheidplatz. Mein erster Besuch in Berlin hat mich sehr bewegt und ich hatte gehofft, beim Gedenkgottesdienst anlässlich des 80. Jahrestages der Zerstörung Coventrys dabei sein zu können.

Leider hat Covid-19 meine Reise verhindert. Über die Einladung habe ich mich sehr gefreut, sie war überraschend und bewegend für mich. Gerne wäre ich dabei gewesen, wenn in Berlin der Ereignisse gedacht wird, die uns für immer hätten trennen können und die stattdessen zum Anlass für Versöhnung und Freundschaft zwischen unseren Städten und Kirchen geworden sind. Es gibt wenige Orte auf der Welt, an denen sich Menschen bewusst dafür entscheiden, sich an das Leid zu erinnern, das sie anderen zugefügt haben. Das habe ich besonders von unseren deutschen Freunden gelernt.

Unser gemeinsames Zeugnis der Versöhnung ist eine Botschaft der Hoffnung für die Welt. Was auch immer geschieht und in dem Wissen, dass wir alle Vergebung nötig haben, weist diese Botschaft uns den Weg  in eine gemeinsame Zukunft. Versöhnung definieren wir so: Versöhnung ist die Reise aus einer gebrochenen Vergangenheit in eine ­gemeinsame Zukunft. In Coventry setzen wir dazu drei Prioritäten:

die Wunden der Geschichte heilen; lernen, mit Verschiedenheit zu leben und die Vielfalt zu feiern; eine Kultur des Friedens aufbauen.

Die Welt ist heute gespaltener denn je. Die Pandemie ist nicht – wie wir zunächst dachten – eine große Gleichmacherin. Sie enthüllt vielmehr bestehende Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten und auch ­unsere Neigung, als Menschen und Nationen auf der ganzen Welt sehr egoistisch zu denken und zu ­handeln.
„Brexit“ ist ein Wort, das meine Autokorrektur zwar immer noch nicht erkennt, aber es ist eine sehr gegenwärtige Realität für uns in Europa. Gott verabscheut Rassismus und möchte seine Kinder lernen ­lassen, als Schwestern und Brüder zusammenzuleben, wer auch immer sie sind.

Unsere Freundschaft und Gemeinschaft ist ein Zeichen für eine andere und bessere Zukunft. Ich freue mich sehr darauf, nach Berlin kommen zu können, sobald die ­Pandemie es zulässt und wir wieder frei reisen können. Unsere beiden Kirchen in Coventry und Berlin ­erinnern uns auch daran: Es gibt eine Zukunft, auch wenn die Gegenwart in Trümmern liegt und der Wiederaufbau Monate oder gar Jahre dauern wird. Der kroatische Theologe Miroslav Volf beschreibt Hoffnung als „Liebe, die sich in die Zukunft streckt“. Unsere Liebe füreinander ist genau das – eine in die Zukunft gerichtete Liebe, die wir der Welt ­anbieten möchten.

„Eure Städte sind mit Feuer ­verbrannt“ . Gottesdienst im Gedenken an den
80. Jahrestag der Zerstörung Coventrys,
am So, 15. November, 10 Uhr.­
Friedensgottesdienst mit Kerzengebet So, 15. November, 18 Uhr.
Jeden Freitag um 13 Uhr Versöhnungsgebet von Coventry.  Alle Termine in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche


Die Wunden bleiben sichtbar

Von Kathrin Oxen,
Pfarrerin der Kaiser-Wilhelm-­Gedächtnis-Kirchengemeinde in Berlin.


„Das Verbum coventrieren ist versunken, totgeschwiegen von einer Propaganda, die alltäglich das Piraten- und Gangstertum der Feinde vor der Menschheit und dem gerechten Gott im Himmel verfluchte. Und also nicht an eigene Gangstertaten, an den Tag ihrer Kraft erinnern durfte. Das Verbum coventrieren liegt begraben unter dem Schutt deutscher Städte.“

