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"Evangelische Kirche braucht Veränderung"

In der Diskussion um Reform und Einsparungen bei der evangelischen Kirche regt Katrin Göring-Eckardt eine Reduzierung der Zahl der Landeskirchen und der Kirchengebäude an

Kathrin Göring-Eckart ist Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag und seit 2003 Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), hier bei der Tagung 2019. Foto: Heike Lyding/epd

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, macht nicht nur Politik im Bundestag, sondern auch Kirchenpolitik. Sie gehört der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an, die im November über Reformen der Kirche angesichts des Mitgliederverlusts beraten will. Im Gespräch mit Corinna Buschow (epd) äußert sich Göring-Eckardt überzeugt davon, dass es Veränderungen geben muss. Sparpotenzial sieht sie vor allem in zwei Bereichen.

Beide große Kirchen verlieren Mitglieder. 2019 sind mehr als eine halbe Million Menschen ausgetreten. Sie sind selbst in der evangelischen Kirche engagiert. Woran liegt das nach Ihrer Einschätzung?

Es gibt viele Untersuchungen dazu, deswegen will ich meine anekdotisch-praktische Sicht gar nicht zum Besten geben. Wir müssen Konsequenzen daraus ziehen, was Wissenschaftler herausgefunden haben.

Und das ist?

Alle großen Organisationen erleben, dass Mitgliedschaft nichts Selbstverständliches mehr ist. Wir sind keine Volkskirche mehr in dem Sinne, dass es selbstverständlich ist, dazu zu gehören. Mich lässt das aber nicht hoffnungslos oder deprimiert zurück. Ich bin in der DDR aufgewachsen, deswegen ist mir eine kleinere Kirche nicht ungewohnt.

Hat sich die Mehrheit evangelischer Christen und Funktionsträger damit abgefunden?

Ich habe von meiner Erfahrung geredet. Ob das wirklich so kommen wird, dass Christen eine Minderheit werden, wissen wir nicht. Selbst wenn wir Mitglieder verlieren, sind wir eine der größten Organisationen – größer als Parteien oder Sportvereine.

Die Synode der EKD, der Sie angehören, wird sich im November mit Reformen beschäftigen. Was ist eigentlich das Ziel: neue Mitglieder zu gewinnen oder die Zahl der Mitglieder überhaupt möglichst stabil zu halten, den Verlust also zu stoppen?

Wir dürfen auf keinen Fall die vergessen, die da sind und Ansprüche, Wünsche und Ideen haben. Als erster Schritt ist es also total richtig, die Mitglieder zu halten. Nur wenn wir an den Punkt kommen, an dem wir wirklich überzeugt sind, das Richtige zu tun, können wir überhaupt auf andere ausstrahlen. Dafür brauchen wir Veränderung.

Welche Veränderung ist das in Ihren Augen?

Wir müssen sehr bewusst darauf setzen, Ansprechpartner für Lebenssituationen zu sein, in denen etwas anders wird. Das gilt etwa für die Schwelle zum Erwachsenwerden, Heirat, Kinderbekommen, auch für Krisen des Alltags oder gar den Tod. Zweitens müssen wir einsehen, dass es allein als evangelische Kirche nicht mehr geht. Wir müssen auf Ökumene, also Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche und mit anderen christlichen Organisationen setzen. Drittens sollten wir aufhören, zwischen Kirche im engeren Sinn und dem Wirken von evangelischen Organisationen wie Diakonie und "Brot für die Welt" zu unterscheiden. Der Kindergarten, das Krankenhaus, das Engagement für Flüchtlinge – das ist alles Kirche. Das sollten wir stärker nach außen kommunizieren.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat ein Papier mit Reformvorschlägen vorgelegt, über das die Synode beraten wird. Es zielt auf einen Abbau von Doppelstrukturen und eine Konzentration auf Kernthemen. Gehen Sie mit den Vorschlägen mit?

