Von Bischof Markus Dröge
Wenn es heißt, dass die Bibel „Wort Gottes“ ist, dann führt das manchmal zu dem Missverständnis, als habe Gott die ganze Bibel diktiert und man müsste jeden Vers wörtlich nehmen. Wer das versucht, wird bald an seine Grenzen stoßen. Denn an vielen Stellen widerspricht sich die Bibel selbst. Das bekannteste Beispiel ist die Aussage, dass Frauen in der Gemeinde schweigen sollen (1. Korinther 14,34). Wer die Bibel kennt, weiß, dass viele Frauen in den ersten christlichen Gemeinden mitgeredet haben. Sie waren sogar die ersten Zeugen der Auferstehung Jesu. Hat die Bibel also geirrt? Andere Aussagen widersprechen klar dem Liebesgebot: Ein Mann darf seine Tochter verkaufen (Exodus 21,7). Ehebrecher sollen getötet werden (Deuteronomium 22,22).
Jesus hat keines dieser Worte abgeschafft, aber er hat das Wort Gottes von seinem Wesenszentrum ausgehend interpretiert. Und dieses Wesenszentrum hat er klar bestimmt: das Doppelgebot der Liebe (Matthäus 22,37–40).
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