Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

Kein sicherer Ort in Europa

Das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO) schlägt in seinem Jahresbericht 2020 Alarm: Verletzungen des ­Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung scheinen von der Tagesordnung der EU zu verschwinden. Dabei werden Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen in Europa verfolgt, verhaftet, bedroht. Über die aktuelle Lage spricht Vorstandsmitglied Maike Rolf im Interview mit Tilman Asmus Fischer

Kriegsdienstverweigerer
Hussam Masallati floh aus Syrien, um nicht zur Armee zu müssen. In seiner Heimat gilt er deshalb als Deserteur. Seit Anfang 2016 lebt er in Deutschland, ist aber nicht als Flüchtling anerkannt. Foto: Nancy Heusel/epd

Frau Rolf, wie stellt sich – vor dem Hintergrund des EBCO-Jahres­berichts 2020 – die aktuelle Lage von Kriegsdienstverweigerern in Europa dar?

Grundsätzlich ist es schön, dass in den letzten 10 bis 20 Jahren sehr viele Länder die Wehrpflicht abgeschafft haben. Tatsächlich haben ­inzwischen einige Staaten aber die Wehrpflicht wieder eingeführt: 2014 die Ukraine, 2015 Litauen, 2017 Georgien, 2018 Schweden, und ­Serbien denkt aktuell darüber nach. In vielen Ländern hat der Zivildienst Strafcharakter, zum Beispiel in ­Griechenland: Er dauert länger als der Kriegsdienst, man darf sich nicht aussuchen, wo man ihn leistet, ­sondern wird der Post oder einem Krankenhaus zugewiesen. Zugleich ist man – bei einer geringen Besoldung – gezwungen, in eine andere Stadt zu ziehen. Das heißt: Verweigern kann nur, wessen Familie sich dies leisten kann. Auch in einem ­unserer Nachbarländer – der Schweiz – wird die Möglichkeit der Verweigerung immer weiter ­erschwert.

Im Falle der osteuropäischen ­Staaten lässt sich die Wieder­einführung der Wehrpflicht vor dem Hintergrund der russischen Außenpolitik erklären. Welche ­Motive ­lassen sich aber im Falle der anderen Staaten für diese ­Entwicklung ausmachen?

Viele Armeen merken, dass sie nicht so gute Leute bekommen, seit es keine Wehrpflicht mehr gibt. Sie müssen aktiv werben und sich ­attraktiv machen; aber trotzdem bekommen sie Personal, das schlechter gebildet ist und von den Kompetenzen her geringer eingeschätzt wird. Das macht schon viel aus. Vor allem ist es aber so, dass militärische ­Sicherheitslogiken sehr präsent sind und nach der Phase von Entspannung und Abrüstung ab 1990 wieder erstarken. In diese Richtung gehen auch die Bestrebungen hin zu einer europäischen Armee und in diesem Zusammenhang gibt es tatsächlich auch die Forderung nach einem ­weiterentwickelten europäischen Wehrdienst – und zwar von der ­Organisation „Finabel“. Das ist die älteste Militärorganisation für die Kooperation zwischen europäischen Armeen. Auch wenn hiermit die Idee eines alternativen Freiwilligendienstes verbunden ist, ist dieser Gedanke natürlich ein Wahnsinn.

Angesichts der Einschränkungen des Rechtes auf Kriegsdienst­verweigerung, die Sie in Ihrem Jahresbericht für einzelne EU-­Mitgliedsstaaten beklagen: Böte ein europäischer Wehrdienst mit einheitlichen europarechtlichen Regelungen nicht auch die ­Perspektive von mehr Rechts­sicherheit für Kriegsdienstver­weigerer – etwa in Griechenland? 

Das wäre natürlich gut. Es gibt ja Regelungen wie die EU-Leitlinie zu Religions- und Glaubensfreiheit von 2013, in der das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen auch explizit enthalten ist. Das Problem ist die Umsetzung: Die Mitgliedsstaaten erkennen die Regelungen an, aber setzen sie häufig nicht um. Frustrierend ist natürlich auch, dass es keine Möglichkeit gibt, die Umsetzung der Urteile des ­Europäischen Gerichtshofs für ­Menschenrechte gegenüber den Nicht-EU-Mitgliedsstaaten Türkei und Russland durchzusetzen: Zwar ­werden in Straßburg häufig Urteile zugunsten von Kriegsdienstverweigerern gefällt, von den betroffenen Staaten jedoch ignoriert.

Mit diesen beiden sprechen Sie  auch Staaten an, die nicht Mitglied der EU, jedoch des Europarats sind. Wie gestalten sich die Unterschiede hinsichtlich des Schutzes und der Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern in Staaten ­innerhalb und außerhalb der EU?

In der Türkei bedeutet Kriegsdienstverweigerung den „sozialen Tod“: Man hat keinen Pass mehr, man kann nicht mehr arbeiten oder eine Wohnung mieten. Aber auch in Aserbaidschan herrschen schwierige Bedingungen. Die überwiegende Zahl der Länder, die Mitglied der EU sind, sind eher bereit, Menschenrechte wie dasjenige auf Kriegsdienstverweigerung anzuerkennen – und dazu tragen natürlich auch die bestehenden EU-Regelungen bei. Entscheidender als die formale Frage, ob ein Staat Mitglied der EU ist, scheint mir jedoch der jeweilige Demokratisierungsgrad zu sein. Je ausgeprägter die demokratischen Strukturen eines Landes sind, desto weniger Menschenrechtsverletzungen gibt es. 

