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„Ich bete für Alexey Nawalny“

Pfarrer Kai Feller über sein Engagement für Demokratie in Russland und Belarus

Kai Feller
Pfarrer Kai Feller, Foto: Oliver Pries, Thomas Arzner

Nahe dem Brandenburger Tor steht derzeit das Demokratie-Camp „Stop Putin’s Terror“, ­organisiert von Mitgliedern der russischsprachigen Diaspora. Jeden Tag gibt es Programm mit Diskussionen, Workshops und ­Kultur. Den Abschluss bildet ein ökumenischer Gottesdienst am Samstag, 9. Mai, um 18 Uhr mit Kai Feller, Pastor der Nordkirche. Im Interview mit Thomas Arzner ­erklärt er, was ihn dazu bewegt, warum Christen sich für Menschenrechte einsetzen und wie er mit dem Gefühl der Ohnmacht umgeht.  

Her Feller, Warum beteiligt sich ein Pfarrer aus Deutschland am Demokratie-Camp für Russland? 

Wir sehen in Russland eine ­Entwicklung von der autoritären Präsidialdemokratie hin zu einer Diktatur. Es gibt praktisch keine Möglichkeit mehr, gegen die herrschende Partei des Präsidenten bei Wahlen anzutreten. Und das Beispiel Nawalny ist nur die Spitze des ­Eisberges.  

Und warum sollten sich die Christ*innen dafür interessieren? 

Wenn ich vom christlichen Menschenbild ausgehe, gehört dazu fundamental die Würde des Menschen, die durch die Schöpfung begründet ist. Und die Menschenrechte setzen diese Würde in staatliche Praxis um. Das heißt, wo die Menschenrechte verletzt werden, wird die Würde des Menschen verletzt. Das hat also eine theologische Dimension.  

Und die Kirchen dürfen dazu nicht schweigen? 

Naja, die Kirchen dürfen alles Mögliche. Wir sehen ja, dass die orthodoxen Kirchen traditionell eher schweigsam sind. Auch in der deutschen Geschichte waren die Kirchen oft unkritisch gegenüber praktiziertem Unrecht. Aber sie haben daraus gelernt und reagieren heute besonders sensibel, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden. 

Sie haben selbst als Jugendlicher die Diktatur in der DDR erlebt. Die Ausrichter*innen des Demokratie-Camps sind meist auch junge Leute. Gibt es Parallelen? 

In der DDR konnte jede*r in die Mühlen der Behörden geraten – genau wie heute in Belarus: Es ­genügt ein Post oder die Teilnahme an irgendeiner Versammlung. Ins­besondere junge Menschen rudern nicht so schnell wieder zurück; sie haben ein Gerechtigkeitsempfinden und lassen sich nicht so leicht den Mund verbieten. Und sind dann ­besonders gefährdet. 

Wie gehen sie mit der Erfahrung von Ohnmacht um, die sich einstellen kann, wenn man das Treiben der Diktatoren weltweit sieht? 

Was mir hilft, ist die Vernetzung mit vielen Menschen. Diese Ohnmacht lässt sich gemeinsam leichter ertragen als allein. Ich bete ­beispielsweise für Alexey Nawalny, dessen Leben im Augenblick akut ­bedroht ist, und ich hoffe, dass viele andere das auch tun. Das schafft eine Verbindung: Ich lasse das Leid eines Einzelnen an mich heran. 

Die Gefahr ist, dass wir mit Nachrichten zugeschüttet werden und dass politische Gefangene nur noch Zahlen sind. Aber sie haben alle einen Namen, eine Geschichte und meist auch eine Familie. Sich da ­hineinzuversetzen und einzufühlen, dazu hilft mir das Gebet. Das gibt mir die Hoffnung, dass es nicht bleiben muss, wie es ist. 

Ihr Gottesdienst am 9. Mai steht unter dem Leitwort Versöhnung: Wie kann Versöhnung zwischen den unterschiedlichen Lagern von „Putin-Verstehern“ und „Demo­kratie-Anhängern“ gelingen?

Ich denke, viele „Putin-Versteher“, zumindest in Deutschland, ­verstehen Putin gar nicht, sondern haben ein Wunschbild vor Augen. Ich höre immer wieder, gerade auch aus kirchlichen Kreisen, dass man mit­einander reden müsse. Aber was mache ich, wenn die andere Seite solche Gespräche verweigert oder ins Leere laufen lässt? Wir erleben das gerade im Konflikt von Russland mit der Ukraine: Die Ukraine hat um Gespräche im Rahmen des Europa­rates gebeten und Russland hat nicht reagiert. So wird das schwierig. 

Wie gelingt Versöhnung nach dem Ende einer Diktatur?

Wenn Schuld eingestanden wird und möglichst viele die Chance auf einen Neuanfang bekommen. Aber das müssen die Menschen in den ­jeweiligen Ländern selbst ­regeln. Ich traue denen das auch zu. Gerade in Belarus ist der friedliche Protest nicht nur Methode, ­sondern er ­widerspricht der Logik der Gewalt. Wenn sie sich durchsetzen, werden sie den Spieß nicht umdrehen. Sie werden die ­anderen, die „verloren“ haben, nicht zu politisch Verfolgten machen. Wer Verbrechen begangen hat, muss natürlich bestraft werden. Aber die Menschen, die in einem Unrechtssystem leben und von diesem auch geformt werden, müssen die  Chance bekommen, neu anzufangen. 

Kai Feller, geboren 1971 in Berlin-Pankow, ist in der Nordkirche für ökume­nische Beziehungen zuständig. Weil er 1988 an der Carl-von-Ossietzky-Oberschule in Berlin-Pankow Unterschriften gegen die Ost-Berliner Militärparaden gesammelt hatte, wurde er mit anderen Schüler* der Schule verwiesen. Die „Ossietzky-Affäre“ erregte großes Aufsehen in und außerhalb der DDR.  

Kontakt: www.twitter.com/FellerKai

Infos zum Camp unter www.unkremlin.org

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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