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Freiheit braucht Verantwortung

Wolfgang Huber gilt als Vordenker in ethischen Fragen. Die Aussagen des früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu gesellschaftlichen und religiösen Fragen haben über seine Amtszeit hinaus einen hohen Stellenwert. Als Bischof hat er die wieder­vereinte Kirche in Berlin, Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz geprägt. Am 12. August feiert Wolfgang Huber seinen 80. Geburtstag

Wolfgang Huber. Foto: Christian Ditsch/epd

Von Ellen Ueberschär

Menschen, Götter und Maschinen. So lautet der Titel des neuen Buchs von Wolfgang Huber. Nach dem Handbuch der Evangelischen Ethik, den Glaubensfragen und der Bonhoeffer-­Biografie nimmt der Jubilar die Ethik der Digitalisierung ins Visier. Nicht nur, dass er mit allen Vorurteilen über das Verhältnis der Älteren zur Digitalisierung aufräumt. Dass er uns darin seine noch immer ­un­gestillte Neugier auf jüngste ­Entwicklungen offenbart, seine Freude an der systematischen Durchdringung ­unüber-sichtlicher Dinge, macht diese Veröffentlichung so ­besonders. 

Aufmerksames Beobachten der Gegenwart, rechtzeitiges Erkennen der jeweils virulenten gesellschaft­lichen Themen und eine prägnante Meinung kennzeichnen Wolfgang ­Hubers Wirken in den drei großen ­Bereichen seiner beruflichen Biografie – der Universität, der Kirche und der Öffentlichkeit. Wie wenige ­andere hat er das Bild des deutschen Protestantismus in den vergangenen Jahrzehnten geprägt. 

Glauben, Politik und Leben gehören zusammen 


Von der universitären Sozialethik herkommend, erhielt seine Idee von Kirche und wie sie sein sollte, ­entscheidende Prägungen durch den Kirchentag, dessen Präsidium er in den 1980er angehörte. Als einer der jüngsten Präsidenten stand er 1985 dem Düsseldorfer ­Kirchentag vor. ­Damals reiste die Theologin Anne­marie Schönherr, Ehefrau von ­Albrecht Schönherr, der von 1972 bis 1981 Bischof der Region Ost der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg war, aus Ost-Berlin an und hielt die Predigt im Abschlussgottesdienst. 

Dass Glauben, Politik und persönliches Leben zusammengehören, dass es möglich ist, mit voller evange­lischer Kraft „hart am Wind gegenwärtiger Konflikte zu segeln“, waren Erfahrungen, die nicht ohne Wirkung auf Wolfgang Hubers Vorstellungen von einer zeitgemäßen Gestalt der Kirche blieben. 

Sein Entschluss, neun Jahre nach seiner Zeit als Kirchentagspräsident als Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg zu kandidieren, mag auch eine Frucht der Kirchentagszeit gewesen sein, begleitet von Begegnungen mit prägenden ­Persönlichkeiten. Sie standen dafür, dass Kirchentag und Kirche über all die Jahre der deutschen ­Teilung ­hinweg eine verlässliche deutsch-deutsche Klammer bildeten.  

Als Wolfgang Huber 1994 Bischof wurde, befand sich die Evange­lische Kirche Berlin-Brandenburg in einem Findungsprozess. Da waren die ­Erfahrungen der Fried­lichen ­Revolution, die hohen Erwartungen, den Bedeutungszuwachs in den transformativen Zeiten weiter ­ausbauen zu können und die tiefe Enttäuschung, dass dies kaum ­gelang. 

Da waren die West-Berliner Er­fahrungen vom Kirchesein in einer Frontstadt, die sich nun wie eine Insel in unbekanntem Meer anfühlte. Da schwangen noch die ­Bitterkeit und die Verluste des ­Jahres 1961 mit. Das Stadt-Land-­Gefälle, das in keiner Kirche größer ist als in dieser, schob sich stärker ins Bild. Strukturell waren Entscheidungen zur Einheit gefallen, aber überall standen, manchmal unsichtbar, bisweilen unübersehbar, Mäuerchen. 

Konnte das gut gehen? Ein ­Universitätsprofessor, politischer Kopf, Kirchentagspräsident aus dem Südwesten der Republik als Bischof? Um das Selbstvertrauen in die ­kommunikative Wirksamkeit ihres öffentlichen Daseins wieder­zu­gewinnen, hätte es für die Kirche nicht besser kommen können. Mit Wolfgang Hubers reformorientiertem Geist gelang es nicht nur in ­Berlin-Brandenburg und später auch in der schlesischen Oberlausitz, sondern in der gesamten Evange­lischen Kirche in Deutschland (EKD) die ­Präsenz der Evangelischen ­Kirche in allen relevanten Themenbereichen zu stärken. 

