Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

Die Lehre vom gerechten Krieg und die Christen

Ist militärische Gewalt als letztes Mittel mit dem christlichen Glauben vereinbar?

Foto und Collage: Pefestorff/dk

Bis heute ist unter Christen umstritten, ob nach Jesu Vorbild die Gewaltlosigkeit die einzig richtige Haltung ist oder ob der Einsatz militärischer Gewalt doch als letztes Mittel der Politik mit dem christlichen Glauben vereinbar ist

Von Tilman Baier und Constance Bürger (mit epd)

„Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.“ Auf diese klare Aussage hatten sich die 145 Kirchen verständigt, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zur Gründung des Weltkirchenrates 1948 nach Amsterdam gekommen waren. Doch was das praktisch hieß, blieb vage. So verurteilte schon die ­folgende Weltkirchenkonferenz 1954 im US-amerikanischen Evanston ­angesichts des ausgebrochenen Kalten Krieges zwar die Herstellung von neuen Atomwaffen, nicht aber die schon vorhandenen als Mittel der ­Abschreckung. Und während die ­Kirchen in der DDR fast durchgängig pazifistische Positionen vertraten, spaltete in der Bundesrepublik seit der Wiederbewaffnung auch die Christen die alte Frage, ob militärische Stärke nötig und ihr Einsatz als letztes Mittel der Politik erlaubt sei, wenn die Diplomatie versagt.

Kampf als letztes Mittel zur Wiederherstellung des Rechts


Dahinter stand und steht die Lehre vom gerechten Krieg, die sich schon in der Antike herausgebildet hatte. Allerdings war dies für die jungen christlichen Gemeinden als verfolgte Minderheit im Römischen Reich noch kein Thema. Hier stritt man sich, ob Soldaten überhaupt Christen werden dürfen. Eingang in die kirchliche ­Dogmatik fand diese Lehre erst, nachdem im Jahr 380 das Christentum zur römischen Staatsreligion wurde. ­Danach dürfen Kriege nur geführt werden, wenn der Kampf das letzte Mittel zur Wiederherstellung des Rechts ist. Es muss also dazu ein als zulässig anerkannter Kriegsgrund vorliegen und der Anführer muss eine legitime Autorität haben. Der Kampf muss angemessen geführt werden, dabei ist zwischen feind­lichen Soldaten als Gegner und ­un­beteiligter Zivilbevölkerung zu ­unterschieden. Zudem muss eine Aussicht auf Frieden bestehen.

Diese Lehre bestimmte über Jahrhunderte in verschiedenen Nuancen die Stellung der Kirchen zur militärischen Gewalt. Allerdings waren es auch Christen, die die pazifistische Bewegung prägten, die im 19. Jahrhundert aufkam – allen voran die ­protestantischen Friedenskirchen wie die Quäker. Nach dem Ersten ­Weltkrieg stellte der Friedensbund Deutscher Katholiken fest: Kein militärischer Kampf, der mit modernen Waffen geführt wird, kann die Vor­gaben für einen gerechten und damit erlaubten Krieg erfüllen.

Totale Vernichtung ist unzulässig


In dieser Linie argumentierte 1957 auch Helmut Gollwitzer als erster westdeutscher evangelischer Theologe: Moderne Massenvernichtungswaffen machten keinen Unterschied zwischen Kämpfern und Zivilisten, präventive Verteidigung sei nur als Angriff möglich. Das Kriegsziel könne nur die totale Vernichtung des Gegners sein – sei also unzulässig.

Dass eine solche Meinung damals in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nicht mehrheits­fähig war, zeigen die 1959 als Kompromiss formulierten Heidelberger Thesen: Dort wird zwar anerkannt, dass ein Waffenverzicht eine mög­liche christliche Handlungsweise sei – aber ebenso der Versuch, mit der ­Abschreckung durch Atomwaffen Frieden und Freiheit zu sichern.

Friedenskreise gründeten sich 


Der Nato-Doppelbeschluss Ende 1979 und die anschließende Nachrüstung markierten eine Wende im Kalten Krieg: In der Zeit davor hatte ­Entspannung zwischen den beiden Blöcken das politische Klima bestimmt, nun wuchs wieder die Gefahr eines Atomkriegs. Viele Menschen gingen auf die Straße. Einige der ­lautesten Stimmen der Friedensbewegung kamen von Kirchenleuten. ­Friedenskreise gründeten sich. 

Der NATO-Doppelbeschluss stellte die rein westdeutsche EKD vor eine Zerreißprobe. Denn die reformierten Kirchen erteilten 1981 der Abschreckung durch Massen­vernichtungs-waffen eine klare Absage. Die EKD folgte dem erst, als die Weltkirchenkonferenz 1984 in Vancouver die ­Abschreckung durch Massenvernich- tungswaffen ächtete.

