Da sein, zuhören, nachfragen: Wie das Projekt „Miteinander reden“ dem gesprächsfeindlichen Klimawandel entgegenwirkt.
Von Katharina Körting
Das Erste, was bei einer Begegnung mit Katharina Köhler und Jost Hasselhorn deutlich wird, ist ihre Ablehnung zu verallgemeinern. Für den Leiter der kirchlichen Projektstelle „Miteinander reden“ und die stellvertretende Superintendentin des Kirchenkreises Cottbus kommt zuerst der einzelne Mensch: sei es der Taxifahrer, der nach dem Tod seiner Eltern allein in der Welt steht und bei einer rechtspopulistischen Wahlkampfveranstaltung klatscht oder das Gemeindeglied, das den Medien misstraut.
Beide arbeiten in der Region Cottbus – einer Stadt, die zuletzt verstärkt wegen des Rechtsaußen-Bündnisses „Zukunft Heimat“ von sich reden machte. Wie viele Gemeinden nicht nur in Brandenburg müssen sie auch hier mit Menschen umgehen, die gegen alles hetzen, das sie als fremd, minderwertig oder einfach nur unverständlich beziehungsweise „anders“ einordnen.
Auf die Frage, wie mit denen umzugehen sei, die menschenfeindliche Positionen vertreten, meint Köhler: „Wir müssen eine Beziehung aufbauen.“ Vor jeder Sachfrage gehe es um den menschlichen Kontakt. Und den stellt man nicht her, indem man Menschen in Schubladen steckt, aus denen sie dann herausschreien. „Es geht ein Riss durch ganze Familien“, weiß Köhler.
Mit offenen Angeboten versuchen die Pfarrerin und der Erwachsenenpädagoge, Begegnung zu ermöglichen – zum Beispiel mit einem großen Kaffeetrinken am Dorfanger Sielow im Juni. Eigentlich hieß das landesweite Motto „Tag der offenen Gesellschaft“. „Aber das hätte manchen zu links geklungen“, sagt Köhler. Sie nannten ihre Aktion „Sielow setzt sich zusammen“.
Jedes Gemeindeglied war aufgefordert, jemanden einzuladen, den Nachbarn, die Freundin, den Kollegen. „Einer brachte auf der Sackkarre eine ganze Partygarnitur mit, eine andere ließ das Verlängerungskabel für die Kaffeemaschine durch ihr Fenster hängen. Und ein 18-Jähriger steuerte eine Riesenkiste selbstgebackener Kekse bei!“, berichtet die Pfarrerin. Man redete miteinander – auch über die Geschichte des Fleckens, der für die Menschen im Dorf Heimat bedeutet. „Am Ende wollten sie alle, dass wir so etwas wiederholen.“ Die Vereinzelung durch veränderte Strukturen sei auf dem Land für viele schmerzlich. „Früher war Leben im Dorf – jetzt wohnen die Kinder weit weg in München oder Bonn, und die Großeltern fühlen sich ihren Enkelkindern entfremdet. Die Leute wählen nicht Höcke, sondern den AfD-Kandidaten Metzgermeister Schulze von nebenan.“
Dass die Landeskirche so klar Position gegen Rechtspopulismus bezieht, finden beide richtig. Die Gemeinden vor Ort hätten die Aufgabe, immer wieder neu um ein menschliches Miteinander zu ringen. Köhler hat sich angewöhnt, zurückzufragen: „Ich höre zu und frage nach.“
„Manche haben das Gefühl, es interessiere sich niemand für sie“, hat Hasselhorn festgestellt. Sie fühlten sich allein. „Heiße Worte – Eiskaltes Schweigen“ sei die sich daraus ergebende Stimmung, und dieser soziale Klimawandel gefährde die Demokratie. Deshalb arbeite er zum Beispiel mit der Jungen Gemeinde über „Hate Speech“: Wie umgehen mit der Hassspirale in den sozialen Medien? Es gelte dabei auch, diejenigen zu stärken, die den rechten Parolen nicht vertrauen. „Einzelnen in der Gemeinde brennt die Situation auf der Seele“, erzählt Hasselhorn. „Sie wollen den Sprüchen von rechts adäquat begegnen können.“ Es gebe keinen Grund zur Resignation, betont Köhler. Eine Frau habe sich gewehrt, erzählt sie, als eine Gruppe beim Bäcker über das „Dreckspack“ der Sorben herzog. „Ich bin auch Sorbin“, habe sie zu den Männern gesagt. „Bin ich für Sie Dreck?“ Daraufhin sei ihr einer der Männer gefolgt. Sie bekam es mit der Angst zu tun. Es stellte sich heraus, dass er sich nur bei ihr entschuldigen wollte.
Also bringt es etwas, Grenzen zu setzen und Parolen zu hinterfragen. „Wir als Kirche können immer wieder einladen – wer sich in Gottes Hand geborgen fühlt, den kann die komplizierte, bedrohliche Welt nicht mehr so leicht umhauen.“
Auch Hasselhorn sieht sich als Christ aufgerufen, Rede und Antwort zu stehen, „über die Hoffnung, die in uns ist“ (1. Petrus 3,15). Das gelinge nur, wenn man die Schwellen niedrig macht und kleine Schritte geht: da sein und reden. Zuhören und niemanden verdammen. Immer auf dem Unterschied beharren zwischen dem, was einer sagt oder tut, und dem, was einer ist: ein Mensch. Eine Nächste, ein Nächster.
Die Ausstellung im Zelt „Gesellschaft, Vertrauen, Religion“, ein Projekt vom kirchlichen Verein ESTAruppin, tourt im September durch die Lausitz:
3.–4. September, 10–17.30 Uhr, Am Stadtbrunnen, Cottbus
6. September, 11–17 Uhr, bei der evangelischen Kirche, Burg
7. September, 13–20 Uhr, 8. September, 11–17 Uhr, Apfelfest, Guben.