Von Uli Schulte Döinghaus
Ein Landvermesser würde vermutlich feststellen, dass die Kirche exakt in der Mitte des 200-Seelen-Dorfes Wildenau steht. Das gilt nicht nur für die dörfliche Geografie, sondern überhaupt. Ringsherum gruppieren sich der Dorfanger und die Wohnhäuser, wie um Schutz in der Nähe der Kirche zu suchen und ihr gleichzeitig Schutz zu bieten. Der Turm ist – selbstverständlich – das höchste Gebäude des Dorfes. Vor der Tür ist die einzige Bushaltestelle, ringsherum der alte, aufgelassene Friedhof unter einer prachtvollen Linde, eine Art Gemeindebüro befindet sich gegenüber, die ehedem repräsentative Pfarrwohnung gleich nebenan.
Grabinschriften erinnern an das einstige adlige Patronat
Einen Steinwurf entfernt lag das Gutshaus der adligen Kirchenpatrone, die nur ein paar Schritte brauchten, um in ihre Loge links neben dem Altar zu gelangen. An ihre Genealogie erinnern steinerne Epitaphien, die links und rechts der Kirchentür aufragen und bärbeißige Männer in Ritterrüstungen zeigen.
Jetzt wurde das Gotteshaus, dessen Feldsteine schon im 13. Jahrhundert bearbeitet und aufeinandergeschichtet wurden, vom Förderverein „Alte Kirchen“ zur „Dorfkirche des Monats August“ ausgewählt.
Wildenau im brandenburgischen Elbe-Elster-Kreis ist ein Ortsteil der Stadt Schönewalde. Kirchengeografisch gehört Wildenau zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) und zum Pfarrbereich Knippelsdorf, den Pfarrer Michael Seifert leitet. Schnurstracks führt er Gäste und Besucher*innen der Dorfkirche unter den hölzernen Kronleuchter, den vermutlich einer seiner Vorgänger gezimmert und geschnitzt hat. Dem Taufbecken aus Kalkstein darunter sind seine schätzungsweise 420 Jahre nicht unmittelbar anzusehen, aber es könnte eine Auffrischung gebrauchen. Die religiöse Ornamentik der Schale ist verblasst, frommer Text nicht zu entziffern, die Farben Rot und Blau sind kaum noch zu erkennen. Auch der Fuß, eingelassen und verankert im Boden, soll denkmalpflegerisch in die alte Form gebracht werden. Ein privater Geldgeber, den Kindheitserinnerungen mit Dorf und Kirche verbinden, übernimmt den Großteil der Kosten. Kirchliche und weltliche Zuschussgeber kommen für den Rest auf.
„Nächstes Jahr zu Ostern plant die Gemeinde ein Fest, um die Restaurierung des Taufbeckens zu feiern“, sagt Pfarrer Seifert, der schon jetzt alle Gemeindeglieder ermuntert, ihre alten Taufkleider mitzubringen, Fotoalben und natürlich Erinnerungen, die man sich zu diesem Anlass gut erzählen kann.
Neue Kirchenbänke unter alter Balkendecke
Im Dorf mit seinen 200 Einwohnerinnen und Einwohnern sind immerhin 50 Menschen eingetragene Kirchenglieder. Zwölf bis 15 von ihnen nehmen regelmäßig an Gottesdiensten teil – im Sommer in den neuen Kirchenbänken unter der Balkendecke. Und im Winter, wenn überhaupt, in der ehemaligen Patronatsloge, die im 18. Jahrhundert in Fachwerk angebaut wurde. Das Muster des Anbaus korrespondiert mit Teilen des Turms, dessen Fachwerkwände womöglich verkleidet werden müssen, um nicht zu verwittern.
Das Innere des Kirchleins, das vor 15 Jahren restauriert wurde, dominieren Taufstein und der schöner Kanzelaltar mit mittelalterlichen Apostelfiguren, der aber in die Jahre gekommen ist. „Ich traue mich nicht recht, hinaufzuklettern, um zu predigen“, sagt Pfarrer Seifert und beäugt eine wackelige Treppe, die hinter dem Altar zur Kanzel führt.
Umso stabiler scheint die mächtig vorschwingende Orgelempore, die Platz für einen großen, mehrstimmigen Chor böte, wenn es ihn denn hier im Dorf gäbe. Kirchenmusik gestaltet sich noch etwas mühsam. Die Orgel pfeift noch nicht einmal auf dem letzten Loch, sondern braucht eine Generalüberholung. „So lange singen wir eben a cappella“, sagt Pfarrer Michael Seifert und schaut hoffnungsvoll hoch zur Empore.
Dorfkirche Wildenau
Zum Park 3, Schönewalde-Wildenau.
Gottesdienste und Besichtigungsmöglichkeiten bitte anfragen.
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Dorfkirche des Monats
Zu Beginn jedes Monats prämiert der Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg eine „Kirche des Monats“.
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