Zuwendung zum Mitmenschen


Die Richtung war klar: Eine ­Kirche der Freiheit ist das Salz der Erde. Wolfgang Huber, 2003 zum Rats­vorsitzenden der EKD gewählt, war und ist zutiefst überzeugt, „dass nur verantwortete Freiheit wirkliche Freiheit ist. …  Freiheit ohne Verantwortung verkommt. Wo die Achtsamkeit für die Konsequenzen des eigenen Handelns fehlt, zerfällt das Gemeinwohl. Wo es an Zuwendung zum ­Mitmenschen mangelt, zerbrechen tragende Gewissheiten“. 

Was 2009 zur Lage in der Finanzkrise formuliert wurde, ist ohne ­Abstriche auf die Situation heute ­anwendbar. Der Kompass einer ­verantworteten Freiheit, die sich am Evangelium orientiert, machte ­Hubers Positionen für niemanden ­bequem. Wenn er die Investment­banker als „Tänzer um das Goldene Kalb“ anzählte, war ihm Beifall von genau derselben Seite sicher, die sich empört darüber zeigte, dass er höchst eigenhändig die Weihnachtsbeleuchtung am KaDeWe einschaltete, um den ­Geschäftsleuten am Tauentzien zu vermitteln, dass auch die Basis ihres Handelns erodiert, wenn der Advent bereits im September beginnt und als solcher nicht mehr erkennbar ist. 

Es ist diese, an Dietrich Bonhoeffer geschulte Gegenwartshermen­eutik, die bis heute ihre Gültigkeit hat: Sie erteilt der Ausübung christlicher Moral in den Grenzen ihrer Komfortzone eine Absage. Statt­dessen akzeptiert sie, dass die lutherische Freiheit eines Christen­menschen Wertorientierungen hervorbringt, aber keine Werte als unverhandelbare Dogmen vorschreibt. Eine ethisch verantwortete Position reagiert stets in aller Freiheit auf die jeweilige konkrete ­Situation und „segelt hart am Wind gegenwärtiger Konflikte“.

Am 12. August feiert Wolfgang Huber, der mit seiner Frau Kara in Berlin wohnt, seinen 80. Geburtstag. Herzliche Segenswünsche, lieber ­Bischof a.D., Wolfgang Huber!

Die Theologin Ellen Ueberschär ist Vorständin der Stephanus-Stiftung und gehört dem Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung an. Von 2006 bis 2017 war sie Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags.

Zur Person

Wolfgang Huber wird am 12. August 80 Jahre alt. Er lebt mit seiner Frau Kara in Berlin. Geboren 1942 in Straßburg als jüngster von fünf Söhnen wächst Huber im Schwarzwald auf. Dem Abitur folgt ein Studium der evangelischen Theologie in Heidelberg, Göttingen und Tübingen. Er promoviert 1966, 1972 wird er mit der Schrift „Kirche und Öffentlichkeit“ habilitiert. Von 1968 bis 1980 war Huber ­Mitarbeiter und stellvertretender Leiter der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) in Heidelberg. ­Der Theologe lehrte von 1980 bis 1984 als Professor für Sozialethik an der Universität Marburg und von 1984 bis 1994 als Professor für Systematische Theologie an der Universität Heidelberg. 

Er war von 1994 bis 2009 Bischof der Evang­elischen Kirche Berlin-Brandenburg, ab 2004 gehört auch die schlesische Oberlausitz zu seinem Bischofsgebiet. Für das Bischofsamt hatte er sich gegen ein SPD-Bundestagsmandat entschieden, seitdem ist er parteilos. Von 2003 bis 2009 war er Ratsvorsitzender der EKD, von 1997 bis 2009 Mitglied des EKD-Rates. Im November 2009 trat er in den Ruhestand. 

Wolfgang Huber hat sich auf verschiedenste Weise in der Evangelische Kirche ­engagiert, unter anderem als Präsidiumsmitglied des Deutschen Evangelischen Kirchentages (1980–1994) und als dessen Präsident (1983–1985). Seit 2013 ist Huber Honorarprofessor für Systematische Theologie an der südafrikanischen Universität Stellenbosch. Wolfgang Huber hat die Neuausgabe der „Dietrich Bonhoeffer Werke“ (Gütersloher Verlagshaus) federführend mitverantwortet. Außerdem war er Mitglied des Nationalen Ethikrates (2001–2003) und des Deutschen Ethikrates (2010–2014). 

Bis zuletzt engagiert er sich ehrenamtlich in verschiedenen kirchlichen Ämtern, unter anderem als Dechant des Domstifts Brandenburg und als Kuratoriums­vorsitzender der Stiftung Garnisonkirche Potsdam. Diese Aufgaben gibt er nun ab. Er habe sich entschieden, sich aus Anlass seines 80. Geburtstages von einer Reihe ehrenamtlicher Aufgaben zurückzuziehen, teilte die Stiftung Garnisonkirche am 4. August mit.  (dk/epd)

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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