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"Der Baum bist Du"

Der Künstler und Aktivist Ben Wagin wird 90 Jahre alt

Der Berliner Künstler Ben Wagin an dem von ihm initiierten Gedenkort
"Parlament der Bäume" auf dem ehemaligen Grenzstreifen in Berlin. Die Anlage erinnert seit dem 9. November 1990 an die Mauertoten und die Teilung Deutschlands. Foto: Christian Ditsch/epd
Gasse aus originalen Mauersegmenten im "Parlament der Bäume" im Berliner Regierungsviertel am Spreeufer, im Hintergrund das Haus der Bundespressekonferenz. Foto: Peter Lindörfer/epd

Von Christine Xuân Müller (epd)

Wo Ben ist, sind Bäume: So verknappt könnte man das Schaffen eines Künstlers beschreiben, der seit Ende des Zweiten Weltkrieges in Berlin nachhaltige Spuren hinterlassen hat: Hunderte Bäume hat er in der Stadt gepflanzt. Am bekanntesten ist das von ihm initiierte "Parlament der Bäume" mitten auf dem früheren Todesstreifen. Der Baumpate ist aber auch als Galerist, Bildhauer, Bühnenbauer und Aktivist bekannt. In diesen Tagen – irgendwann zwischen dem 21. und dem 25. März 2020 – wird Ben Wagin 90 Jahre alt.

Ein genaues Geburtsdatum ist nach dem Willen des Künstlers nicht bekannt. Der Tag des Frühlingsanfangs würde Ben Wagin aber selbst sehr gefallen. Eine andere seiner Eigenwilligkeiten ist, dass er konsequent jeden duzt – egal ob er mit einem Künstlerfreund oder einer Bundeskanzlerin redet. Auch eine mitunter deftige Ausdrucksweise gehört zu seinen Markenzeichen.

In ganz Europa hat Ben Wagin seit Mitte der 1960er Jahre Zehntausende vor allem Apfel- und Ginkgobäume gepflanzt. Fast immer waren die Baumpflanzungen eine Mischung aus Kunstaktion und politischer Performance. Er gewann dabei prominente Unterstützer wie Willy Brandt, Klaus Töpfer oder Joachim Gauck für seine Aktionen.

Ansteckende Lebensfreude und Anhänglichkeit

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) würdigt den Jubilar als leidenschaftlichen "Aktionskünstler, Umwelt- und Friedensaktivisten". "Ben Wagin gelingt es mit einer einzigartigen Mischung aus Charme, Begeisterung und Hartnäckigkeit, das Spannungsverhältnis zwischen Mensch und Natur kritisch zu beleuchten", sagte Grütters dem Evangelischen Pressedienst (epd). Viele seiner Aktionen seien nicht nur Aufrufe zum rücksichtsvollen Umgang mit der Natur, sondern Appelle für Frieden und Versöhnung: "Seine zähe und unerschütterliche Lebensfreude und seine unkonventionelle Anhänglichkeit sind ansteckend."

Wer die Wohnung und gleichzeitig das Atelier Ben Wagins in Berlin-Tiergarten betritt, ist überwältigt von deckenhohen Regalen – sie sind gefüllt mit Pflanzen, Skulpturen, Wurzeln, Muscheln, Malereien, Samen, Kompost, Zeitschriften, Tee-Resten, Kollagen, Nussschalen und wieder neuen frischen Trieben einer kleinen grünen Pflanze. Doch was auf den ersten Blick wie Chaos anmutet, entpuppt sich als purer Ausdruck seines künstlerischen Selbstverständnisses. Man könnte sagen, da liegen jede Menge Ideen rum. Und alle drehen sich um die Frage nach dem Verhältnis zwischen Mensch und Natur.

Wagin wurde Ende März 1930 in der polnischen Kleinstadt Jastrow geboren. Sein Großvater nahm den kleinen Jungen häufig mit in den Wald, um Beeren, Tannenzapfen oder Holz zu sammeln. Der Ältere lehrte den Jüngeren dabei, wie verletzlich Bäume einerseits sind und wie sie andererseits dem Menschen Schutz bieten. "Ich habe die Komplexität unserer Beziehung sehr früh erahnt, diese Vielschichtigkeit des Gebens und Nehmens", erklärt Wagin in seiner Autobiografie.

Erste Baumpflanzung 1967 vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche

Darin beschreibt er auch, dass er früh heimatlos wurde. Seit 1945 habe er seine Spuren über andere Orte verteilt, darunter Bremen, Hannover, Frankfurt, München, Bonn oder Düsseldorf. Seine Wahlheimat aber wurde Berlin, wo er seit 1957 lebt. "Die Stadt hatte eine große Sogwirkung auf mich", erklärt der Künstler: "Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass Berlin eine so riesige Narbe hatte." Die Mauer blieb ebenso wie die Bäume eines der Themen, die ihn immer wieder umtrieben.

Seine erste Baumpflanzung in Berlin initiiert Ben Wagin 1967 vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. 1975 entsteht unter seiner Leitung der "Weltenbaum", das erste große Wandbild Berlins. 1988 pflanzt er Bäume in der DDR vor der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin. 1990 beginnt er, den einstigen Todesstreifen nahe dem Reichstag mit Bäumen zu bepflanzen und ein Mauermahnmal zu gestalten, das "Parlament der Bäume". Eines seiner Bücher trägt den Untertitel "Der Baum bist Du - sind Wir".

Vor allem das "Parlament der Bäume" sorgte in den vergangenen Jahren immer wieder für öffentliche Debatten. Die Anlage besteht aus 58 originalen Mauersegmenten, Granitplatten mit den Namen von Maueropfern, Texten, Gemälden, Blumenbeeten und über 100 Bäumen, die von Politikern oder anderen Prominenten gepflanzt wurden. Lange Zeit war der Fortbestand unklar. Seit 2017 steht das "Parlament der Bäume" im Regierungsviertel unter Denkmalschutz, seit Anfang 2020 gehört das Mahnmal dem Land Berlin.

"'Das Parlament der Bäume' ist ein lebendiges Wesen. Eine Erinnerung an einer Stelle, wo es das Sterben gegeben hat", sagt Wagin. Zugleich stehe es sinnbildlich für die Vielfalt: "Es herrscht also eine friedliche Konkurrenz, denn man ist aufeinander angewiesen. Jeder braucht den anderen, keiner kann allein überleben."

"Ben Wagin ist ein Ausnahmekünstler, der eigentlich ja nie älter geworden ist", würdigt ihn Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke). "Seine Arbeiten und seine Initiativen, die er anstößt, wie das 'Parlament der Bäume', all das zeugt von einem unruhigen, kreativen Geist, der nie aufhört sich einzumischen."

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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