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Kein „Weiter so“

Der Potsdamer Verwaltungsfachmann und Politologe Harald Geywitz ist frisch gewählter Präses der Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Im Interview mit Karola Kallweit blickt er auf die Herausforderungen in den kommenden fünf Jahren

Neuer Präses EKBO Synode
Foto: Matthias Kaufmannn/EKBO

Herr Geywitz, was war Ihr biogra­fischer Zugang zur evangelischen Kirche?

Die Kirche war schon in meiner Kindheit präsent im Religionsunterricht oder bei Jugendfreizeiten. Als junger Erwachsener rückte sie in den Hintergrund und kam wieder hervor, als ich in Brüssel arbeitete oder wenn ich auf Reisen war: Ich suchte so etwas wie Heimat in evangelischen Gemeinden und fand sie bei aller Vielfalt auch. Das hat mich dann der eigenen Gemeinde vor Ort wieder näher gebracht. Zwischenzeitlich bin ich seit 16 Jahren im Gemeindekirchenrat in Potsdam aktiv und meine Liebe gilt der Kirchenmusik, darum bin ich noch länger im Musikvereinsvorstand von St. Nikolai.

Was hat am Mittwochabend den Ausschlag gegeben, dass die Wahl am Ende auf Sie gefallen ist?

Da bin ich nun der Falsche, um diese Frage zu beantworten. Meine Wahrnehmung ist: Die Landessynode erlebte zwei Kandidaten, die beide schon länger mit Herzblut unsere Kirche mitgestalten. Am Ende hat die Synode entschieden und ich bin sehr dankbar, dass Fabian Eidtner auch weiterhin mit seiner hohen Kompetenz als Vorsitzender des Ordnungsausschusses einen wichtigen Dienst tut.

Sie sind SPD-Mitglied in Potsdam. Wie lässt sich Kirche mit Politik vereinbaren, inhaltlich und auch zeitlich?

Es stimmt, ich bin einfaches SPD-Mitglied, ohne Funktion oder Amt. Das Amt des Präses ist natürlich überparteilich, das ist mir wichtig. Darüber hinaus sind politische Parteien für unsere Demokratie sehr wichtig und deshalb schätze ich das ehrenamtliche Engagement dort. Unsere Synodalen sind politisch vielfältig engagiert und das finde ich gut.

Synode und Kirchenleitung – ist das ein Miteinander, ein Gegenüber oder ein kritisches Begleiten?

Die Landessynode beschließt die Kirchengesetze, den Haushalt und wählt die Mitglieder der Kirchen­leitung. Die Kirchenleitung leitet in diesem Rahmen und bringt die daraus resultierenden Erfahrungen wiederum in die Synode ein. „Checks and balances“ nennt man das in politischen Systemen. Funktioniert evangelisch ziemlich gut.

Die Kirche wird älter und ärmer. Welche Reformprozesse erhoffen Sie mit dieser Fünften Synode anstoßen zu können?

Die Kirche wird gebraucht, das erleben wir an vielen Stellen in den letzten zwölf Monaten. Sie wird gebraucht mit Wort und Tat, in der Metropole wie im ländlichen Raum. Wie das mit knapperen Ressourcen gelingen kann, stellt die Kirchen in Deutschland insgesamt auf die Probe. Auf keinen Fall hilft ein beherztes „Weiter so“. Den landeskirchlichen Haushalt planen wir beispielsweise mit 15 Prozent Minus bis 2023. Wir werden den Verwaltungsaufwand und die Zahl der öffentlich-rechtlichen Körperschaften reduzieren müssen, mehr mit den anderen Landeskirchen kooperieren, aber auch mit dem katholischen Erzbistum. Eine gute IT-Strategie muss entlasten und dadurch helfen, nah bei den Menschen zu sein. 

Noch sind wir mitten in einer von Corona-Maßnahmen durchdrungenen Zeit. Es gab und gibt viel Leid durch die Corona-Krise. Lager sind entstanden. Sind Sie ein Brückenbauer? 

Ob ich persönlich dazu tauge, das werden andere beurteilen. Aber wir brauchen Brückenbauer in diesen aufgeregten Zeiten, die in Wahrheit ja nicht erst mit dieser Pandemie begannen. Die Neigung, nur noch die eigene Meinung gelten zu lassen, Gemeinsamkeiten zu übersehen und Unterschiede ganz groß zu machen, hilft unserer Gesellschaft nicht. Da sehe ich tatsächlich die wichtige Aufgabe der evangelischen Kirche, einen Beitrag für eine friedensfähige Gesellschaft zu leisten. Im Kern geht es um zivilisierte Debatten und eine heutige Auseinandersetzung mit der Toleranz. Dazu kann auch jede Kirchengemeinde einen Beitrag leisten, indem sie die Menschen miteinander ins Gespräch bringt – und viele tun das.

