Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

Frieden als Lebensmission

75 Jahre nach dem "Handschlag von Torgau"

Bei Torgau an der Elbe treffen am 25. April 1945 vorgeschobene Teile der 1. US-Armee und der 5. Sowjet-Garde-Armee zusammen. Rotarmisten und US-Soldaten reichen sich auf der zerstörten Brücke die Hände. Das Foto wurde am nächsten Tag nachgestellt. Foto: akg-images/epd

Von Dirk Baas (epd)

Ein symbolischer Handschlag ziert in feinen dunklen Linien den grauen Grabstein von Joseph "Joe" Polowsky auf dem evangelischen Friedhof im nordsächsischen Torgau. Darunter steht: "Teilnehmer an dem von den USA und der UdSSR geleisteten Schwur während des 2. Weltkrieges am 25. April an der Elbe in der Nähe von Torgau". Damals trafen sowjetische und US-Soldaten kurz vor Kriegsende erstmals auf deutschem Boden aufeinander, es war auch ein Symbol für die Unterwerfung Hitlerdeutschlands. Schriftliche Belege für einen "Schwur" gibt es nicht, aber Erinnerungen von Zeitzeugen. "Wir versprachen einander, dass die Nationen der Erde in Frieden leben sollten und müssten", so hat Polowsky es beschrieben.

Man verstand sich auch ohne gemeinsame Sprache

Für ihn wurde dieses Versprechen zur lebenslangen Mission. Der US-Infanterist Polowsky, Nachkomme jüdischer Emigranten aus der Ukraine, war am 25. April 1945 in einem US-Spähtrupp, der feststellen sollte, ob sich im Raum an der Mulde noch deutsche Einheiten aufhielten. Die Patrouille unter Leutnant Albert Kotzebue überquerte mit einem Segelboot die Elbe und landete bei Lorenzkirch, wie Historiker Uwe Niedersen beschreibt. Gegen Mittag trafen sie auf die ersten sowjetischen Soldaten, angeführt von Oberstleutnant Alexander Gordejew.

"Menschen aus zwei unterschiedlichen Welten, die praktisch nichts voneinander wussten, trafen aufeinander", beschrieb US-Botschafter John B. Emerson die Begegnung vor fünf Jahren beim jährlichen "Elbe Day" in Torgau. "Informelle Toasts auf den Sieg, die Freundschaft, auf Frieden und Glück wurden in einer unbekannten Sprache ausgebracht und trotzdem von allen verstanden." Und Zeitzeuge Leonid Wolodarski erinnerte sich später: "Der Souvenirtausch führte dazu, dass wir gar keine Knöpfe mit Stern mehr an unseren Hemden hatten. Wir tauschten Uhren, Embleme und Abzeichen."

Dann soll es spontan zum "Schwur an der Elbe" gekommen sein. "Wir waren Soldaten und keine Diplomaten. Und einen schriftlichen Text haben wir nicht zusammengestellt. Die Begegnung verlief unter Kampfbedingungen", erinnerte sich Alexander Olschanski, der einst ebenfalls dabei war.

Alles "vollzog sich vor einem Leichenfeld deutscher Frauen, Kinder und alter Menschen, die am Elbeübergang Opfer eines irrtümlichen Beschusses russischer Artillerie geworden waren", berichtet der 2018 gestorbene Torgauer und Buchautor Günter Schöne. Man entschied, dass die grauenhafte Szenerie nicht geeignet sei für Aufnahmen, die die historische Begegnung für immer festhalten sollten. Deshalb wurden am nächsten Tag in Torgau Fotos mit anderen Soldaten nachgestellt. Sie kletterten von beiden Seiten über die zerstörte Elbebrücke und reichten einander symbolisch die Hände – Bilder, die um die Welt gingen.

Joe Polowsky kehrte 1946 in die USA zurück und widmete sich fortan dem Kampf für Frieden und Versöhnung. 1960 und 1961 kam er nach Torgau zurück, ein weiterer Besuch 1965 scheiterte, weil er kein Visum erhielt. Er arbeitete als Taxifahrer in Chicago. Jedes Jahr verteilte er dort auf der Michigan-Avenue-Bridge zum Gedenken an die Elbe-Begegnung Flugblätter und sammelte Spenden, zuletzt in seinem Todesjahr 1983.

Ein kleiner Mann mischt sich in die große Politik ein

Doch die Temperaturen im Kalten Krieg sanken zunehmend – und Polowskys Einsatz für den Frieden kam in seiner Heimat schlecht an. Einige hielten ihn für verrückt, man bezichtigte ihn antiamerikanischer Umtriebe und sah in ihm gar einen verkappten Kommunisten. Offener für seine Friedensbemühungen zeigte sich die sozialistische Welt: Polowsky war zu Gast im Kreml, und auch DDR-Staatschef Walter Ulbricht empfing den Aktivisten 1961 bei einem seiner Besuche in Torgau.

Polowsky starb im Oktober 1983 an Krebs. Sein Wunsch: in Torgau beerdigt zu werden, hinter dem Eisernen Vorhang. Das sorgte für einige diplomatische Verrenkungen. Erich Honecker, erster Mann im DDR-Staat, gab persönlich seine Einwilligung. Der US-Buchhändler und Friedensaktivist LeRoy Wolins finanzierte die Überführung von Polowskys Leichnam.