Dies mag durchaus die Situation in den erst seit 1989 demokratisierten Staaten Osteuropas sowie in Griechenland erklären. Wie hoch ist denn die Sensibilität ­innerhalb der EU-Institutionen für noch ­bestehende Missstände in den Mitgliedsstaaten?

Tatsächlich kann man sagen: Kriegsdienstverweigerung verschwindet von der menschenrechtspolitischen Agenda. Als die Wehrpflicht noch in vielen Staaten ­bestand und mit harten Verfahren durchgesetzt wurde, mussten sich mehr Menschen hiermit beschäftigen. Das ist heute nicht mehr so. Aber die bestehenden Probleme – wie etwa in Griechenland – sind nicht zuletzt problematisch für die Außendarstellung der EU.

Der Jahresbericht sowie weitere Informationen stehen auf der Internetseite des Europäischen Büros für Kriegsdienstverweigerung (EBCO) zur ­Verfügung: www.ebco-beoc.org

Artikelkommentar

Artikelkommentar
captcha
Bitte tragen Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe in das Feld ein.
Hinweis: Die von Ihnen ausgefüllten Formulardaten werden lediglich für die Zwecke des Formulars genutzt. Eine andere Verwendung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Artikelkommentare

(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Kirchen erhalten.... Heinz-Walter Knackmuss Lieber Herr Röger,die Kulturministerin des Landes Brandenburg, Dr. Manja Schüle, hat auf meine Anregung eine Verordnung erlassen, dass mit Zustimmung des Denkmalschtzes und des Konsistoriums Photovoltaik auf Kirchen der Normalfall sein soll. Das wäre eine Möglichkeit die Stromversorgung der Kirchengebäude autark zu machen, denn die Akkus erlauben eine Versorgung bei Tag und Nacht und durch die Einspeisungen noch Geld zu Verdienen und evtl. eine Heizung zu betreiben. Nun sind aber die Pfarrer dagegen und blockieren solche Maßnahmen. Sie haben im voauseilenden Gehorsam Angst, dass der Denkmalschutz das Projekt für Ihre Kirche ablehnen würden oder führen ästhetische Gründe an. Ich würde gern für die SMA in Rathenow dafür eine Spenenaktion starten, aber es fehlt die Zustimmung des Pfarrers. Ich finde, die Kirchenleitung müsste auch die Pfarrer motivieren, solche Projekte zu unterstützen.Wenn es den Christen mit dem Erhalt der Schöpfung Gottes wirklich ernst ist, müssten Photovoltaikanlagen auf alle Kirchendächer.
2. Die Kirche weiter umbauen Wolfgang Banse Nicht immer denkt eine Konsistorialpräsidentin.hier EKBO, Viola Vogel in den richtigen Kategorien.Ist sie eine Prophetin, Hellseherin, was den Zustand der EKBO betrifft.Bei grundsätzlichen Entscheidungen, sollte die Basisdemokratie angewendet w erden, hier Anhörung, Beteiligung der Kirchenglieder, im Bezug:"Wir sind das Kirchenvolk"Einsparungen, was das aufgeblähte Personal im Konsistorium betrifft.Der Rotstift sollte was das Personal anbetrifft, nicht das Bischofsbüro aussperren.Verabschiedung vom Beamtentum, Fahrer abschaffen,Mittelklasse PKw sich zu wenden.Pfarrwohnungen und Pfarrhäuser entsprechend zu aktuellem Mietzins vermieten.Die Kirche unterliegt keinem Modetrend, der wechselt.Gläubige identifizieren sich mit der Kirche, hier Kirchengemeinden, mit denen sie sich verbunden fühlen, beheimatet sind.Sie Familienkirchen , von der Taufe, über Konfirmation, Trauung bis zur Beerdigung für die Familie sind. Gemeindeglieder möchten nicht alle ein paar Jahre ein neues Gesangbuch...Dem Volk, hier Kirchenvolk auf`s Maul schauen, hier Reformator Martin Luther, sollte das Konsistorium beherzigen.Es ist nicht alle gut, was in der EKBO angedacht, umgesetzt wird.Kirchernmitgliedsaustritte zu Hauf belegen dies.
3. "Kontrast könnte nicht größer sein" Wolfgang Banse Die evangelische, protestantische Kirche sollte eindeutig Stellung, Position beziehen, wo sie steht im Bezug was die AFD betrifft.Lippenbekenntnisse sind nicht gefragt, sind fehl am Platz.Die Kirchen sollten sich intensiv beteiligen Ausländerfeindlichkeit, im Bezug:"Suchet der Stadt Bestes" Das Wächteramt, welches die Kirchen inne haben, sollte zum Vorschein kommen, im Bezug Antisemitismus, Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit,Behindertenfeindlichkeit.Aus der jüngsten deutschen Geschichte, hier 1933 bis 1945 sollten Lehren gezogen werden.Die Kirchen sind KPÖR, dieses sollten sie leben, erfahrbar werden lassen, im Bezug AFD. In drei neuen Bundesländern finden 2024 Landtagswahlen statt.Beide Amtskirchen sollten ein gemeinsames Wort zu den jeweiligen anstehenden Landtagswahlen herausgeben, im Hinblick auf die AFD.Flagge,Gesicht zeigen,wo für die Kirche, die Kirchen im Jahr 2024 stehen.

Hier gelangen Sie zur Übersicht über alle Kommentare.