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EKD-Beauftragter: Beerdigungen in Corona-Krise menschlicher gestalten

Claussen plädiert für erste vorsichtige Lockerungen der strengen Auflagen

Andacht im Freien vor der Urnenbeisetzung auf dem Evangelischen Gemeindefriedhof in Essen-Haarzopf. Foto: Friedrich Stark/epd

epd-Gespräch: Stephan Cezanne

Berlin (epd). Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen, plädiert für erste vorsichtige Lockerungen der strengen Einschränkungen bei Beerdigungen und bei der Sterbebegleitung auch während der Corona-Krise. "So hart das klingt: Einen Ostergottesdienst kann man auch in einem Jahr wieder feiern, aber eine Beerdigung eben nicht. Auch eine Hochzeit kann man verlegen, eine Beerdigung nicht", sagte Claussen in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er selbst habe keine fertigen Lösungen parat, aber die Social-Distancing-Maßnahmen hätten hohe Kosten. Diese ließen sich anders als andere Dinge später nicht wieder gutmachen.

epd: Beerdigungen sind zurzeit nur im kleinsten Familienkreis erlaubt, die Trauerfeier darf nur im Freien direkt am Grab in reduzierter Form stattfinden. Trauergespräche sollen die Pfarrerinnen und Pfarrer nur telefonisch führen. Was bedeutet dies für die Angehörigen?

Johann Hinrich Claussen: Man kann in Notzeiten vieles überbrücken, aber für eine richtige Beerdigung braucht es vorher ein gutes Gespräch. Das gehört eigentlich zu einer würdevollen Bestattungskultur, die dann in eine angemessene Feier mündet. Wir erleben schon vor Corona in vielen Großstädten, dass bei 50 Prozent der Menschen nach dem Lebensende gar nichts mehr passiert. Jetzt stellen viele Menschen fest, was für ein Verlust das eigentlich ist. Man sieht endlich, dass eine gute Bestattungskultur bedeutsam, heilsam und für eine Kultur insgesamt lebensnotwendig ist.

Auch geschlossene Kapellen und Trauerhallen sind ein Problem, denn diese sind seelsorgerlich geschützte Räume. Dort können vertrauliche Dinge gesagt werden, ältere Menschen können sitzen und zuhören, es kann Musik erklingen. Auch dort kann Abstand gehalten werden, oft besser als auf einem Gräberfeld. Trauergemeinden sind sehr diszipliniert und halten sich an die Regeln des Kontaktschutzes. Daher müsste es jetzt eigentlich möglich sein, einen guten rituellen Abschied zu nehmen. Es ist sehr wichtig, dass der Akt des Abschiednehmens auch körperlich und gemeinschaftlich erfolgt. Damit konfrontiert man sich auch mit der eigenen Endlichkeit, die Menschen können einander stärken und sich Trost zusprechen.

Der Abschied einer Person betrifft zudem nicht nur die Kernfamilie und den allerengsten Kreis. Tote und Verstorbene haben einen viel größeren Umkreis, von dem oft die eigenen Kinder nichts wissen. Deshalb gehört zu einer guten Beerdigung für mich auch eine gewisse Art der Öffentlichkeit. Das muss keine Massenveranstaltung sein, aber Nachbarn oder Kollegen sollten die Gelegenheit haben, dabei zu sein.

epd: Können Trauerfeiern später nachgeholt werden?

Claussen: So hart das klingt: Einen Ostergottesdienst kann man auch in einem Jahr wieder feiern, aber eine Beerdigung eben nicht. Auch eine Hochzeit kann man verlegen, eine Beerdigung nicht. Das sind Dinge, die lassen sich schwer nachholen. Es gibt natürlich die späteren Gedenkgottesdienste, aber dann sind die Menschen oft schon in einer ganz anderen Trauerphase. Der eigentliche, körperliche, gemeinschaftliche, rituelle Abschied ist dann nicht mehr möglich.

epd: Wo liegen zurzeit die Probleme bei der Sterbebegleitung?

Claussen: Wir wissen aus unserer langjährigen Arbeit mit vor allem hochbetagten und demenziell veränderten Menschen, dass diese vor allen Dingen Nähe, ein zugewandtes Gesicht und Berührung brauchen. Manchmal frage ich mich und fragen sich immer mehr Menschen, ob wir nicht in die Gefahr geraten, Menschen zu Tode zu retten, deren Lebensende absehbar ist. Natürlich darf niemand ein Coronavirus durch ein ganzes Altenheim tragen. Aber dass Menschen, die offenkundig am Ende ihres Lebens stehen, von Angehörigen oder Seelsorgern keinen Besuch empfangen dürfen, das ist schon eine sehr harte Maßnahme, die man nicht auf Dauer aufrechterhalten kann. Da steht einfach die Menschlichkeit des Sterbens infrage.

epd: Gibt es noch weitere Argumente für eine Lockerung der rigorosen Kontaktsperre?

Claussen: Ja, ich merke, wie hoch die Kosten der Social-Distancing-Maßnahmen sind. Anders als andere Dinge lassen diese sich später nicht wieder gutmachen.

epd: Wie lauten Ihre Vorschläge für die nächsten Wochen?

Claussen: Ich habe keine fertigen Rezepte. Ich plädiere aber dafür, dass man die beiden Barmherzigkeiten miteinander ausbalanciert, diese harte Barmherzigkeit der Kontaktvermeidung und die weiche Barmherzigkeit der Begleitung im Sterben und aus dem Leben hinaus. Da muss es bessere Formen geben als die jetzige strenge Form. Danach müssen wir suchen und das können wir als Kirche natürlich nicht alleine machen. Aber wenn jetzt die Diskussion beginnt, wo wir anfangen, aus der Distanz in die Begegnung zu gehen, da sollte auch die Kirche ihre Stimme erheben und sagen: Hier haben wir einen Dienst zu tun, der wichtig ist! Und den können wir nur tun, wenn mehr Spielraum da ist.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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