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Kirche für Konfessionslose

Pfarrerin Jasmin El-Manhy baut gemeinsam mit sieben Mitstreitern in Berlin-Neukölln ein Kirchen-Startup auf. Mit „Startbahn“ wollen sie ein sogenannter Dritter Ort werden, eine innovative Form von Kirche in der EKBO. „die Kirche“-Autorin Cornelia Saxe hat El-Manhy getroffen

Startbahn Kirche El-Manhy
Pfarrerin Jasmin El-Manhy. Foto: Urban Ruths

Von Cornelia Saxe

„Und sie lachte in sich hinein“, so lautete das Motto der Predigt von Jasmin El-Manhy, als sie sich im Januar als Pfarrerin aus der Geth­semane-Kirche in Prenzlauer Berg verabschiedete. Man kann sich den Gottesdienst im Internet auf Youtube ansehen. Es wird getanzt und auch die eine oder andere Träne verdrückt. Die Gemeinde hat ihrer Pfarrerin nach sechs Jahren Amtszeit einen Abschied bereitet, der berührt, obwohl es „nur“ ein OnlineGottesdienst ist. 

Das Lachen der Sara, der im 1. Buch Mose im hohen Alter die Geburt eines Kindes vorhergesagt wird, bezieht Jasmin El-Manhy auf die neue Aufgabe. Am Anfang standen „Zweifel, Unsicherheit, Aufregung“ und als könne sie das Glück des Auftrags gar nicht fassen, so beschreibt sie ihre Gefühle im Gottesdienst.

Wir treffen uns an ihrer neuen Arbeitsstelle in der Genezareth-Kirche in Berlin-Neukölln mitten im hippen Schiller-Kiez. Im rechten Flügel des im neogotischen Stil errichteten Gebäudes empfängt mich Jasmin El-Manhy im zukünftigen „Segensbüro“ in einem sonnengelben Pullover. „Diese Stelle bricht aus gewohnten Gemeindestrukturen aus. Hier ist die Gestaltung von so viel Neuem möglich!“, freut sich die 40-Jährige. Sie koordiniert als Geschäftsführerin ein Team mit zukunftsweisenden Projekten – ein Kirchen-Startup. 

Eine spirituelle „Startbahn“

Die Gruppe hat sich in Anlehnung an das nahegelegene Tempelhofer Feld den Namen „Startbahn“ gegeben. Mit dazu gehören die Pfarrerin und Influencerin Theresa Brückner, der auf Facebook und Instagram unter „Theresaliebt“ rund 20000 Menschen folgen, die Neuköllner Pfarrerinnen Lioba Diez und Anja Siebert-Bright, die das Projekt „Spirit and Soul“ ins Leben gerufen haben, der Pfarrer Tilman Reger, der das Konzept des „Segensbüros“ entwickelt und der Armutsbeauftragte des Neuköllner Diakoniewerks Simeon, Thomas de Vachroi. 

Das Projekt, das mehrere Pfarrstellen und zwei Künstlerinnen umfasst, ist auf drei Jahre angelegt. Es wird von mehreren Berliner Kirchenkreisen finanziert und von der EKBO und der in Hamburg gegründeten ökumenischen Initiative „Andere Zeiten“ gefördert. Ziel sei die Entwicklung von analogen und digitalen Formaten für Menschen, die zwar nicht in die Kirche gehen, dennoch aber eine Sehnsucht nach Spiritualität verspüren, so El-Manhy. „Das kann die Begleitung sein mit einer App, ein Austausch bei einem Zoom-Treffen oder die regelmäßige geistliche Übung“, erklärte sie gegenüber Deutschlandfunk Kultur. 

Kirche für die Zukunft

Konkret sollen sich Menschen ohne Zugang zu einer Kirchengemeinde  in Zukunft an das „Segensbüro“ wenden können, wenn man christlich heiraten oder sich nach dem Tod christlich beerdigen lassen möchte, einen Reisesegen braucht oder sein Haustier bestatten lassen möchte. Es gehe auch darum, Kolleginnen und Kollegen zu finden, die sich bei den Amtshandlungen auf neue Konstellationen einlassen können, erklärt die frischgebackene Geschäftsführerin in unserem Gespräch: „Also interkulturell, interreligiös, gleichgeschlechtlich, aber auch Patchwork.“ Ist das „Kirche to go“? Eine Empfehlung wie aus dem Katalog? Ein Wohlfühlangebot nach dem Motto: Man suche sich für die Hochzeit den schönsten Kirchsaal und die lustigste Pfarrerin und schnüre daraus ein stimmiges Gesamtpaket. Oder vielleicht doch genau die richtige Antwort in Zeiten steigender Austrittszahlen – und für eine multikulturelle Stadt wie Berlin. 

