Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

Esels Ohr auf halb sieben

Die andere Weihnachtsgeschichte

Weihnachtsgeschichte anders
Die Geburt Christi. Darstellung aus dem Hortus Deliciarum der Herrad von Landsberg (12. Jahrhundert). Foto: CC0/via Wikipedia

Eine Geschichte von Sabine Hoffmann

Auf mich hört ja keiner! Ich bin ja nur die Schwiegermutter. Abgeschoben hat man mich. In einen Verschlag nahe dem Stall. Weil ich nichts mehr kann und nur noch Ballast bin. Aber jahrzehntelang die Wäsche machen in der Herberge und in der Küche die Töpfe putzen, das durfte ich. Mein lieber Herr Schwiegersohn denkt, er macht alles richtig. Aber diesmal hat er mal wieder nicht so weit gedacht, wie ein kleines Kind springen kann. Zuerst hörte ich immer nur dieses Wimmern und Klagen. Zuerst dachte ich: Wieder diese Bettler, die ein wenig Brot zur Nacht wollen. Meine Ohren sind ja nicht mehr so gut. Aber dann war das Klagen doch zu weinerlich. Nur wegen Brot so ein Aufstand, das konnte nicht sein! In meinem Verschlag nahe am Stall sehe ich die Tür zur Herberge nicht. Die Neugier trieb mich auf die alten Beine und ich humpelte zur Stalltür. Da sah ich die beiden. Er war ein einfacher Mann, der seine Frau stützte. Und jetzt sah ich auch warum. Die Frau keuchte und japste, der Bauch war nicht zu übersehen. Sogar ich mit meinen alten Augen sah den bebenden Leib. Da war ganz eindeutig ein Kindlein unterwegs und nicht erst in ein paar Monaten. Was schleppt der Mann denn seine hochschwangere Frau durch die Weltgeschichte! Da bleibt man doch zuhause. Diesmal tat mein Schwiegersohn Recht daran, dass er die beiden abwies. Wer soll denn bitteschön diese Schweinerei wegmachen? Ein Lamm schlachten ist dagegen gar nichts. Ist die Herberge denn ein Hospital? Auf dem Bett will doch keiner mehr schlafen! Wer ersetzt uns denn den Schaden? Nein, da hatte er mal ausnahmsweise Recht. Aber er hatte ein Erbarmen. Er zeigte zum Stall. Schnell humpelte ich in meinen Verschlag zurück und schob die Decke vor. Die sollten sich ja nicht einbilden, ich mache da noch die Hebamme. Kluge Ratschläge habe ich in meinem Leben genug gegeben. Und was ist der Dank? Ein Verschlag hinten am Stall. Ich war auch meist alleine bei den Geburten und habe mich nicht so geziert. Bei dem Gelärme wurden die Tiere ganz unruhig. Nur der Esel stand ruhig. Ist halt der Esel. Die sind töricht, wenn es ihnen passt. Zuerst weiß das Dummchen nicht, wie sich legen. Und ob überhaupt. Der Mann ist ja auch keine Hilfe. Wie denn auch, er ist ein Mann. Ein Glück, dass er nicht noch Hilfe bedurfte. Aber irgendwie schaffte sie es. Das war ein Gestöhne. Endlich klatscht da was ins Stroh und gleich hört man es schreien. Ich sage es ungern, aber da hüpfte mein Herz schon. Neun Monate schleppt man da was im Leib herum, man weiß nicht, was es ist, ob es einen zerreißt und ob man es später satt bekommt. Aber wenn es dann da ist – unbeschreiblich. Ach, da heulten sie beide, Arm in Arm, mit dem Kindchen. Ich wischte mir auch drei Tränen weg, aber mehr waren es wirklich nicht. Der Esel trat an das Trio heran und schnupperte. Ganz vorsichtig. Sonst immer der Tölpel, aber jetzt ganz elegant. Einfach mal so eine Geburt mitzuerleben, das ist schon ein Erlebnis. Mir wurde richtig blümerant. Nur vom Zuschauen. Irgendwie rennt einem da das eigene Leben durch den Kopf. Sieben Kinder habe ich geboren, vier davon sind noch im Kindbett gestorben. Da war das Nächste schon im Bauch unterwegs. Es blieb keine Zeit zum Trauern. Kinder sind schon was Schönes. Warum lebt man sonst? Mein Mann war gut und hatte goldene Hände. Ein Stück Holz und er baute daraus Bett und Truhe. Der Ackerboden warf das ab, was wir brauchten, hungern mussten wir nicht. Meine älteste Tochter hat mich zu sich geholt, als er starb. Die Söhne sind weit fort. Habe keinen mehr gesehen. Die erste Zeit in der Herberge von meinem Schwiegersohn war schwer. Mein Mann hat mir gefehlt. Da nützt die Tochter nichts. Vielleicht habe ich zu viel geschimpft und mich immer eingemischt. Aber was macht mein Schwiegersohn auch immer für Dusseleien! Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Da kann man doch nicht ruhig sein. Der Mund ist zum Reden da, nicht nur zum Essen. Jedenfalls bei mir ist das so. Die Tochter sagte dann immer: „Mutter, gib Ruh.” Nun ja. Sie stand zu ihrem Mann. Habe ich aber keine Ruh gegeben. Und irgendwann reichte es dem Schwiegersohn. Er wies mir den Anbau am Stall zu und verbot mir das Haus. Dreimal am Tag kommt die Tochter mit Essen und schaut nach mir. Jetzt laufen mir schon wieder die Tränen, diese fremden Leute machen mich noch ganz kirre. Ich bin doch sonst nicht so. Das Baby schmatzt jetzt schon an der Brust und eigentlich würde ich schon gern wissen, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist. Ich tippe auf Junge. Ist ein ziemlicher Brocken. Es ist so ruhig im Stall. So friedvoll. Also, die Schafe können ganz schön spinnen. Wenn mal ein Lamm geschlachtet wird, dann blökt die Mutter drei Tage. Und alle anderen im Chor. „Böhhh. Böhhh.” Und drei Nächte dazu. Bis es dem Esel zu viel wird und er selber schreit. Dann geben die Schafe Ruhe. Aber jetzt ist es still und irgendwie komisch. Sie sollen das Baby nur ja gut einwickeln. Die Schafe scharen sich jetzt um die drei. Sonst sind sie Angsthasen in Person. Mir soll es recht sein. Die Schafe wärmen gut. Der Esel posiert am Kopf der Frau. Das eine Ohr hängt auf halb sieben, das andere steht aufrecht wie ein Soldat. Na, das ist ein Bild. Jetzt kichere ich leise vor mich hin. Das habe ich seit Jahren nicht mehr gemacht. Mit meinem Mann habe ich gelacht. Da wackelte das ganze Haus. Aber später konnte ich nicht mehr. Meine Tochter hat keinen Humor, die hat nur Verständnis. Und mein Schwiegersohn hat Humor, aber den will ich nicht. Mit dem Humor ist das so eine Sache. Vielleicht schaut meine Tochter später noch vorbei. Und wenn ich Lust habe, erzähle ich ihr von dem Bild mit dem Esel und der Frau. Vielleicht lacht sie dann auch. Sie kann dann gleich Milch und Suppe bringen. Die sollen sich nicht so haben, Suppe ist immer genug da. Und Milch auch. Wenn ich so drüber nachdenke, es ist bestimmt besser, dass das Kindchen im Stall zur Welt gekommen ist. In der Herberge sind manchmal harte Gesellen. Die haben kein Gefühl. Hier im Stall ist es doch gut. Jetzt habe ich den Namen gehört: Jesus. Ich wusste es – ein Junge. Jona wäre mir ja persönlich lieber, aber mich fragt ja keiner. Mir wird richtig warm ums Herz. Irgendwie komisch. Da sind wildfremde Leute. Die kriegen ein Kind. Vor meinen Augen. Und mir laufen die Tränen, als ob ich Zwiebeln schäle. Das kann nur ein Zeichen sein. Wenn mein Schwiegersohn kommt und sie verscheuchen will, dann werde ich ihm aber …! Man kann sie nicht wegjagen. Es ist irgendwie etwas Heiliges darum.

Artikelkommentar

Artikelkommentar
captcha
Bitte tragen Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe in das Feld ein.
Hinweis: Die von Ihnen ausgefüllten Formulardaten werden lediglich für die Zwecke des Formulars genutzt. Eine andere Verwendung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Artikelkommentare

(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

Hier gelangen Sie zur Übersicht über alle Kommentare.