Welche Rolle wird das Thema Parität für diese Synode spielen?

Da geht es nicht um irgendein Thema, es geht darum, die allen Menschen geltende frohe Botschaft in unserer irdischen Vorläufigkeit so gut wie möglich zu leben. Wir haben Parität bei den synodalen Ausschussvorsitzenden und im Ältestenrat. Drei von fünf Vertreter*innen der EKBO in der EKD-Synode sind Frauen. Die vergrößerte Kirchen­leitung hat 8 Frauen bei 19 Mit­gliedern in ihren Reihen. Es sieht nicht schlecht aus, es ist aber auch nicht alles in Butter, gerade wenn wir auf den hauptamtlichen Bereich und die mittlere Führungsebene schauen. Ich werde mit den Vizepräsides Martina Heyde und Renate Nowotnick sicherlich ein waches Auge darauf haben, wie gut es uns gelingt, mehr für Parität zu tun.

In welchem Bereich, glauben Sie, kann die EKBO ein Vorreiter sein auch für andere Landeskirchen?

Alle Landeskirchen können voneinander lernen. Uns verbindet eine langjährige Partnerschaft mit der Badischen Landeskirche, die beispielsweise eine starke und profunde Botschafterin für eine Kirche auf dem Weg des gerechten Friedens ist. Die EKBO hat mit ihrem Klimaschutzgesetz im November 2020 einen Weg eingeschlagen, der in der EKD Beachtung findet. Wichtig finde ich, dass alle Kirchen gemeinsam die Wege in den Pfarrberuf vielfältiger, attraktiver und auch professioneller gestalten. Es bleibt genug zu tun.

Worauf freuen Sie sich in dieser Synode, wovor fürchten Sie sich?

Ich fürchte mich davor, bei der ersten Präsenztagung, die ich dann hoffentlich bald leiten darf, zu verschlafen. Das wird aber Dank meiner Familie wohl kaum passieren. Im Ernst: Wir werden auch schwierige Debatten um Strukturen, um Geld und Bürokratieabbau führen müssen. Darauf freue ich mich nicht direkt, aber ich fürchte mich auch nicht. Denn ich weiß, es geht allen Beteiligten um einen guten Weg für unsere Kirche und wir sind in der Lage, darüber respektvoll zu streiten. Genau darauf freue ich mich: eine Synode, die unsere Kirche voranbringt!

Biografie

Nach dem Studium der Diplom-Verwaltungs- und Politikwissenschaft an den Universitäten Konstanz und Potsdam arbeitete Harald Geywitz einige Jahre in Brüssel und ist seit 20 Jahren für Unternehmen der Telekommunikations- und Digitalwirtschaft tätig. Neben dem ehrenamtlichen kirchlichen Engagement in der Potsdamer Nikolaikirchengemeinde ist er im Vorstand des Deutschen Kinderhilfswerks aktiv. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder, ist seit 2014 Mitglied der Landessynode und von deren Haushaltsausschuss. Zuletzt hat der 49-Jährige die Landeskirche auch in der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vertreten.

Landessynode und Präses

Die Landessynode ist das höchste Leitungsgremium der EKBO. Zu Beginn der ersten Tagung wählt sie aus ihren ordentlichen Mitgliedern in geheimer Abstimmung den oder die Präses für die Dauer von sechs Jahren. Die/der Präses beruft die Landes­synode ein, eröffnet und schließt die Tagungen und Sitzungen, leitet die Verhandlungen und regelt die Geschäfte der Landessynode. Die/der Präses vertritt die Synode nach außen, macht die Kirchengesetze bekannt und fertigt die Beschlüsse der Landessynode aus und wird durch die Vizepräsides vertreten. Der Landessynode gehören ab diesem Jahr 108 Mitglieder an. Diese vertreten rund 890000 Gemeindeglieder in 25 Kirchenkreisen und 1135 Kirchengemeinden in den drei Sprengeln Berlin, Potsdam und Görlitz sowie Arbeitszweige, Einrichtungen und Werke der Kirche.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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