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„Gut ist noch lange nichts“

Emotionale Gedenkfeier für Flutopfer im Aachener Dom

Betroffene trauern im Gedenkgottesdienst. Foto: Oliver Berg/epd/dpa

Von Bettina von Clausewitz (epd)

„Schreien will ich zu dir Gott, mit verwundeter Seele, doch meine Worte gefrieren mir auf der Zunge.“ Diese Worte ziehen sich wie ein roter Faden durch den ökumenischen Gottesdienst zum Gedenken an die Opfer der Flutkatastrophe Mitte Juli. Es ist ein Vers aus dem „Ahr-Psalm“ des katholischen Priesters Stephan Wahl. Er hat ihn kurz nach dem zerstörerischen Hochwasser im Ahrtal und in anderen Regionen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mit mehr als 180 Toten und hunderten Verletzten geschrieben. Die Zunge lösen, Leid und Verzweiflung öffentlich Raum geben – das ist eine Seite des bundesweiten Trauerakts am vergangenen Samstag im Aachener Dom, der vom ZDF übertragen wird. Daneben geht es aber auch um Hoffnung und Zuversicht – eine schwierige Balance.

„Gott war da, mitten in den Fluten, aber nicht als der, der auf den Flutknopf drückt, sondern als der, der mit den Opfern geschrien hat, der mit ihnen gelitten hat“, betont der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, in seiner Predigt. Bei der Feier auf Einladung der EKD, der katholischen Deutschen ­Bischofskonferenz und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) geht es nicht um leere Trostformeln, sondern um echten Trost. Und darum, „überhaupt erstmal zu beschreiben, was passiert ist“, wie der Vorsitzende der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, vorsichtig formuliert: „Wir bitten Gott, Hoffnung zu schenken, wo die Hoffnung weggespült zu sein scheint.“

Zu den 180 geladenen Gästen ­gehört die politische Prominenz mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, Armin Laschet (CDU) und Malu Dreyer (SPD). Gut die Hälfte der Gäste, die wegen Corona einzeln und etwas verloren unter der prächtigen Kuppel des Aachener Doms sitzen, sind aber Betroffene der Flutkatastrophe sowie Helferinnen und Helfer, die ebenfalls zu Wort kommen.

Sie habe die Erinnerung an die Nacht vom 14. auf den 15. Juli „abgelegt wie in einer Schublade und fest verschlossen“, erzählt eine Betroffene. Aber jetzt kämen immer neue Ängste: vor Winter und Kälte, vor neuen Fluten bei jedem Regen. „Gut ist noch lange nichts“, lautet ihr Fazit. Notfallseelsorgerin Rita Nagel berichtet, wie schwer es ist, das Leben wiederzufinden, „das mit den Müllbergen weggeworfen wurde“: all die Fotos, Briefe und Erinnerungen aus vielen Jahren.

„Wir brauchen einander in dieser schweren Zeit“, das ist die Erfahrung und der Appell des Aachener Superintendenten Hans-Peter Bruckhoff in einem dritten Betroffenen-Statement. Das Pfarrhaus des evangelischen Theologen wurde in der Nacht zerstört, in der er nicht zu Hause war. Seine Frau und ein Nachbar harrten dort aus und entzündeten eine Kerze gegen die Dunkelheit, während das Wasser im Erdgeschoss stand.

Emotional wirken auch alte jüdische oder christliche Klagerezitationen und Choräle: „Ubi Caritas ... Wo Liebe ist und Güte, da wohnt Gott.“ Und so wird auch die große Hilfsbereitschaft in den Flutgebieten immer wieder als Zeichen der Hoffnung ­benannt. „Ich weiß: In der Stunde der Not sind wir ein starkes, ein ­solidarisches Land“, sagt Steinmeier nach dem Gottesdienst. Er ruft dazu auf, nicht nachzulassen, wenn die Fernsehkameras in den Katastrophengebieten abgebaut sind. Zugleich richtet er den Blick auf den weltweiten Klimawandel: „Wir ­dürfen keine Zeit mehr verlieren“, fordert er. „Die Folgen des Klimawandels haben auch uns in Europa erreicht – daran kann es keinen Zweifel geben. Wir müssen den Klimawandel mit aller Entschlossenheit bekämpfen!“

Der Gottesdienst war gedacht als bundesweites Zeichen des Mitgefühls – aber er erweist sich auch als Versuch, erste Lehren aus der Flutkatastrophe zu ziehen. Die Folgen des „menschengemachten Klimawandels“ seien angekommen, das ist unstrittig für Bedford-Strohm. Und so schließt er seine Predigt mit der ­Vision, dass „die Abgründe an Leid“ bei der Flutkatastrophe in 20 Jahren zu einem klimafreundlichen Lebensstil geführt haben könnten. „Und wir alle haben verstanden, dass wir nie gegen die Natur gut leben ­können, sondern nur mit ihr.“

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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