Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

Keine beliebige Beziehung

Nach 9 Jahren als Nahost-Referent hat Pfarrer Jens Nieper Ende August das Berliner Missionswerk verlassen, um in seine westfälische ­Heimatkirche als Pfarrer in Dortmund zu wechseln. Welche Erfahrungen hat er in der Nahost-Arbeit gemacht? Welche tiefgreifenden theologischen Erfahrungen verbinden sich für ihn mit der Partnerschaft? Darüber spricht er im Interview mit Sibylle Sterzik

Jens Nieper
Jens Nieper bei einem Gottesdienst in der Schule Talitha Kumi. Foto: Talitha Kumi

Herr Nieper, Sie haben gesagt, die Partnerschaft mit den Christ*innen in Nahost sei „ein großer Schatz“. Worin liegt er?

„Sie haben eine Schule bei Bethlehem“ – so oder so ähnlich habe ich gerne begonnen, wenn ich in Gemeinden oder vor Gruppen der EKBO einen Vortrag über die Nahostarbeit des Berliner Missionswerkes (BMW) gehalten habe. So wurde den ­Menschen deutlich, dass es bei der ökumenischen Partnerschaft mit den Christinnen und Christen im Heiligen Land nicht um eine beliebige Beziehung geht. Es geht um Verantwortung und Verbindlichkeit. Dass das Berliner Missionswerk – ­sozusagen das „Außenministerium“ der EKBO – Träger des Schulzentrums „Talitha Kumi“ in der Westbank (Westjordanland, Anm. d. Red.) ist, verleiht diesem Umstand besonderen Ausdruck.

Auf welcher Grundlage führt das Berliner Missionswerk die ­Zusammenarbeit mit den ­palästinensischen Geschwistern? 

Wir sprechen hier von einer über 170 Jahre bestehenden Beziehung. Mit der Neuaufstellung des BMW im Jahr 1974 wurden die Arbeit in ­„Talitha Kumi“, die zuvor die Kaiserswerther Diakonie verantwortet hatte, und der Jerusalemsverein integriert. Der 1852 in Berlin gegründete Verein hat die arabischen evangelischen Gemeinden im Heiligen Land aufgebaut und bis dahin betreut. Damit ist das BMW sozusagen in die „Mutterrolle“ zu der aus dem genannten Engagement entstandenen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL) gerückt. Diese Rolle hat sich entwickelt: Heute sind die ELCJHL und das BMW Geschwister.

Ist die EKBO die einzige Landeskirche in der EKD mit einer so engen und ­kontinuierlichen ­Partnerschaft in Nahost?

Aufgrund ihrer „Wurzeln“ im deutschen evangelischen Engagement im Heiligen Land pflegt die ELCJHL Kontakte zu vielen Landeskirchen in ganz unterschiedlicher Weise, darüber hinaus auch zu anderen evangelischen Kirchen weltweit. Aber die Beziehung zum BMW bleibt doch besonders. Durch den Jerusalemsverein, der sich seit 1974 auf die „Anwaltschaft“ für die christlichen Geschwister und die Förderung der Nahostarbeit innerhalb Deutschlands und der Nachbarländer konzentriert, gewinnt die Zusammen­arbeit des BMW mit den palästinensischen ­Geschwistern eine einzig­artige Breite und zugleich Intensität. In der deutschen „Kirchenlandschaft“ akzentuiert die Nahostarbeit in bemerkenswerter Weise das Profil des BMW. 

Wo konnten Sie eigene Akzente setzen und Neues in Gang bringen?

Zur Nahostarbeit des BMW ­gehört auch die Partnerschaft mit den evangelischen Christinnen und Christen in Ägypten, der Nilsynode. Ich denke, diese Partnerschaft ist heute lebendiger, als ich sie 2012 vorgefunden habe. Zurzeit etwa ­entsteht eine Kooperation des ­Kirchenkreises Falkensee mit dem Dekanat im Nildelta.

Das Schulzentrum „Talitha Kumi“ hat sich im vergangenen Jahrzehnt enorm entwickelt. Und auch der Jerusalemsverein, dessen Geschäftsführung mit dem Nahostreferat des BMW verknüpft ist, hat an Struktur gewonnen.

Wichtig war mir, dass zur Nahost­arbeit auch die israelisch-­jüdische Seite gehört. Auch diese ist in all den Jahren immer wieder einbezogen worden: ob die „Rabbis for Human Rights“ („Rabbis für Menschenrechte“) und die „Combatants for Peace“ („Kämpfer für den Frieden“), verschiedene Frauen und Männer, die sich gesellschaftlich und bürgerrechtlich einsetzen, aber auch Künstler*innen wie Mati Shemoelof und Nirit Sommerfeld.

Inwiefern leisten die Partner in Nahost einen Beitrag zu Frieden, Bildung und Gerechtigkeit, unterstützt durch die Partnerarbeit?

Oje, die Antwort auf diese Frage würde ein Buch füllen. Festzuhalten ist, dass die ELCJHL, obwohl sie eine kleine Kirche mit wenigen tausend Mitgliedern ist, weit in die palästinensische Gesellschaft hineinwirkt: durch ihre Schulen, in denen christliche und muslimische Schüler*- innen gemeinsam lernen, ihre Frauenarbeit, ihre profilierten Theologen, ihr Umweltengagement und anderes. Fraglos hilft es der ELCJHL dabei, dass sie international gut vernetzt ist. Denn vieles davon wäre ohne die Unterstützung der Partnerkirchen und -werke nicht möglich – und das meint nicht nur die finanzielle ­Dimension.