Nach dem Ende des Kalten Krieges wagte dann 1993 die EKD-Synode mit einer „Kundgebung zur Friedens­verantwortung“ und 1994 der EKD-Rat mit „Orientierungspunkten zur Friedensverantwortung“ eine neue Positionierung, die mit Überarbeitungen 2001 bis heute Bestand hat. Im Fokus ist hier die Verhinderung von Kriegsursachen wie Armut und Unterdrückung. Gesetzt wird auf ­zivile Konfliktbearbeitung.

Die EKD hatte sich 2007 in der Denkschrift „Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen“ zum Thema positioniert. Betont wird darin der Vorrang ziviler ­Konfliktlösungen. Gewalt wird als ­äußerstes Mittel zur Vermeidung schlimmerer Verbrechen aber nicht komplett abgelehnt.

Nicht-militärische Lösungen


Diese Ausrichtung bestätigte die EKD 12 Jahre später, 2019, auf ihrer ­Tagung in Dresden. Dort verab­schiedeten die Synodalen eine ­friedensethische Resolution, die sich klar für ­Gewaltfreiheit ausspricht. Sie bekräftigt die Forderung nach nicht-militärischen Lösungen an­gesichts einer wachsenden Zahl ­bewaffneter Konflikte in der Welt.

In der aktuellen Lage sprach sich die Kirchenkonferenz der EKD in der vergangenen Woche für Waffenlieferungen aus, da Völkerrecht missachtet werde. 

Der EKD-Friedensbeauftragte Friedrich Kramer betonte danach, dass es ­i­nnerhalb der Konferenz sehr unterschiedliche Wahrnehmungen und widersprüchliche Beurteilungen des Krieges und zu friedensethischen Fragen gebe. Er selbst hat sich immer wieder konsequent gegen Waffenlieferung und gegen eine Aufrüstung der Bundewehr ausgesprochen. Ein Mehr an Waffen könnte in einer „unabsehbaren Eskalation“ enden, sagte er Mitte März dem „Bayerischen Rundfunk“. 

Kirche befindet sich in einem Dilemma 


Auch die EKD-Ratsvorsitzende, Präses Annette Kurschus, ist der Überzeugung, dass Waffen grundsätzlich kein Mittel seien, die Frieden bringen. Jedoch hält sie es für schwierig, die geforderten Waffenlieferungen abzulehnen, wenn die Menschen sich nicht allein aus eigenen Kräften verteidigen könnten. 

Kurschus betonte zuletzt das ­Dilemma der kirchlichen Position. „Wie immer wir uns positionieren: Wir können in dieser Situation keine weiße Weste behalten.“ Sie halte es für zynisch zu sagen, Gebete und Mitgefühl mit den Menschen in der Ukraine müssten ausreichen. „Ich kann nachvollziehen, dass die Ukraine in ihrer Selbstverteidigung unterstützt wird. Das ist ein echtes Dilemma.“ Aber dem dürften die Kirchen nicht ausweichen, indem sie schweigen und sich aus der Verantwortung ziehen. 

Kurschus forderte zudem, dass sich die evangelische Friedensethik vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs „einer kritischen Prüfung“ unterziehen und neu diskutiert ­werden müsse. Dafür hat sich auch Bischof Christian Stäblein aus­gesprochen. Seiner Einschätzung nach sind Waffenlieferungen an die Ukraine vereinbar mit der christ­lichen Friedensethik. In der Nachfolge Jesu habe jede Form der Gewaltlosigkeit Vorrang. Zugleich sei es aber „völlig unmöglich, Menschen sich ­selber zu überlassen, die Bomben­hagel und Tod im Moment wehrlos ausgesetzt sind“. 

Landessynode forderte: keine Waffen in Konfliktgebiete 


Die Evangelische Jugend der EKBO sieht in einer Aufrüstung Deutschlands keine Möglichkeit zu einer dauerhaften Befriedung. Die Welt befinde sich in einem Dilemma, bei der Frage, wie Frieden geschaffen werden kann, heißt es in einem Statement, das auf der Landesjugendversammlung im März verabschiedet wurde. „Wir sind uns bewusst, dass der Ukraine geholfen werden muss, mit humanitärer Hilfe und mit Sanktionen gegen Russland.“ Gegebenenfalls könnten Waffenlieferungen dazu beitragen, die Situation in der Ukraine zu befrieden. 

Diese Spannungen in der christ­lichen Friedensethik werden vermutlich auch die Synodentagung der EKBO am 1. und 2. April in Berlin ­bestimmen. Die Landessynode hatte im April 2018 eine Erklärung ver­abschiedet, um sich auf den Weg zu einer „Kirche des gerechten Friedens“ zu machen. Darin heißt es: „Eine vorwiegend auf militärische Maßnahmen fokussierte Politik wirkt eher konfliktverschärfend als friedenschaffend. Deshalb muss Gewaltfreiheit handlungsleitend sein.“ In der  Erklärung wurde die Bundesregierung dazu aufgefordert, Waffenlieferungen in Konfliktgebiete dringend zu unterbinden und die zivile Konfliktbearbeitung deutlich auszubauen. 

