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Giffey zu Missbrauch: "Heute gibt es eine eindeutige Grenze"

Ende Januar jährt sich das Bekanntwerden des Ausmaßes sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche zum zehnten Mal. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) spricht Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) darüber, was sich seitdem getan hat, wie sie Kinder und Jugendliche besser schützen will und welche Konsequenzen sie nach wie vor von den Kirchen erwartet.

Foto: Christian Ditsch/epd

Von Corinna Buschow und Bettina Markmeyer

 

Frau Ministerin, vor zehn Jahren erschütterte der Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche die Republik. Die Zahl der Fälle von Missbrauch geht aber nicht zurück. Droht der Kampf gegen sexuelle Gewalt an Kindern verloren zu gehen?

Franziska Giffey: Das glaube ich nicht. Man darf aber auch nicht davon ausgehen, dass der Kampf jemals komplett gewonnen wird. Wir müssen alles dafür tun, dass gut präventiv gearbeitet wird, konsequente Strafverfolgung stattfindet und die Gesellschaft sensibilisiert wird. Dass die Zahl der Fälle nicht zurückgeht, kann auch daran liegen, dass mehr gemeldet werden. Das kennen wir aus der Diskussion um Gewalt gegen Frauen. Es ist eben auch so: Jeder Fall, der aus dem Dunkelfeld herauskommt, aufgedeckt wird, ist ein Fall, in dem geholfen werden kann.

Ist das vielleicht der wesentliche Erfolg der vergangenen zehn Jahre?

Der größte Erfolg ist zweifelsohne, dass das Thema viel stärker in der öffentlichen Wahrnehmung ist. Es gibt inzwischen einen ganz klaren gesellschaftspolitischen Konsens, dass Missbrauch zu ächten und sicher kein Kavaliersdelikt ist. Mit Sprüchen wie "Nun hab dich mal nicht so", "Kommt doch überall mal vor" oder "Der hat doch gar nichts gemacht" wurden Taten früher oft abgetan. Heute gibt es eine eindeutige Grenze, die besagt, dass Missbrauch von Kindern nicht toleriert werden darf.

Ausgangspunkt der Debatte waren Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Wo stehen die Kirchen heute nach Ihrer Einschätzung bei der Aufarbeitung?

Immerhin gibt es Willensbekenntnisse und die ersten Schritte. Missbrauch von Kindern ist Thema. Den Versuch aber, darauf zu verweisen, dass Missbrauch auch in anderen Bereichen stattgefunden hat, finde ich schwierig. Zum Beispiel wenn ich von den Kirchen höre, man müsse ja auch Missbrauch in anderen Feldern aufarbeiten, zum Beispiel im Sport. Auch wenn die Kirchen nicht der einzige Ort für Missbrauch sind, macht es das doch nicht weniger schlimm.

 

 

Sie haben wiederholt gefordert, dass kein Täter mehr ein Amt in der Kirche bekleiden darf. Wie wollen Sie das durchsetzen?

Ich erwarte, dass die Kirchen konsequent weiterarbeiten - an der Aufarbeitung der Fälle, der Entschädigung der Opfer und der Frage, wie die Täter zur Verantwortung gezogen werden. Und ja, ich bin der Auffassung: Jemand, der ein Kind missbraucht hat, hat in keinem Amt der Kirche mehr etwas zu suchen. Das müssen die Kirchen in ihren Regularien verbindlich verankern und sie tun dies teils auch schon.

Die katholische Kirche diskutiert intensiv über Reformen: Wie verfolgen Sie die Debatte um männliche Hierarchien, Sexualmoral und Zölibat?

Da ist noch viel Luft nach oben. Es ist ein erster Schritt, dass Papst Franziskus das "Päpstliche Geheimnis" gelockert hat. Für mich ist es allerdings eine Selbstverständlichkeit, dass die katholische Kirche bei der Aufklärung mit staatlichen Behörden zusammenarbeitet und entsprechende Informationen zur Verfügung stellt. Missbrauch von Kindern ist keine kircheninterne Angelegenheit. Darüber hinaus müssen wir grundlegende Dinge hinterfragen: Das Zölibat ist in meinen Augen ein Risikofaktor für sexuellen Missbrauch. Auch autoritäre, klerikale Strukturen begünstigen sexuellen Missbrauch, der immer auch ein Missbrauch von Macht ist.