Worin sehen Sie die Chancen dieser Partnerschaft für die Zukunft und welches könnten Schwerpunkte sein? 

Die Stärke der EKBO war, dass sie mit der Nahostarbeit des BMW ­einerseits und den guten Beziehungen zur jüdischen Seite andererseits zwei solide „Standbeine“ hatte und auf diese Weise mit Menschen und Institutionen in Israel und Palästina glaubwürdig im Gespräch sein konnte. Es wurden unterschiedliche Sichtweisen wahr- und ernst genommen: ökumenische ebenso wie Perspektiven aus dem christlich-jüdischen Dialog – inklusive mancher Spannungen, die dabei auszuhalten sind. Leider wird diese moderate, mit beiden Seiten solidarische Positionierung in letzter Zeit zunehmend infrage gestellt – von außen, aber auch in der EKBO selbst. Hier bedarf es einer Klärung, um die Stärke der Vergangenheit auch in der Gegenwart weiter zu leben und in die Zukunft zu tragen.

Sie haben mitinitiiert, dass Sally Azar, die Tochter des lutherischen Bischofs der Evangelischen Kirche im Heiligen Land und Jordanien, in Berlin ihr Vikariat macht. Was war Ihnen dabei wichtig?

Sally Azar wird die erste arabische Pfarrerin ihrer Kirche, aber auch überhaupt in Israel, Palästina und Jordanien sein. Ihr wird eine gute Ausbildung und Vorbereitung bei den damit verbundenen Herausforderungen helfen. Ein reflektie-rtes Rollenverständnis und Selbst­bewusstsein, Praxiserfahrungen und nicht zuletzt ein schriftliches Zeugnis über ihre Kompetenzen sind gute Instrumente, um Vorbehalten zu ­begegnen. Ganz uneigennützig ist diese Ausbildungshilfe zugegeben nicht: Natürlich ist die Erwartung, dass damit auch in Zukunft die Beziehung der ELCJHL nach Deutschland und besonders Berlin lebendig und stark bleibt.

Was hat Sie durch die Kontakte besonders geprägt und wird auch in Ihre künftige Arbeit als Pfarrer in Dortmund mit einfließen?

Für mich ist die Partnerschaft mit der Christenheit im Heiligen Land nicht nur einfach eine interessante Praxis. Sondern es verbinden sich damit auch tiefgreifende theologische Fragen: Welche Bedeutung hat das Land der Bibel für die Kirche weltweit? Und welche Rolle hat dabei eine authentische einheimische Christenheit in diesem Land?

Darüber hinaus bleibt die Frage, was die Aufgabe der internationalen Ökumene ist. Wird sie nur als folkloristische Dekoration verstanden? Oder werden die Fragestellungen und Ansichten der ökumenischen Partner, deren Antwortversuche auf theologische wie gesellschaftliche Herausforderungen, als ernstzunehmende Stimme wahrgenommen?

Diese Fragen verschwinden mit meinem Wechsel nach Dortmund nicht für die EKBO und ihr Missionswerk, aber selbstverständlich nehme ich diese Fragestellungen auch mit. In Westfalen gibt es bereits ein Netzwerk von Personen, die sich freuen, dass ich meine Erfahrungen und Kenntnisse mit einbringe. 

Berliner Missionswerk und Jerusalemsverein


Das Berliner Missionswerk (BMW) setzt sich zusammen mit seinen Partner­kirchen weltweit für ein lebendiges Christentum ein. Durch ­gegenseitige Besuche, Vermittlung von Gemeinde- und Schulpartnerschaften und einem ökumenischen Freiwilligenprogramm unterstützt es Kirchen und Entwicklungsprojekte im Nahen Osten, in Afrika, Ostasien, Russland, Kuba, Nordamerika und Europa. Es wurde Anfang der 1970er Jahre gegründet. In ihm wurden die in Westberlin verbliebenen Missionsgesellschaften und -vereine als landeskirchliches Werk zusammengeführt: die Gesellschaft zur Förderung der Evangelischen Missionen unter den Heiden gegründete Berliner Missionsgesellschaft, der Berliner Zweig Deutsch-Ostasienmission, die Gossner-Mission und der 1853 ­gegründete Jerusalemsverein. Seitdem ist das Nahost-Referat des BMW zugleich ­Geschäftsstelle des Jerusalemsvereins. Aus seiner Arbeit ging 1959 die heutige Evangelisch-Lutherische Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELCJHL) hervor. Der Verein unterstützt evangelische Kirchengemeinden und Schulen in ­Israel, ­Jordanien und Palästina – darunter das Schul­zentrum Talitha Kumi bei Bethlehem, dessen Träger seit 1975 das Berliner Missionswerk ist. Talitha Kumi ist eine Deutsche Auslandsschule, die neben dem palästinensischen Schulabschluss auch das Deutsche ­Internationale Abitur anbietet. Aktuell besuchen etwa 850 christliche und mus­limische Schüler*innen die Schule. Das BMW in seiner heutigen Form ist 1991 aus der Zusammenführung des Ökumenisch-­Missionarischen ­Zentrums in Ostberlin und des Berliner Missions­werks in Westberlin ­hervorgegangen. Die EKBO und die Landeskirche Anhalts sind die beiden Trägerkirchen. 

Artikelkommentar

Artikelkommentar
captcha
Bitte tragen Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe in das Feld ein.
Hinweis: Die von Ihnen ausgefüllten Formulardaten werden lediglich für die Zwecke des Formulars genutzt. Eine andere Verwendung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Artikelkommentare

(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

Hier gelangen Sie zur Übersicht über alle Kommentare.