Artikelkommentar

Artikelkommentar
captcha
Bitte tragen Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe in das Feld ein.
Hinweis: Die von Ihnen ausgefüllten Formulardaten werden lediglich für die Zwecke des Formulars genutzt. Eine andere Verwendung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Artikelkommentare

(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Kirchen erhalten.... Heinz-Walter Knackmuss Lieber Herr Röger,die Kulturministerin des Landes Brandenburg, Dr. Manja Schüle, hat auf meine Anregung eine Verordnung erlassen, dass mit Zustimmung des Denkmalschtzes und des Konsistoriums Photovoltaik auf Kirchen der Normalfall sein soll. Das wäre eine Möglichkeit die Stromversorgung der Kirchengebäude autark zu machen, denn die Akkus erlauben eine Versorgung bei Tag und Nacht und durch die Einspeisungen noch Geld zu Verdienen und evtl. eine Heizung zu betreiben. Nun sind aber die Pfarrer dagegen und blockieren solche Maßnahmen. Sie haben im voauseilenden Gehorsam Angst, dass der Denkmalschutz das Projekt für Ihre Kirche ablehnen würden oder führen ästhetische Gründe an. Ich würde gern für die SMA in Rathenow dafür eine Spenenaktion starten, aber es fehlt die Zustimmung des Pfarrers. Ich finde, die Kirchenleitung müsste auch die Pfarrer motivieren, solche Projekte zu unterstützen.Wenn es den Christen mit dem Erhalt der Schöpfung Gottes wirklich ernst ist, müssten Photovoltaikanlagen auf alle Kirchendächer.
2. Die Kirche weiter umbauen Wolfgang Banse Nicht immer denkt eine Konsistorialpräsidentin.hier EKBO, Viola Vogel in den richtigen Kategorien.Ist sie eine Prophetin, Hellseherin, was den Zustand der EKBO betrifft.Bei grundsätzlichen Entscheidungen, sollte die Basisdemokratie angewendet w erden, hier Anhörung, Beteiligung der Kirchenglieder, im Bezug:"Wir sind das Kirchenvolk"Einsparungen, was das aufgeblähte Personal im Konsistorium betrifft.Der Rotstift sollte was das Personal anbetrifft, nicht das Bischofsbüro aussperren.Verabschiedung vom Beamtentum, Fahrer abschaffen,Mittelklasse PKw sich zu wenden.Pfarrwohnungen und Pfarrhäuser entsprechend zu aktuellem Mietzins vermieten.Die Kirche unterliegt keinem Modetrend, der wechselt.Gläubige identifizieren sich mit der Kirche, hier Kirchengemeinden, mit denen sie sich verbunden fühlen, beheimatet sind.Sie Familienkirchen , von der Taufe, über Konfirmation, Trauung bis zur Beerdigung für die Familie sind. Gemeindeglieder möchten nicht alle ein paar Jahre ein neues Gesangbuch...Dem Volk, hier Kirchenvolk auf`s Maul schauen, hier Reformator Martin Luther, sollte das Konsistorium beherzigen.Es ist nicht alle gut, was in der EKBO angedacht, umgesetzt wird.Kirchernmitgliedsaustritte zu Hauf belegen dies.
3. "Kontrast könnte nicht größer sein" Wolfgang Banse Die evangelische, protestantische Kirche sollte eindeutig Stellung, Position beziehen, wo sie steht im Bezug was die AFD betrifft.Lippenbekenntnisse sind nicht gefragt, sind fehl am Platz.Die Kirchen sollten sich intensiv beteiligen Ausländerfeindlichkeit, im Bezug:"Suchet der Stadt Bestes" Das Wächteramt, welches die Kirchen inne haben, sollte zum Vorschein kommen, im Bezug Antisemitismus, Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit,Behindertenfeindlichkeit.Aus der jüngsten deutschen Geschichte, hier 1933 bis 1945 sollten Lehren gezogen werden.Die Kirchen sind KPÖR, dieses sollten sie leben, erfahrbar werden lassen, im Bezug AFD. In drei neuen Bundesländern finden 2024 Landtagswahlen statt.Beide Amtskirchen sollten ein gemeinsames Wort zu den jeweiligen anstehenden Landtagswahlen herausgeben, im Hinblick auf die AFD.Flagge,Gesicht zeigen,wo für die Kirche, die Kirchen im Jahr 2024 stehen.

Hier gelangen Sie zur Übersicht über alle Kommentare.