Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

"In vielen Familien wird ein Knacks bleiben"

Experten sehen "Ruhe vor dem Sturm" bei häuslicher Gewalt

Foto: Steffen Schellhorn/epd

Von Christine Ulrich, Gabriele Ingenthron und Jutta Olschewski (epd)

Kein Zoobesuch, kein Schwimmbad, kein Ausflug in die Berge - schon das ist bei schönem Wetter schlimm genug. Wenn aber noch existenzielle Probleme dazukommen, die Eltern in Kurzarbeit sind oder um den eigenen Betrieb bangen, kann sich der Stress auch in häuslicher Gewalt entladen. Davor warnen in Zeiten der Corona-Ausgangsbeschränkungen viele Experten.

"Manchmal bekommen wir dramatische Anfragen", berichtet Elisabeth Rümenapf, die die Erziehungsberatungsstelle bei der Stadtmission Nürnberg leitet. Wenn es etwa um das Besuchsrecht bei geschiedenen Ehepaaren geht, komme man als Beraterin in einer Telefonkonferenz auch an die Grenzen, berichtet sie. Dass sie momentan weniger Hilfegesuche als sonst verzeichne, liege aber wohl daran, dass die Familien noch mit sich selbst beschäftigt seien, sagt Rümenapf.

Sozialpädagoge Timo Jansen sieht das ähnlich. Er arbeitet bei der Psychologischen Beratungsstelle der Diakonie in Regensburg. In der kollektiven Krise träten individuelle Probleme oftmals in den Hintergrund, sagt er. So könnten Ehe- oder Familienkonflikte gegen den "gemeinsamen Feind Corona" vorübergehend zweitrangig werden, weil Menschen in der Lage seien, sich zu arrangieren. Die Frage sei nur, wie lange das anhält. Spätestens am 20. April, wenn "das Notprogramm zur Normalität" werden könnte, rechnet er mit verstärkten Problemen.

Dass momentan die Ruhe vor dem Sturm herrscht, glaubt auch Dorothea Jung von der Online-Beratung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) in Fürth. Die Zahl der Ratsuchenden habe sich zwar erhöht, aber "noch nicht signifikant". Die Fragen, die häufiger kämen als davor seien, was tun, wenn sich die Atmosphäre zwischen den Familienmitgliedern auflade, was tun mit wütenden Kindern.

Wenn der Verdacht bestehe, dass es in der Nachbarschaft zu häuslicher Gewalt kommt, sollten sich die Bürger ans Sozialbürgerhaus oder die Polizei wenden, sagt eine Sprecherin des Münchner Jugendamts. Das Amt verzeichnet derzeit Fälle von häuslicher Gewalt und Kindeswohlgefährdungen, "aber nicht in einer signifikant steigenden Tendenz". Man gehe davon aus, "dass die Fallzahlen ansteigen werden, je länger die Ausgangsbeschränkungen bestehen bleiben".

Kinder und Familien aus prekären Verhältnissen leiden stark unter der Corona-Krise, sagt Frauke Riegelsberger-Ganglmeier vom Deutschen Kinderschutzbund in Regensburg. Täglich erlebe sie bei den Telefonaten, wie groß die Verzweiflung sei, wenn die Familien auf engstem Wohnraum zusammenleben müssten. "Wie lange kann man das aushalten?", sei eine der meistgestellten Fragen. Auch die Berater wüssten darauf keine Antwort. Aber die Corona-Krise offenbare einmal mehr, "dass die, für die es immer schwierig war, es jetzt noch schwerer haben", so Riegelsberger: "In vielen Familien wird ein Knacks bleiben."

Die Schließung von Schulen und Kitas sei eine große Herausforderung, gerade für Kinder und Jugendliche aus belasteten familiären Situationen, heißt es beim Münchner Sozialreferat. Denn dort erführen sie einen strukturierten Tagesablauf, erhielten eine warme Mahlzeit und könnten sich mit ihren Sorgen an das pädagogische Personal wenden. "Ihre Probleme werden an diesen Orten sichtbar", so eine Sprecherin. "Fallen diese Orte weg, verschwinden die jungen Menschen mit ihren Problemen und Sorgen aus dem Blickfeld."

Von einer Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt geht die Münchner Polizei aus. Viele Übergriffe würden erst zeitverzögert bekannt, sagt Polizeisprecher Ronny Ledwoch. Zwar sei die Polizei in der ersten Aprilwoche 37 Mal zu Einsätzen wegen häuslicher Gewalt ausgerückt - in der gleichen Woche im Vorjahr waren es nur 31 Mal. Doch daran sei noch keine Tendenz ablesbar. Fälle häuslicher Gewalt würden oft erst später angezeigt und nicht, "solange sich die Menschen im sozialen Nahfeld bewegen". Gerade Kinder und Jugendliche griffen nicht einfach zum Telefon, wenn ihnen daheim Unrecht widerfahre.

Artikelkommentar

Artikelkommentar
captcha
Bitte tragen Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe in das Feld ein.
Hinweis: Die von Ihnen ausgefüllten Formulardaten werden lediglich für die Zwecke des Formulars genutzt. Eine andere Verwendung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Artikelkommentare

(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

Hier gelangen Sie zur Übersicht über alle Kommentare.