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„Danke, Bruder Stolpe“

„Danke, Bruder Stolpe“ – Mit diesen Worten nehmen Martin-Michael Passauer und Rosemarie Cynkiewicz Abschied. Kurz vor dem Jahreswechsel, am 29. Dezember, starb Manfred Stolpe, der frühere Ministerpräsident des Landes Brandenburg und ehemalige Konsistorialpräsident der Ostregion der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, im Alter von 83 Jahren. Ein Nachruf für einen Menschen, der Wertschätzung und Aufmerksamkeit verkörperte.

Nachruf Manfred Stolpe tot
Manfred Stolpe im Mai 2015 im Konsistorium der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz in Berlin. Stolpe wurde 1990 SPD-Mitglied und trat als Spitzenkandidat bei den Landtagswahlen an. Im November 1990 wurde er zum ersten Ministerpräsidenten in Brandenburg gewählt. 2002 trat er zurück. Von 2002 bis 2005 war er unter anderem Bundesminister für Verkehr, Bau und Wohnungswesen. Foto: Rolf Zöllner/epd

Von Martin-Michael Passauer und Rosemarie Cynkiewicz 

Zum 80. Geburtstag von Manfred Stolpe im Jahr 2016 erschien im ­Wichern-Verlag ein Buch, in dem 57 Weggefährtinnen und Weggefährten sich erinnern. Zwei Verben wurden als Buchtitel unter den Namen Manfred Stolpe gesetzt: „beraten und gestalten“. Verben, die jedem, der oder die in seine Nähe kamen, sofort Zustimmung abverlangen. Ja, das konnte er, immer präsent und  immer aktiv: beraten. 

Jederzeit und an jedem Ort wurde man gut beraten. Das eine Mal durch eine kluge Rückfrage, ein anderes Mal durch Ermutigung oder durch leises Einflüstern, oft auch durch diesen oder jenen Hinweis, eine offen ausgesprochene Wahrnehmung und immer mit einer wertschätzenden Aufmerksamkeit. Wenn wir, eine langjährige Weggefährtin und ein Weggefährte, in dieser Zeitung, der er immer besonders verbunden war, einen Nachruf schreiben, tun wir dies auf dem Hintergrund langjähriger kirchlicher Zusammenarbeit.

Wir sind angesichts seines Todes traurig und gleichzeitig erinnern wir uns dankbar an die vielen guten gemeinsam gemachten Erfahrungen. Erfahrungen im persönlichen Umgang, auf Sitzungen, Beratungen, Synoden oder Konferenzen. Ein roter Faden, der sich durch sein Leben zog und stets erkennbar blieb, lässt sich am besten so beschreiben: Er lebte und verkörperte diese wertschätzende Aufmerksamkeit. Wenn den beiden Verben – ­beraten und gestalten – noch ein Substantiv hinzuzufügen ist, dann ist es dies: Wertschätzung.  

Manfred Stolpe selbst hat nur wenig von den Stationen seines ­Lebens erkennen lassen. Erst vor seinem 80. Geburtstag erzählte er in einem Interview von seiner Kindheit und der Flucht aus Stettin, die in Greifswald endete. Auch das pommersche Konsistorium musste nach Kriegsende seinen Sitz in Stettin verlassen und verlegte ihn nach Greifswald. Dort fand sein Vater eine Anstellung als Bischofsfahrer und seine Mutter wurde als Hauswartin tätig. Die Familie bekam eine bescheidene Wohnung im konsistorialen Dienstgebäude. 

Ein Dienst in der Kirche konnte Freude machen

So lebte Manfred Stolpe schon als junger Mensch im Umfeld einer kirchlichen Behörde. Seine Mutter, eine fromme Frau, tat ihre Arbeit dort gern. Die Mitarbeiter des Konsistoriums nannten sie wegen ihres freundlichen Wesens „die Sonne“. Er sah schon damals, dass ein Dienst in der Kirche Freude machen konnte, ganz gleich, an welcher Stelle er geschah. Sein Glaube war ihm innerer Kompass, und er lebte ihn erkennbar und einladend. 

Ohne Parteizugehörigkeit hatte er nach dem Jurastudium in der DDR keine Chance auf eine angemessene Stelle. Da machte seine Mutter – wie er selbst erzählte – „die Kirche mobil“ und er wurde als Kirchen­jurist nach dem Studium von 1954 bis 1959 in Berlin angestellt.

Als Referendar wurde er für drei Jahre von 1959 bis 1962 in das Konsistorium Berlin-Brandenburg delegiert. 1962 wurde er dort zum Konsistorial-Assessor und 1964 zum Konsis­torial­rat ernannt. Der noch nicht einmal 30-Jährige hat hier schon alle seine Gaben und Fähigkeiten erkennen lassen, die ihn später zum allseits bekannten und gern in Anspruch genommenen „Bruder Stolpe“ werden ließ. An seiner Person und den Bereichen, in denen er innerkirchlich maßgeblich mitgewirkt hat, ließe sich eine Extra-Ausgabe Berlin-Brandenburgischer Kirchengeschichte aus östlicher Sicht erstellen. Unser Nachruf will eines besonders herausstellen: Wo und wie Manfred Stolpe auch immer mitberiet und mitgestaltete, hat er den einzelnen Menschen in seiner Einmaligkeit wahrgenommen und ­geachtet. Dies gilt für seine Aktivitäten nach dem Bau der Mauer als Büroleiter des Verwalters des Bischofsamtes, als juristischer Leiter einer ­Geschäftsstelle der Konferenz der ­Kirchenleitungen, als Leiter des Sekretariats des Bundes Evangelischer Kirchen und ab 1982 als ­Präsident des Evangelischen Konsistoriums in ­Berlin-Brandenburg, Region Ost. 

