Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

Hetzjagd auf zehnjähriges Mädchen

Aufruhr in Brasilien wegen Abtreibung nach einer Vergewaltigung. Evangelikale Pastoren lösten sie mit aus

Brasilien Abtreibung
Klares Bekenntnis für Demokratie und Frauenrechte: Brasilianerinnen bei der Rede des ­ehemaligen brasilianischen Präsidenten Lula da Silva im März auf der Veranstaltung zum Thema „Verteidigung der Demokratie in Brasilien“ in Berlin. Foto: Christian Ditsch/epd

Von Susann Kreutzmann (epd)

Der Fall eines zehnjährigen Mädchens, das nach einer Vergewaltigung schwanger wurde, spaltet ganz Brasilien. Familienministerin Damares Alves, die auch evangelikale Pastorin und strikte Abtreibungsgegnerin ist, gab mit ihren Kommentaren in den sozialen Medien den Startschuss für eine regelrechte Hexenjagd auf das Kind. Sie bedauerte öffentlich, dass die Justiz dem Mädchen einen Schwangerschafts­abbruch zugestanden hatte. Sie ­beklagte den Tod des ungeborenen Lebens. Doch die Anführerin einer rechtsextremen Gruppe ging noch weiter.

Familienminsterin gab den Namen des Mädchens preis

Alves veröffentlichte den Namen des Mädchens und nannte auch die Klinik. In der Folge versammelte sich am 16. August eine aufgebrachte Menschenmenge vor dem Krankenhaus in Recife im Nordosten des ­Landes. Die Zehnjährige gelangte nur unter Polizeischutz in die Klinik. Die aggressiven Szenen schockierten viele Brasilianerinnen und Brasilianer. Sie sahen das vergewaltigte Mädchen erneut zum Opfer gemacht, diesmal in einem ideologischen Streit.

In Brasilien gibt es seit 1940 ein Gesetz, das Frauen nach einer ­Vergewaltigung eine Abtreibung ­erlaubt. Das gilt auch, wenn das Leben der Mutter in Gefahr oder der Fötus nicht lebensfähig ist. Dafür muss eine richterliche Entscheidung eingeholt werden. Auf illegale Abtreibungen stehen bis zu drei Jahre Haft für die Frau und denjenigen, der die Schwangerschaft unter­brochen hat.

Radikale Evangelikale unterstützen Alvers und Bolsonaro

Radikale Evangelikale wollen das ­Gesetz abschaffen. Sie haben in ­Präsident Jair Bolsonaro und seiner Ministerin Alves die größten Unterstützer. Im Parlament sind sie eine der stärksten Gruppen und bestimmen die gesellschaftliche Debatte. „Schlimmer als Vergewaltigung ist der Mord an einem hilflosen Wesen“, sagte der evangelikale ­Pastor Silas Malafaia, der auch ein enger Berater Bolsonaros ist. Auch der Vorsitzende der katholischen ­Bischofskonferenz in Brasilien, ­Walmor Oliveira de Azevedo, ­betonte, nichts rechtfertige einen Schwangerschaftsabbruch.

Jede Stunde werden vier Mädchen vergewaltigt

Der Fall berührt ein weiteres ­Tabuthema. Statistisch werden in Brasilien jede Stunde vier Mädchen vergewaltigt. In den meisten Fällen ist der Täter ein Verwandter. Im ­vergangenen Jahr brachten nach Angaben des staatlichen Gesundheitssystems 26000 Mädchen ­zwischen 10 und 14 Jahren ein Kind zur Welt. Gleichzeitig wurden pro Tag rund sechs legale Schwangerschaftsabbrüche an Mädchen gleichen Alters vorgenommen. Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist in Brasilien trauriger Alltag.

Aufgebrachte Menge und ein Arzt, der trotzdem hilft

Experten beklagen, dass Vergewaltigungsopfer kaum Schutz genießen – sie müssen oft eine Odyssee durch die Bürokratie durchleiden. So erging es auch dem zehnjährigen Mädchen, dessen Fall jetzt die Brasilianer aufwühlt. Sie lebt bei ihrer Großmutter in armen Verhältnissen und gab vor Gericht an, dass sie bereits seit dem sechsten Lebensjahr von einem Onkel vergewaltigt wurde. Das Krankenhaus in ihrer Stadt São Mateus im Bundesstaat Espíritu Santo lehnte den Eingriff indes ab und überwies sie in das mehr als 1800 Kilometer entfernte Recife. Jetzt muss sich das Krankenhaus für sein Vorgehen juristisch rechtfertigen.

Vor dem Hospital in Recife hatten sich bei Ankunft des Kindes schon aufgebrachte Abtreibungsgegner versammelt, die den Eingang versperrten. Das Mädchen, seine Oma und der Klinikchef kamen nur mit Hilfe der Polizeischutz in das Gebäude. Ihnen wurden Rufe wie „Mörder“ und „Kriminelle“ entgegengeschrien. „Wenn der Staat eine vergewaltigte Frau gegen ihren Willen zwingt, schwanger zu bleiben, ist das Folter. Das akzeptiere ich nicht“, betonte aber Klinikleiter Olímpio Barbosa de Morais Filho. Viele seiner Kollegen wurden schon angefeindet. Die katholische Kirche hat mehrfach Ärzte, die legale Abtreibungen vornahmen, und ihre Familien exkommuniziert.

Nur wenige Länder Lateinamerikas erlauben Abbrüche

In Lateinamerika sind Schwangerschaftsabbrüche nur in fünf Ländern und Gebieten ohne Restriktionen zulässig: in Kuba, Uruguay, Guyana, Französisch-Guayana und Puerto Rico (USA). In Ländern wie El Salvador, Honduras, Nicaragua, Haiti und der Dominikanischen Republik steht dagegen jegliche Abtreibung unter Strafe und wird mit hohen Strafen geahndet. In den anderen Ländern sind Schwangerschaftsabbrüche nur unter strengen Auflagen erlaubt.

Artikelkommentar

Artikelkommentar
captcha
Bitte tragen Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe in das Feld ein.
Hinweis: Die von Ihnen ausgefüllten Formulardaten werden lediglich für die Zwecke des Formulars genutzt. Eine andere Verwendung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Artikelkommentare

(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

Hier gelangen Sie zur Übersicht über alle Kommentare.