Diskutiert wird in beiden Kirchen auch die Frage der Entschädigung. Welche Höhe halten Sie für angemessen?

Ich nenne keine Beträge, weil das sehr von der Lage und Situation der Betroffenen abhängig ist. Das muss man aber transparent regeln. Für die Betroffenen ist Entschädigung ein wichtiger Punkt, weil es auch um Anerkennung geht. Aus Gesprächen mit Betroffenen weiß ich, dass allein das ungemein hilft. Im kürzlich verabschiedeten Gesetz zur sozialen Entschädigung haben wir dafür gesorgt, dass es für Betroffene leichter ist, an Hilfen zu kommen. Trotzdem finde ich es angebracht, dass die Kirchen überlegen, wie sie diese Fälle auch selbst entschädigen.

Der Staat hatte vor Jahren einen eigenen Fonds für Opfer von Missbrauch aufgelegt. Wird es den weiter geben?

Dieser Fonds wird fortgeführt, weil die Bedarfe der Betroffenen weiterhin bestehen. Wir haben im Bundeshaushalt für das Jahr 2020 den Fonds um mehr als 20 Millionen auf 45 Millionen Euro aufgestockt. Und es wird eine Umstrukturierung geben. Der Fonds wird ab dem nächsten Jahr beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben angesiedelt. Den Mitarbeitenden wird eine langfristige Beschäftigungsperspektive eröffnet. Im Moment arbeiten wir daran, die Bearbeitungszeiten auf perspektivisch drei bis sechs Monate zu verkürzen.

Wie sieht es aus mit der Aufarbeitung in Sportvereinen oder staatlichen Einrichtungen wie Heimen?

Da muss noch mehr getan werden. Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hat kürzlich Empfehlungen zu Aufarbeitungsprozessen in Institutionen vorgelegt. Damit gibt es Leitlinien, auch für Sportvereine, wie eine Aufarbeitung ablaufen soll. Diese Leitlinien müssen in Zukunft gelten, damit Betroffene Klarheit haben und zu ihren Rechten kommen. Und wir werden die Reform des Kinder- und Jugendhilferechts nutzen, um den Kinderschutz in Deutschland noch verlässlicher zu machen. Dazu gehört unter anderem auch, dass wir die Heimaufsicht verschärfen und die Kooperation zwischen der Kinder- und Jugendhilfe, dem Gesundheitswesen und der Justiz verbessern.

Sie selbst wollen das Jugendmedienschutzgesetz verschärfen. Was planen Sie konkret?

Wir haben derzeit ein Jugendschutzgesetz, das im Zeitalter von CD-Rom und Videokassette stehengeblieben ist. Jeder hat aber heute jederzeit Zugang zum Netz, deshalb müssen wir den Jugendschutz ins digitale Zeitalter bringen. Es geht um drei große Bereiche: Schutz, Orientierung und Durchsetzung. Schutz heißt, dass wir große Anbieter dazu verpflichten, Vorkehrungen zu treffen, dass Kinder ihre Dienste sicher nutzen können. Zum Beispiel, indem bei Chats erstmal voreingestellt ist, dass fremde Leute Kinder nicht anchatten können. Oder durch gut sichtbare Hilfe-Buttons direkt im Chat, für den Fall, dass Kinder etwa mit sexueller Anmache konfrontiert sind. Wie in einem Auto ein Sicherheitsgurt eingebaut sein muss, so müssen bei Online-Spielen bestimmte Voreinstellungen vorhanden sein, die Kinder und Jugendliche schützen.

Und was heißt Durchsetzung?

Wir sorgen dafür, dass große Player wie Instagram, Tiktok oder Whatsapp die Regeln auch tatsächlich einhalten. Dazu werden wir die "Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien" zur "Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz" weiterentwickeln. Die Bundeszentrale wird sich dann anschauen, welche Vorkehrungen die großen Player ergriffen haben. Wenn diese nicht ausreichen, werden Anbieter aufgefordert, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Wenn das nicht reicht, muss es natürlich auch Sanktionen geben.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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