Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

Durchbruch für Rehabilitierung

Pfarrer Klein wurde von der NS-Justiz als Homosexueller verurteilt. Die Kirche entließ ihn daraufhin aus dem Amt. Jetzt wird er rehabilitiert – ein bislang einmaliger Vorgang

Friedrich Klein

Berlin/dk. Es ist ein wichtiger Durchbruch für das Recht in der Evangelischen Kirche: Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wird ein von der NS-Justiz wegen des sogenannten Homosexuellen-Paragraphen §175 abgeurteilter und anschließend aus dem Kirchdienst entfernter Pfarrer von der Evangelischen Kirche 

rehabilitiert. In einem öffentlichen Gedenkgottesdienst mit Bischof Christian Stäblein wird am 1. September das Unrecht anerkannt, dass Pfarrer Friedrich Heinrich Klein, tätig in der Immanuelgemeinde Berlin-Prenzlauer Berg, 1942 nach der Aburteilung durch die NS-Justiz wegen des Paragrafen 175 von der Kirche aus dem Dienst entlassen wurde. Dieser Fall wird damit zum Präzedenzfall für die gesamte Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). 

Paragraf 175 des Strafgesetz­buches von 1872 stellte sexuelle Handlungen zwischen zwei Männern unter Strafe. In den Jahren des NS-Regimes wurde er verschärft, ein Verdacht oder eine Denunziation konnten zu zehn Jahren Gefängnis oder Konzentrationslager führen. Die meisten Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 50000 Männer aufgrund von Paragraf 175 inhaftiert, 15000 in Lager gebracht wurden. Die Zahl der Todesopfer geht in die Tausende. Die Bundesrepublik übernahm den Paragrafen, entschärfte ihn 1969. In der DDR erfolgte dieser Schritt bereits 1957. Abgeschafft wurde Paragraf 175 erst 1994. 2002 hob der Bundestag alle entsprechenden nationalsozialistischen Unrechtsurteile auf. 

Der Gemeindekirchenrat der Immanuel-Gemeinde in Berlin-Prenzlauer Berg fordert seit Bekanntwerden des Skandals um ihren früheren Pfarrer im August 2018 vom Kirchenkreis und der Landeskirche „die Aufarbeitung der Causa Friedrich Klein und die Rehabilitierung des unrecht­mäßig Verurteilten“.

„Die Evangelische Kirche ist dringend aufgefordert, Forschungsarbeit zu dem Thema der in der Nazi-Zeit entlassenen Pfarrerinnen und Pfarrer zu leisten und alle Betroffenen umgehend zu rehabilitieren“, sagt GKR-Vorsitzende Uta Motschmann. Der Staat habe seine Aufgabe hinsichtlich des Paragrafen 175 inzwischen spät, aber in vielfacher Weise wahrgenommen, „nun steht die gebotene kirchenrechtliche Rehabilitierung an“, so Motschmann weiter. Es sei gerade angesichts der aktuell wieder aufkommenden homophoben und rassistischen Ressentiments dringend erforderlich, dass „unsere Kirche ein unmissverständliches und klares Zeichen setzt“. 

Die Rehabilitierung von Pfarrer Klein dürfe nur der erste Schritt sein, nun sei die Aufarbeitung der ganzen dunklen Vergangenheit im Kirchenrecht während der Nazi-Zeit dringend nötig, fordert der GKR weiter. Jetzt sollte die weitere Erforschung aller Fälle der zu Unrecht durch die Nazi-Gesinnungsjustiz und die damaligen Kirchen-Verantwortlichen aus dem Kirchdienst Entlassenen eingeleitet werden. 

Auch der Gesprächskreis Homosexualität der benachbarten Advent-Zachäus-Kirchengemeinde kritisiert den Umgang der Kirche mit Pfarrer Klein: „Das war von Anfang an rechtswidrig! Wir sehen die Kirche hierfür auch besonders in der Verantwortung und Pflicht“, sagen Lothar Dönitz und Volker Gasser.

Dieser Verantwortung stellt sich die Kirchenleitung der EKBO nun. Am vergangenen Freitag beschloss sie einstimmig: „Der Entzug der Ordinationsrechte von Pfarrer Friedrich Klein am 20. Januar 1943 durch das Konsistorium wird als Unrecht anerkannt und für nichtig erklärt.“ Weiterhin werde man die Aktenlage erforschen und das Thema homo­sexuelle Pfarrer wissenschaftlich aufarbeiten sowie eine Anlaufstelle für Betroffene einrichten. Für 2021 ist eine grundlegende Erklärung oder ein Bußwort zum Thema Menschen im Dienst der Kirche mit queerer Identität oder gleichgeschlechtlich liebender Menschen geplant.

Gedenkgottesdienst am Dienstag, 1. September, 19.30 Uhr mit Bischof Christian Stäblein. Immanuelkirche, Immanuelkirchstraße 1, Berlin-Prenzlauer Berg.

Teilnahme nur nach Anmeldung, E-Mail: gemeindeleitung(at)immanuelgemeinde.de

 

Der Fall Friedrich Klein

1942 wurde der seit 1935 an der Immanuelkirche diensthabende Pfarrer Friedrich Klein vom Reichskriegsgericht wegen Verführung eines 19 Jahre alten Mannes zu „widernatürlicher Unzucht“ zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Kurz darauf wurde Klein vom kirchlichen Konsistorium der Mark Brandenburg unter Verlust seiner geistlichen Rechte und Bezüge aus dem Kirchdienst entfernt. Die Kirchenleitung teilte ihm mit, dass er ab sofort „aus dem Dienst ausgeschieden“ sei. „Sie haben damit den Anspruch auf sämtliche Dienstbezüge und auf Versorgung sowie die Befugnis, die Amtsbezeichnung zu führen, und die Rechte des geistlichen Standes verloren“, hieß es weiter.

Klein kam ins Gefängnis Torgau. Im Juli 1944 wurde ihm die Möglichkeit der „Bewährung im Fronteinsatz“ angeboten und er wurde einem Bewährungsbataillon zugeteilt. Offenbar kam er an die vorderste Ostfront. Danach war sein Schicksal ungeklärt. Klein wurde erst 1975 per 31. Dezember 1945 für tot erklärt. Neue Archivrecherchen zeigen, dass Klein allerdings wohl direkt nach seiner Verlegung an die Front unweit vom damaligen Leningrad (St. Petersburg) unter nicht näher bekannten Umständen umgekommen ist. 

Heute ist Kleins Personalakte als einzige der an der Immanuelkirche tätigen Pfarrer im Evangelischen Landeskirchlichen Archiv nicht mehr auffindbar. Auch die 1943 mit Kreuz im kirchlichen Stempel besiegelte Entscheidung ist nicht aufgehoben worden. 

Artikelkommentar

Artikelkommentar
captcha
Bitte tragen Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe in das Feld ein.
Hinweis: Die von Ihnen ausgefüllten Formulardaten werden lediglich für die Zwecke des Formulars genutzt. Eine andere Verwendung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Artikelkommentare

(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

Hier gelangen Sie zur Übersicht über alle Kommentare.