Der jüdische Sprachwissenschaftler Victor Klemperer hat in seiner Abhandlung über die „Lingua Tertii Imperii“, der „Sprache des Dritten Reichs“ dem Verb „coventrieren“ einen eigenen Abschnitt gewidmet. Es ist ein besonders abstoßendes Detail in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs, dass die deutsche Propaganda meinte, für ihre Luftangriffe auf das Vereinigte ­Königreich ein eigenes Verb erfinden zu müssen. Und es war die Zerstörung der mittelenglischen Stadt Coventry, die den Anlass dazu gab. In der Nacht vom 14. auf den 15. November 1940 flogen deutsche Bomber einen Angriff, der den zynischen Decknamen „Operation Mondscheinsonate“ bekommen hatte. Über 500 deutsche Bomber warfen die ganze Nacht über ihre Bomben ab. Schon um 20 Uhr stand die Kathedrale St. Michael’s in Flammen.

Der damalige Dompropst Richard Howard versuchte selbst noch, dort Brände mit Sand zu löschen, musste aber wegen der andauernden ­Bombardierung bald aufgeben. Als einzige Kathedrale im ganzen ­Königreich wurde die aus dem 14. Jahrhundert stammende St.-Michael’s-Kathedrale völlig zerstört.

Aus den ausgeglühten Nägeln der Dachkonstruktion formte man wenig später ein Kreuz. Als Symbol der ökumenischen Nagelkreuzgemeinschaft wurde das „Nagelkreuz“ berühmt.

Beim Coventry-Gebet an jedem Freitagmittag in der Gedächtnis­kirche erzähle ich die Geschichte des Nagelkreuzes. Seit 1988 hat es seinen Platz in der Gedenkhalle im Alten Turm gefunden. Und ich kann erzählen, dass fast genau drei Jahre später, im November 1943, die Gedächtniskirche von englischen Bombern ­zerstört worden ist. Und dann bin ich jedes Mal froh, dass ich noch mehr erzählen kann. Dass der eng­lische Angriff auf Berlin nicht nur die Vergeltung für den deutschen Angriff auf Coventry und andere Städte geblieben ist, sondern dass daraus eine bewegende und einzigartige Geschichte echter Versöhnung wurde. Ich komme im Erzählen dieser Geschichte dem Geheimnis der Versöhnung auf die Spur. Versöhnung ist nicht die Stille nach dem „wie du mir, so ich dir“. Versöhnung bedeutet auch nicht, das, was gewesen ist, unter den Teppich zu kehren und zu hoffen, dass es sich mit der Zeit festtritt.

Die Wunden des Krieges sind nach 80 Jahren in Coventry und in Berlin geheilt, im Gesicht der Städte und auch durch den Neubau der ­beiden zerstörten Gotteshäuser. In einzigartiger Weise bleiben aber in Coventry und in Berlin die Wunden der Vergangenheit sichtbar. Anders als in anderen Konzepten des Wiederaufbaus, wie etwa bei der Frauenkirche in Dresden oder auch der ­Garnisonkirche in Potsdam, ist die gebrochene Vergangenheit hier auch baulich noch zu sehen.

Es ist die sichtbare, sogar anfassbare Erinnerung an die „Gangster­taten“ der deutschen Geschichte ­genauso wie die Erinnerung daran, dass jede Art von Vergeltung nur weitere Zerstörung bedeuten kann. Die Kirchen in Coventry und Berlin bilden eine Leidens- und eine ­Hoffnungsgemeinschaft. Sie sind Schwestern, die das gleiche erlebt haben, die mit den gleichen Gefühlen von Ohnmacht und Wut, Scham und Verzweiflung umgehen müssen.

Richard Howard, der Dompropst von Coventry, konnte die echten Brände in der Kathedrale nicht ­löschen. Aber sein Engagement für Versöhnung hat zuverlässig und dauerhaft den Brand gelöscht, der in Menschenherzen nur allzu leicht zu entfachen ist: Hass und Vergeltung. „Die Kathedrale wird auferstehen, sie wird wiederaufgebaut werden und sie wird der Stolz der zukünftigen Generationen sein so wie sie der Stolz vergangener Generationen war.“ Sagte er schon kurz nach dem Angriff von 1940. Er hat recht ­behalten.

Versöhnung ist und bleibt eine Aufgabe für Generationen. Die Wunden der Vergangenheit heilen, aber sie bleiben sichtbar. Das haben wir in Coventry und in Berlin erlebt. Wir geben es weiter an die, die nach uns kommen.