„Man muss das auch ein bisschen mit Humor nehmen“, entgegnet El-Manhy gelassen und meint damit so etwas wie das Wort „Segensbüro“. Derzeit werde an der Homepage gearbeitet. Mit verständlicher Sprache wolle man hier die Hemmschwelle nehmen, Kirche mit dem in Anspruch zu nehmen, was sie am besten kann: die Begleitung bei wichtigen Übergängen im Leben. Andererseits „wollen wir auch deutlich machen, dass wir nichts verkaufen, sondern etwas verschenken und uns abgrenzen von kommerziellen Angeboten“, betont sie.

Eine schwierige Fusion 

Aber funktioniert das für alle Beteiligten, ohne eine Gemeinde im Rücken? „Wir versuchen, das Team zu informieren, wie es hier tickt am Herrfurthplatz“, sagt Ute Gartzke selbstbewusst. Die Mittfünfzigerin sitzt im Gemeindekirchenrat der kürzlich fusionierten Neuköllner Gemeinde Martin-Luther-Genezareth. Die Genezareth-Kirche ist ihr so vertraut wie das eigene Wohnzimmer. Dort sieht der Kirchsaal kahl aus wie nach einer Wohnungsübergabe. Diplomatisch deutet sie „Kommunikationslücken“ und „Diskussionen“ an, die es in Bezug auf den Einzug der neuen Mitbewohner gibt. Erschwerend kommt für die Gemeinde hinzu, dass sie mit der Fusion nicht mehr Herrin im eigenen Haus ist, da ihr die finanziellen Mittel für die Erhaltung fehlen. Neue Eigentümerin des Gebäudes ist der Kirchenkreis Neukölln, der die Kirche als Ort für das „Startbahn“-Team ausgewählt und Jasmin El-Manhy freie Hand in der Gestaltung gegeben hat. Ute Gartzke missfällt, dass man der Gemeinde das Gefühl gibt: „Vorher hat hier nichts stattgefunden und erst wir sind gekommen und haben die Tore aufgeschlossen!“ Sie verweist auf das Interkulturelle Zentrum Genezareth, das nun auch Teil des neuen Projektes ist. Am Ende ist sie versöhnlich: „Diese jungen Leute sind die Zukunft. Sie werden später in der Kirche mal die Leitung haben. Sollen sie gute und lehrreiche Erfahrungen machen!“

Die tanzende Pfarrerin

Die neuen Ideen und Angebote werden auch die Gemeinden vor Ort stärken, davon ist Jasmin El-Manhy überzeugt. Man kann sich für den Veränderungsprozess kaum eine geeignetere Vermittlerin vorstellen. Für die Pfarrerin ist der private wie berufliche Umzug nach Neukölln eine Art Nachhause kommen. Sie hat in der Genezareth-Kirche nach ihrem Theologie-Studium ihre erste Predigt gehalten und vor dem Brennenden Dornbusch des Künstlers HAP Grieshaber geheiratet. Die Tochter einer katholischen Deutschen und eines muslimischen Ägypters hat nach der Hochzeit ihren Familiennamen behalten. Sie ist mit zwei Religionen und Sprachen in Berlin aufgewachsen und ist froh, wieder hier zu wohnen: „Dass ich hier die arabische Sprache um mich habe, die Menschen, das Essen. Und dass ich mitbekomme, wann Ramadan ist. Ich habe das sehr vermisst.“ 

Umgekehrt wird sie in Prenzlauer Berg fehlen. Man sagt ihr nach, dass sie mit ihren Predigten die Menschen erreicht – und auch mal einen Rocksong zitiert. Im Online-Abschiedsgottesdienst sieht man die Pfarrerin tanzen – zuerst im Talar und danach mit einer roten Pudelmütze und einem Pullover mit der Aufschrift „Choose Love“ (Wähle die Liebe) vor der Genezareth-Kirche. Da wirkt sie wie ein Twen aus der Nachbarschaft. Und man traut ihr zu, dass sie das Ding rocken wird.

„Startbahn“ ist eines der Projekte, die sich für die EKBO-Förderung „Dritte Orte“ bewerben. Noch bis zum 1. April können sich innovative kirchliche Projekte bewerben. 

Informationen im Internet gibt es hier: https://innovation.ekbo.de/dritte-orte.html

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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