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Die Kirche hat immer noch Aids

Am 1. März wird nach über 25 Jahren das Projekt „Kirche positHIV“ beendet. Wie geht es in Berlin weiter mit der Seelsorge für Aidskranke und HIV-Infizierte?

Kirche Aids
Grafik: freepik.com

Von Friederike Höhn

Viele Glieder, aber ein Leib: So beschreibt Paulus im ersten Brief an die Korinther die christliche Kirche. „Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit“ (1. Korinther 12,26). Doch das schien in den 1980er und frühen 1990er Jahren nicht für Aids-Kranke zu gelten. „Unsere Erfahrung war, dass die Kirche immer gesagt hat: Aids haben die anderen, die Schwulen, die Ausgegrenzten, die Drogenabhängigen. Aber niemand kam auf die Idee, dass auch Christen Aids haben könnten. Das war fremd“, erinnert sich Pfarrerin Dorothea Strauß. „Eigentlich aber müsste es heißen: Wenn ein getaufter Mensch Aids hat, dann hat das die ganze Kirche.“

Sie selbst hatte bereits viele Freunde an Aids verloren, als sie 1993 im Rahmen des Welt-Aids-Treffens in Berlin mit Vertretern des International Christian Aids Network zusammentraf. Dort wurden ihr und ihren Mitstreitern die Augen geöffnet: „Man sagte uns: Ihr dürft nicht warten, bis euch jemand beauftragt, sondern ihr müsst was tun. Dann haben wir Kirche positHIV gegründet.“ 

Wegen des damaligen Stellenstopps in der evangelischen Landeskirche finanzierten die Franziskaner eine Teilzeitstelle für Pfarrerin Strauß, um in einem ökumenischen Rahmen Seelsorge für Aidskranke und HIV-Infizierte anzubieten. Gemeinsam mit Pater Norbert Plogmann und vielen Ehrenamtlichen organisierte sie Seelsorge, regelmäßige Gottesdienste und spirituelle Angebote. „Wir haben gesagt: Wir wollen nichts machen, was andere besser können, sondern eine kirchliche Antwort geben“, erzählt die Theologin. „Mit Kirche positHIV ist eigentlich eine Art Gemeinde entstanden. Mit all den Dingen, die eine Gemeinde ausmachen.“

Doch jetzt ist Schluss. Nun, nach 26 Jahren wird das Projekt mit einem Gottesdienst am 1. März in der Kirche am Lietzensee verabschiedet. Dorothea Strauß ist in den Ruhestand getreten. Sie möchte sich zurückziehen und Platz für neue Ideen freimachen. Damit endet ein bundesweit einmaliges ökumenisches Projekt – vorerst. Denn der Abschied von Kirche positHIV heißt nicht, dass es keine seelsorgerlichen Angebote mehr für HIV-Infizierte, Aids-Kranke, Angehörige und Freunde geben wird. „Mitwirkung ist gefragt“, sagt Pfarrer Burkhard Bornemann von der Zwölf-Apostel-Gemeinde in Berlin-Schöneberg. Die Kirchengemeinde ist Träger des Alten St.-Matthäus-Friedhofs, auf dem sich Grabstätte und Denkmal für an Aids-Verstorbene befinden.

Unter dem Titel „Die Kirche hat immer noch Aids – wohin soll es gehen?“ lädt der Berliner Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg zu einem offenen Diskussionsabend in das Gemeindehaus im Nollendorfkiez ein. „Es wird daran liegen: Melden sich Menschen?“, äußert sich Pfarrer Bornemann zur Zukunft. „Deshalb lautet die Einladung: Es kann weitergehen, wenn ihr mitmacht.“ Eine Prognose für ein Nachfolgemodell mag Pfarrer Bornemann nicht abgeben. In jedem Fall ist er bereit, künftige Angebote mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen.

Dass sich die kirchliche Aidsseelsorge neu orientieren muss, hat mit den großen Veränderungen im Umgang mit der Immunschwächekrankheit zu tun. „Der Bedarf an Seelsorge ist deutlich zurückgegangen“, beobachtet Dorothea Strauß. „Damals gingen viele, die positiv getestet worden waren, sehr offensiv mit ihrer Situation um. Man schloss sich zusammen, zur Selbsthilfe. Das war auch bei Kirche positHIV so.“ Aus einer todbringenden Infektion ist heute eine chronische Erkrankung geworden, die zwar der ständigen medikamentösen Therapie bedarf, aber trotz Schwierigkeiten in den Alltag integriert werden kann. „Wer früh therapiert wird, entwickelt überhaupt keine Symptome, ist nicht infektiös. Es besteht kein Grund mehr, sich zu outen. Die HIV-Infektion hat sich privatisiert.“

Abschiedsgottesdienst für Kirche positHIV. Mit Pröpstin Christina-Maria Bammel und den schwulen Männerchören Rosa Cavaliere und Männer-Minne. Am Sonntag, 1. März, 18 Uhr. Kirche Am Lietzensee, Herbartstraße 4–6, Berlin-Charlottenburg.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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