Bürokratische und Doppelstrukturen versteht heute niemand mehr. Mir ist besonders wichtig, dass das Papier auf Diskurs angelegt ist. Es geht nicht darum, einfach einem Vorschlag einer Arbeitsgruppe zu folgen. Das unterscheidet es auch von früheren Reformvorhaben, wo Kommissionsvorschläge einfach so umgesetzt werden sollten. Die evangelische Kirche hat da auch aus Widerständen gelernt, die es bei Reformern in der Vergangenheit gab.

Manche Kritiker des Papiers sagen, es ziele auf die Abschaffung der Kirchengemeinde vor Ort. Wie sehen Sie das?

Ich weiß um die Ängste von Menschen, die sich fragen, was aus ihrer Ortsgemeinde wird. Ich rate dazu, sich einfach mal umzuschauen, was längst geschieht. Selbstverständlich muss künftig über mehrere Gemeinden hinweg zusammengearbeitet werden. Bei Gemeinden in Brandenburg und Thüringen aus 13 Dörfern kann der Pfarrer oder die Pfarrerin nicht jede Woche überall erscheinen.

Die Synode der EKD, der Sie angehören, entscheidet über den Haushalt und damit über konkrete Sparmaßnahmen. Haben Sie Ideen, in welchen Bereichen oder bei welchen Angeboten die Kirche sparen sollte?

Ich sehe Potenzial vor allem in zwei Bereichen. Das eine ist die Diskussion um die vielen Landeskirchen. Wir haben 20 Landeskirchen – mehr als Bundesländer. Da stellt sich mir schon die Frage, ob die Aufrechterhaltung dieser Struktur sinnvoll ist. Daneben gibt es die vielen Kirchenräume, mit denen eine riesige Verantwortung verbunden ist. Was machen wir in der Zukunft damit? Kann man mit diesen Orten auch etwas anderes anfangen? So sehr ich persönlich Kirchenräume liebe und mich kaum satt sehen kann an Kirchenfenstern, können wir uns wahrscheinlich nicht mehr alle leisten.

Um wie viele Landeskirchen sollte reduziert werden?

Da werde ich mich auf keine Zahl festlegen. Ich weise nur darauf hin, dass wir Bundesländer haben, in denen wir zwei oder mehr Landeskirchen haben. Daneben gibt es aber auch positive Beispiele, etwa meine eigene, die mitteldeutsche Landeskirche oder die Nordkirche, bei denen sich auch sehr verschiedenen geprägte Landeskirchen zusammengeschlossen haben. Diese Prozesse sind zwar zunächst nicht einfach. Am Ende lernt man aber auch voneinander und fühlt sich als großes, gemeinsames Ganzes stärker als zuvor.

Was meinen Sie damit?

Es geht darum, Bündnisse zu schmieden. Ein Beispiel ist das Bündnis "United4Rescue", das die "Sea-Watch 4" betreibt. Nur so konnte die Kirche das Thema Seenotrettung konkret angehen. Die EKD ist ja keine Reederei. Dennoch ist bei dem ganzen Projekt klar: Es geht nicht nur um Seenotrettung und Politik, sondern um christliches Engagement.

Wird die Kirche dann eine Nichtregierungsorganisation neben anderen sein?

Nein, aber sie wird dies unter anderem auch sein. Sie agiert mit der Diakonie und "Brot für die Welt" an manchen Stellen wie eine Nichtregierungsorganisation. Aber es geht nicht nur darum, sich gesellschaftlich zu engagieren, sondern darum, den Glauben frei leben zu können. Dahinter steht eine 2‍ 000-jährige Geschichte, in der Menschen wegen ihres Glaubens gefoltert oder ermordet wurden. Dieses Fundament hat keine Nichtregierungsorganisation, das hat nur Kirche.

Im Papier ist auch die Rede davon, sich künftig bei politischen Stellungnahmen stärker auf weniger Themen zu konzentrieren. Ist das ein Rückzug der Kirche aus der Öffentlichkeit?

So lese ich das nicht. Was dort steht, heißt für mich: Unser politisches Engagement sollte sich nachvollziehbar gründen auf dem, was wir glauben. Auch eine politische Äußerung ist damit verbunden mit einem geistlichen Anspruch.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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