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Das Gewissen in böser Zeit

Der österreichische Bauer Franz Jägerstätter ist nichts weniger als ein katholischer Märtyrer. Er verweigerte im Zweiten Weltkrieg den Kriegsdienst und konnte und wollte den Treueeid auf Hitler nicht ablegen. Mit seinem Film "Ein verborgenes Leben" setzt der amerikanische Regisseur Terrence Malick ihm jetzt ein verdientes Denkmal.

August Diehl spielt Franz Jägerstätter mit großer Intensität. Bei den Filmfestspielen in Cannes 2019 wurde der Film unter anderem mit dem Preis der Ökumenischen Jury ausgezeichnet. Foto: Pandorafilm

Von Roland Wicher

Gewaltige Bergpanoramen von erhabener alpiner Schönheit bilden in diesem Film nicht nur Kulisse, sondern den symbolischen kulturellen Raum, in dem sich der Gewissenskampf des Bauern aus dem Bergdorf entfaltet. Ein Zufluchtsort, wie ein Adlerhorst, ein verborgener Ort, so wird diese Bergwelt eingangs beschrieben. Ein tiefverwurzelter Katholizismus und eine unverbrüchliche Gottesbeziehung prägen Jägerstätter. Biblische Zitate und besonders das Vater Unser durchziehen den Film wie Flechtwerk. Als Stimme aus dem Off, vielleicht im Kopf des Bauern, legen sie sich über die Bilder und Szenen.

Der Film malt zu Beginn eine bäuerliche Idylle, in der Jägerstätter (August Diehl) lebt und arbeitet. Menschen holen mit einfachsten Geräten auf den Feldern die Ernte ein, bestellen mit vom Ochsen gezogenem Pflug das Feld, wie im Bilderbuch. Hier lernt Franz seine Frau Franziska kennen, sie werden ein Paar, haben Kinder, gehen der Landarbeit nach. Die Ideologie der Nazis erreicht diese Welt gleichsam wie ein fremdes, neues Geräusch, der Bürgermeister und einige Männer beten im Suff die Parolen der Nazis nach, wie auch schwarzweiße Wochenschaubilder zu Beginn des Films fremdartig wirken, verglichen mit dem Bergidyll mit seinen schroffen Gipfeln und grünen Tälern in eindrucksvollen, farbkräftigen Kamerabildern.

Faust in der Tasche statt Hitlergruß

Ein Riss geht durch diese Gemeinschaft, die hier unter altertümlichen Bedingungen lebt, und er vertieft sich zusehends. Der Postbote auf dem Fahrrad überbringt den Männern des Dorfes einem nach dem anderen Einberufungsbescheide. Man grüßt sich mit dem Hitlergruß, nur Jägerstätter nicht, er ballt gleichsam die Faust in der Tasche.

Die Kirche fegend, glockenläutend und bei Gottesdiensten in dem Kirchlein des Dorfes sieht man ihn, ein frommer, treuer Katholik. Als die Frage akut wird, ob er den Wehrdienst verweigern soll, führt er mit dem Pfarrer ein Seelengespräch. Dem aber fehlt der Mut, den Jägerstätter aufbringt. Der Geistliche möchte den sturen Bauern überreden, sich anzupassen und bearbeitet ihn sanft aber bestimmt auch mit patriotischen Argumenten. Jägerstätter bleibt konsequent und so werden er und seine Familie zusehends isoliert, angefeindet und ausgegrenzt.

Schließlich lässt er sich doch umstimmen, aber bei der Ankunft in der Kaserne bringt er den Treueeid auf Hitler nicht über die Lippen, landet im Kerker und sein Martyrium beginnt. Seine tapfere Ehefrau kämpft um ihn, während er am Ende nach Berlin überstellt und dort dann zum Tode verurteilt wird. Der hochengagierte Anwalt, der ihm einen juristischen Ausweg anbieten kann, scheitert an der Entschlossenheit Jägerstätters. Zunehmend wird klar, seine Entscheidung ist unumstößlich.

"Ich kann nicht anders, Gott helfe mir!"

"Ein verborgenes Leben" ist ein Film über das Gewissen. Ein im Glauben begründetes Wissen darum, was gut und was böse ist, unabhängig von äußeren Bedingungen leitet Franz Jägerstätter. "Ich kann nicht anders, Gott helfe mir!" könnte als Leitwort auch über diesem Film stehen. 

