Von Karola Kallweit
Eine kleine Bäckerei in der Altstadt von Casablanca ist Dreh- und Angelpunkt eines Kinofilms über zwei Frauen, die im Leid ein zartes Band der Freundschaft knüpfen. „Adam“, von der marokkanischen Regisseurin Maryam Touzani, feierte 2019 in der Festival-Sektion „Un certain regard“ in Cannes seine Premiere.
Die junge und hochschwangere Samia (Nisrin Erradi) läuft zu Beginn des Films durch die verwinkelten Gassen der Altstadt auf der Suche nach Arbeit und Unterkunft. Abgeschreckt durch die deutlich erkennbare Mutterschaft und die nahende Niederkunft wird Samia schon an den Türschwellen abgewiesen. So zunächst auch an der Tür der verhärmten Abla (Lubna Azabal), selbst Mutter einer Tochter – der kleinen Warda (Douae Bekhaouda). Das eigene Leben ist schon zu viel, da ist kein Platz für die Probleme eines zweiten. Über Umwege und das Insistieren von Warda nimmt Abla Samia dann doch auf. Mindestens bis zur Entbindung, sagt sie.
So eng die Gassen der Medina, so fest geschnürt auch das gesellschaftlich-patriarchale Korsett, in das man die Frauen zwingt. Und doch ist da Selbstbestimmtheit, ein klein wenig Aufbegehren in den vier Wänden der Bäckerei. Während sich beim Teigkneten und Backen von marokkanischen Spezialitäten etwas wie Verbundenheit zwischen den beiden Frauen entwickelt, erfahren wir den Grund der Trauer der einen – Ablas Mann starb bei einem Unfall – und über die Unmöglichkeit eines Lebens für die andere, schwanger und alleinstehend wie sie ist.
Trotz der Widrigkeit der Umstände, in denen sich Samia befindet, schafft sie es, die schroffe Abla aus ihrem selbsterrichteten Kokon zu befreien. Nur die eigene Situation bleibt unauflösbar. Einzig eine Adoption scheint möglich. Vor diesem Hintergrund bringt sie den Jungen Adam zur Welt. Selten sah man in einem Film intensivere Bilder über Mutterschaft zwischen größtmöglicher Abwehr und bedingungsloser Liebe. Der Tod gehört nicht den Frauen, sagt Abla an einer Stelle im Film. Mit Blick auf Weihnachten bleibt zu sagen: Das Leben gehört ihnen. Und es zu schenken.
Adam (Marokko, Frankreich, Belgien 2019). Buch und Regie: Maryam Touzani. Seit dem 25. November im Kino.