Er wurde am 26. November 1983 in Torgau bestattet – flankiert von amerikanischen und sowjetischen Soldaten, die Kränze niederlegten, wie Fotos belegen. Mehrere Hundert Zaungäste verfolgten das Geschehen, das zum internationalen Medienereignis wurde. Das Grab wird bis heute von der Stadt Torgau gepflegt. Tochter Irene Polowsky sagte bei einem Besuch am Grab 1993: "Es tröstet mich und meine Familie, dass er in dem geliebten Boden ruht, an den er vor vielen Jahren sein Herz verlor."

"Es war die Einmischung des kleinen Mannes in die große Politik und dabei die Ignorierung der geschaffenen ideologischen Gräben", schrieb Günter Schöne über Polowskys Ansinnen. Mit Blick auf das Politikum der Bestattung habe die Welt registriert, "dass ein kleiner Taxifahrer die Politiker in die Pflicht nehmen kann".

Artikelkommentar

Artikelkommentar
captcha
Bitte tragen Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe in das Feld ein.
Hinweis: Die von Ihnen ausgefüllten Formulardaten werden lediglich für die Zwecke des Formulars genutzt. Eine andere Verwendung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Artikelkommentare

(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Bischof Meister räumt Fehler ein, bleibt aber im AmtNr14,24,o3.20244 Wolfgang Banse Wie geht mnan mit Menschen um, die in der Kirche, hier Ev.luth. Landeskirche Hannover zu Schaden kommen,hier Umgang mit sexueller Gewalt.Das verhalten von Landesbischof Meister, früher Generalsuperintendent des Sprengels der EKBO ist nicht zu rechtfertigen. Trotz schwerwiegende Fehler bleibt er im Amt.Er sollte nicht allein entscheiden über diese Thematik.Hier sollten die mündigen Kirchenglieder der Ev.luth. Landeskirche darüber befinden, ob diese sich noch eine gedeihliche Zusammenarbeit mit Ralf Meister in der Ev.luth. Landeskirche Hanover vorstellen können.Ebenfalls sollte diese Thematik auf der Frühjahrs-Synode als Tagesordnungspunkt behandelt werden.Hier handelt sich um keine Lappalie, sondern um einen schwerwiegenden Fehler, der nicht mit einer Entschuldigung von Ralf Meister beglichen ist.
2. Kirchen erhalten.... Heinz-Walter Knackmuss Lieber Herr Röger,die Kulturministerin des Landes Brandenburg, Dr. Manja Schüle, hat auf meine Anregung eine Verordnung erlassen, dass mit Zustimmung des Denkmalschtzes und des Konsistoriums Photovoltaik auf Kirchen der Normalfall sein soll. Das wäre eine Möglichkeit die Stromversorgung der Kirchengebäude autark zu machen, denn die Akkus erlauben eine Versorgung bei Tag und Nacht und durch die Einspeisungen noch Geld zu Verdienen und evtl. eine Heizung zu betreiben. Nun sind aber die Pfarrer dagegen und blockieren solche Maßnahmen. Sie haben im voauseilenden Gehorsam Angst, dass der Denkmalschutz das Projekt für Ihre Kirche ablehnen würden oder führen ästhetische Gründe an. Ich würde gern für die SMA in Rathenow dafür eine Spenenaktion starten, aber es fehlt die Zustimmung des Pfarrers. Ich finde, die Kirchenleitung müsste auch die Pfarrer motivieren, solche Projekte zu unterstützen.Wenn es den Christen mit dem Erhalt der Schöpfung Gottes wirklich ernst ist, müssten Photovoltaikanlagen auf alle Kirchendächer.
3. Die Kirche weiter umbauen Wolfgang Banse Nicht immer denkt eine Konsistorialpräsidentin.hier EKBO, Viola Vogel in den richtigen Kategorien.Ist sie eine Prophetin, Hellseherin, was den Zustand der EKBO betrifft.Bei grundsätzlichen Entscheidungen, sollte die Basisdemokratie angewendet w erden, hier Anhörung, Beteiligung der Kirchenglieder, im Bezug:"Wir sind das Kirchenvolk"Einsparungen, was das aufgeblähte Personal im Konsistorium betrifft.Der Rotstift sollte was das Personal anbetrifft, nicht das Bischofsbüro aussperren.Verabschiedung vom Beamtentum, Fahrer abschaffen,Mittelklasse PKw sich zu wenden.Pfarrwohnungen und Pfarrhäuser entsprechend zu aktuellem Mietzins vermieten.Die Kirche unterliegt keinem Modetrend, der wechselt.Gläubige identifizieren sich mit der Kirche, hier Kirchengemeinden, mit denen sie sich verbunden fühlen, beheimatet sind.Sie Familienkirchen , von der Taufe, über Konfirmation, Trauung bis zur Beerdigung für die Familie sind. Gemeindeglieder möchten nicht alle ein paar Jahre ein neues Gesangbuch...Dem Volk, hier Kirchenvolk auf`s Maul schauen, hier Reformator Martin Luther, sollte das Konsistorium beherzigen.Es ist nicht alle gut, was in der EKBO angedacht, umgesetzt wird.Kirchernmitgliedsaustritte zu Hauf belegen dies.

Hier gelangen Sie zur Übersicht über alle Kommentare.