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(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Kirchen erhalten.... Heinz-Walter Knackmuss Lieber Herr Röger,die Kulturministerin des Landes Brandenburg, Dr. Manja Schüle, hat auf meine Anregung eine Verordnung erlassen, dass mit Zustimmung des Denkmalschtzes und des Konsistoriums Photovoltaik auf Kirchen der Normalfall sein soll. Das wäre eine Möglichkeit die Stromversorgung der Kirchengebäude autark zu machen, denn die Akkus erlauben eine Versorgung bei Tag und Nacht und durch die Einspeisungen noch Geld zu Verdienen und evtl. eine Heizung zu betreiben. Nun sind aber die Pfarrer dagegen und blockieren solche Maßnahmen. Sie haben im voauseilenden Gehorsam Angst, dass der Denkmalschutz das Projekt für Ihre Kirche ablehnen würden oder führen ästhetische Gründe an. Ich würde gern für die SMA in Rathenow dafür eine Spenenaktion starten, aber es fehlt die Zustimmung des Pfarrers. Ich finde, die Kirchenleitung müsste auch die Pfarrer motivieren, solche Projekte zu unterstützen.Wenn es den Christen mit dem Erhalt der Schöpfung Gottes wirklich ernst ist, müssten Photovoltaikanlagen auf alle Kirchendächer.
2. Die Kirche weiter umbauen Wolfgang Banse Nicht immer denkt eine Konsistorialpräsidentin.hier EKBO, Viola Vogel in den richtigen Kategorien.Ist sie eine Prophetin, Hellseherin, was den Zustand der EKBO betrifft.Bei grundsätzlichen Entscheidungen, sollte die Basisdemokratie angewendet w erden, hier Anhörung, Beteiligung der Kirchenglieder, im Bezug:"Wir sind das Kirchenvolk"Einsparungen, was das aufgeblähte Personal im Konsistorium betrifft.Der Rotstift sollte was das Personal anbetrifft, nicht das Bischofsbüro aussperren.Verabschiedung vom Beamtentum, Fahrer abschaffen,Mittelklasse PKw sich zu wenden.Pfarrwohnungen und Pfarrhäuser entsprechend zu aktuellem Mietzins vermieten.Die Kirche unterliegt keinem Modetrend, der wechselt.Gläubige identifizieren sich mit der Kirche, hier Kirchengemeinden, mit denen sie sich verbunden fühlen, beheimatet sind.Sie Familienkirchen , von der Taufe, über Konfirmation, Trauung bis zur Beerdigung für die Familie sind. Gemeindeglieder möchten nicht alle ein paar Jahre ein neues Gesangbuch...Dem Volk, hier Kirchenvolk auf`s Maul schauen, hier Reformator Martin Luther, sollte das Konsistorium beherzigen.Es ist nicht alle gut, was in der EKBO angedacht, umgesetzt wird.Kirchernmitgliedsaustritte zu Hauf belegen dies.
3. "Kontrast könnte nicht größer sein" Wolfgang Banse Die evangelische, protestantische Kirche sollte eindeutig Stellung, Position beziehen, wo sie steht im Bezug was die AFD betrifft.Lippenbekenntnisse sind nicht gefragt, sind fehl am Platz.Die Kirchen sollten sich intensiv beteiligen Ausländerfeindlichkeit, im Bezug:"Suchet der Stadt Bestes" Das Wächteramt, welches die Kirchen inne haben, sollte zum Vorschein kommen, im Bezug Antisemitismus, Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit,Behindertenfeindlichkeit.Aus der jüngsten deutschen Geschichte, hier 1933 bis 1945 sollten Lehren gezogen werden.Die Kirchen sind KPÖR, dieses sollten sie leben, erfahrbar werden lassen, im Bezug AFD. In drei neuen Bundesländern finden 2024 Landtagswahlen statt.Beide Amtskirchen sollten ein gemeinsames Wort zu den jeweiligen anstehenden Landtagswahlen herausgeben, im Hinblick auf die AFD.Flagge,Gesicht zeigen,wo für die Kirche, die Kirchen im Jahr 2024 stehen.

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