Von Christian Stäblein
Das erste Wort im großen Buch der Psalmen ist ein Glücks- und Segensruf: Wohl dem, wohl der. Damit beginnt es. Und schließt 150 Psalmen später mit einem frohen, kräftigen, von Pauken, Posaunen und Zimbeln untermaltem Halleluja. Das letzte Wort im großen Buche der Psalmen ist ein Jubelruf: Halleluja. Ich liebe Psalm 1 aus zweierlei Gründen. Zum einen trumpft er mit einem Bild auf, das berückend schön und zugleich sehr modern ist: Wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit und seine Blätter verwelken nicht. Der Förster und Buchautor Peter Wohlleben und die in diesem Jahr, in dem Nähe zwischen Menschen so schwierig geworden ist, gewonnene Erkenntnis, dass es auch mal gut sein kann, einen Baum zu umarmen, lassen grüßen. Das Bild des Psalms ist einfach schön. Es hilft mir zu begreifen, wie schön es mit der Weisung Gottes ist – seinem Gebot, der Tora. Tag und Nacht darüber meditieren empfiehlt der Psalm, immer wiederholen, murmeln, Tag und Nacht.
Zum zweiten liebe ich den Psalm, weil er ja eine Art Ouvertüre ist. Er ist vermutlich bei der Zusammenstellung der 150 zu einem Buch diesen allen vorangestellt worden. Er macht kenntlich, dass auch das Buch der Psalmen keine zufällige Ansammlung, sondern eine strahlend schöne Komposition ist, bestehend aus fünf einzelnen Büchern. In der jüdischen Tradition der Rabbinen weiß man: Mose gab dem Volk Israel die fünf Bücher der Tora, David die fünf Bücher der Psalmen. Psalm 1 gibt in dieser Komposition den Takt vor. Das, was wir Tag und Nacht murmeln. Die Freude an Gottes Weisung. Das Versprechen, das in ihr steckt. Seine Nähe und Treue. Wie an Wasserbächen, wie ein Baum. Wohl dem, wohl der. Das gilt für den ersten wie für alle 150 folgenden. Halleluja.
Christian Stäblein ist Bischof der EKBO und Mitherausgeber von „die Kirche“.