Er wollte gerne in der Zeit des erkennbaren gesellschaftlichen Aufbruches – der auch in die Kirche ­hinein wirkte – an der Seite seines verehrten Bischofs Gottfried Forck sein. Hier war er nicht nur der Berater und Mitgestalter des bischöflichen Am­tes, Mitgestalter innovativer Prozesse und Berater kreativer Menschen, sondern auch Kollege und Mit-Bruder im alltäglichen konsistorialen Gefüge. 

Gelebte Gemeinschaft im Konsistorium

Eine Zeugnis- und Dienstgemeinschaft wollte unsere Kirche sein. Unter seiner Leitung wurde im Konsistorium diese Gemeinschaft gelebt. Jede und jeden Einzelnen nahm er wahr, er motivierte, regte an und würdigte die unterschiedlichen Mitarbeitergruppen in ihrer jeweiligen Bedeutung für ein gutes Gelingen des Ganzen. Jederzeit ließ er sie seine Wertschätzung spüren. Diese Haltung war aber auch denen gegenüber beispielhaft, die als Hilfe­suchende, Ausgegrenzte, aber auch als Andersdenkende oder Ausreisewillige ins Haus kamen und dringend seine Unterstützung suchten. 

Diese sich zum Ende der 1980er Jahre mehrende Besucherwelle im Haus des Konsistoriums hat inner­betrieblich erhebliches Verständnis erfordert. Auch deshalb, weil der Dienst für die Kirchengemeinden nicht vernachlässigt werden durfte. Für dieses Verständnis hat Manfred Stolpe sich persönlich eingesetzt und jeden Tag neu geworben. Dass er später für die Art und Weise, wie er mit großem Einsatz, auch mit außerkirchlicher Unterstützung, Hilfe auf den Weg brachte, zum Teil heftig kritisiert wurde, hat ihn geschmerzt. 

Belastet hat diese Kritik auch alle diejenigen, die in seiner unmittel­baren Nähe waren, und ihn gerne unterstützt und ihm zugearbeitet haben. Wer so vielseitig begabt, so intensiv an einer auch äußerlich erkennbaren Kirche für andere und mit anderen arbeitete, dazu jeden Menschen als ein besonderes Geschenk Gottes gewürdigt und ihn entsprechend geachtet hat, den wollen wir über den Tod hinaus ehren und achten. 

Wir tun es von Herzen gerne und sagen: Danke, Bruder Stolpe.

Stimmen zum Tod von Manfred Stolpe

Dietmar Woidke, SPD-Minister­präsident von Brandenburg:

„Dies ist ein Tag tiefer Trauer. Wir nehmen Abschied von einem großen Mann, der unser junges Land geprägt hat wie niemand sonst. Manfred Stolpe war der Vater des modernen Brandenburgs. Er trug die Liebe zu Brandenburg in seinem Herzen, ­

lange schon bevor unser Land 1990 gegründet wurde. Er gab dem Land Stimme und Gesicht. Im besten Sinne des Wortes war Manfred Stolpe Landesvater und Mutmacher in einem.“

Friedrich Winter, Kirchenpräsident im Ruhestand der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg (Ost): 

„Als bewusster Christ wusste der mehrfache Ehrendoktor, der in der deutschen und brandenburgischen Politik viel gewirkt hat, woher er seine Kraft zu leben erhielt. Sein Einsatz für die Evangelische Kirche in Deutschland, besonders für die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg, nahm er aufrecht wahr. Wir trauern um ihn mit seiner Familie und sind für sein Leben dankbar.“

Christian Stäblein, Bischof der EKBO:

„Er war eine sehr eindrückliche Persönlichkeit: menschenfreundlich, verbindend und voller Gottvertrauen. Er hat dafür gesorgt, dass die evangelische Kirche auch in der DDR ihren eigenständigen Platz bewahren konnte. Wie viele Menschen hat es mich sehr beeindruckt, wie ehrlich Manfred Stolpe und seine Frau Ingrid mit ihrer Krebserkrankung umgegangen sind, mit allen Einschränkungen und Ängsten, die dazu gehören, aber auch mit Lebensmut und Stärke und lebendigem Glauben. Für mich ist er auch darin ein großes Vorbild.“ 

Am 21. Januar um 15 Uhr findet eine Gedenkfeier in der Nikolaikirche in Potsdam statt. Geladene Gäste sowie Bürgerinnen und Bürger können ihre Anteilnahme bekunden. Die Gedenkfeier wird auch live im rbb-Fernsehen übertragen. Es predigt Bischof Christian Stäblein.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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