Terrence Malick ist ein Autorenfilmer mit künstlerischem Anspruch, der sich lange Zeit genommen hat, einen filmischen Stil zu finden. Inzwischen bringt er in regelmäßigen Abständen Filme in die Kinos, die in erhabenen Bildern und tänzerischen Kamerachoreographien philosophische und theologische Fragen reflektieren. Lebensgeschichten, alltägliche Begebenheiten und tiefe Umbrüche im Leben seiner Figuren formt er um zu kosmischen Dramen. Wo bist Du, Gott? Diese Frage Hiobs und Gottes Verweis auf die Macht und Schönheit seiner Schöpfung bilden nicht selten den Hintergrund der Erzählung.

"The Thin Red Line" ("Der schmale Grat") ist vielleicht sein stärkster Film, der den Kampf japanischer und amerikanischer Truppen um die Pazifikinsel Guadalcanal erzählt. Die Grausamkeit des Krieges speist eine Sehnsucht nach Erlösung, Gewalt und Schönheit, Natur und Gnade stehen sich gegenüber. Ähnlich dreht sich die Erzählung der Kindheits- und Jugendjahre eines Mannes und seiner Familie in "The Tree of Life" um den späteren Verlust des Bruders, der in einem nicht näher benannten Krieg als junger Militär fällt. Die Eltern und Brüder stürzt das in ein schweres Trauma, das schließlich in einer modernen Auferweckungsszene gleichsam am jüngsten Tag sein versöhnliches Ende findet. Die filmischen Mittel und die existenziellen Fragen, die Malick ins Zentrum seines Kinos stellt, finden sich auch in "Ein verborgenes Leben" wieder – insbesondere der Bilder und Geschehnisse reflektierende Gedankenstrom im Voice Over. Hier aber wird weitaus deutlicher die biblische und christliche Prägung zum Grund der Handlung und der Bilder.

Glaubenszeuge gegen das NS-Regime

In seinem jüngsten Film wird die Ausmalung der kleinen Kirche mit biblischen Szenen zum Gleichnis für die Beziehung von Kunst und Glauben.  So führt der mutige Bauer an einer Stelle mit dem Maler ein Gespräch, bei dem die Erlösungsbedürftigkeit der Wirklichkeit zur Sprache kommt. Der Maler misstraut gleichsam seinen eigenen Bildern, und bringt die Sehnsucht nach dem Erlöserin böser Zeit zum Ausdruck. Jägerstätter wird so zum Nachahmer Christi, zum Glaubenszeugen gegen das Naziregime, dessen Handeln in der Wirklichkeit das eigentliche Bild Christi ist. 

An Malicks Kino kann man einen Hang zur Überwältigung kritisieren. Zu schön sind die Bilder einer reinen Schöpfung, zu rein ist die archaische Welt der Bergbauern, zu eindringlich wirkt vielleicht manches Bibelwort. Dennoch überzeugt der Film darin, dass er die Konsequenz eines allein vom Gewissen bestimmten Handelns hervorhebt. Es ist spürbar, dass Malick dies als Amerikaner nicht geschichtslos meint. Vielmehr ist der politische Hintergrund des Films der Aufstieg der Rechtspopulisten, weltweit wie vor allem dann in den USA unter Präsident Donald Trump.

Es ist anzunehmen, dass Malick den Mut und die christliche Sturheit seines Helden Franz Jägerstätter gerade jetzt aus gutem Grund hervorhebt. Solchen Geist braucht es, um Gewalt, Propaganda und dummer Angepasstheit ein Gegenbild, ein Vorbild in der Nachfolge Christi entgegenzusetzen. Malicks existenzielle Perspektive, gerade im Fokus auf das Gewissen eines Einzelnen, mag unbefriedigend sein. Die Organisation von Menschen im Widerstand, der soziale Aufbau einer Gegenbewegung, die Gruppen von Widerständlerinnen und Gegnern des NS in den Blick zu nehmen wäre sinnvoll. Ein Mensch alleine – und das ist die Schwäche mancher Filme über Heldinnen und Helden des Widerstands – erscheint machtlos gegenüber dem mörderischen Apparat des Unrechtsstaats. Nur die einsame moralische Größe bleibt, ihrer wird letztlich gedacht. Dennoch, Jägerstätter zu gedenken ist richtig und verdienstvoll und darin hat der der Film seine Berechtigung und Wichtigkeit. Solches Gewissen, das Wissen um Gut und Böse, solche Unbeirrbarkeit und Beständigkeit, solche heilige Sturheit sind Quellen jeden gerechten Widerstands.

Roland Wicher ist Pfarrer der Kirchengemeinde Petrus-Giesensdorf in Berlin-Lichterfelde und Filmbeauftragter der EKBO.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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