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Kirche ohne Rassismus

Die Landeskirche will sich auf den Weg machen, zu einer „Kirche ohne Rassismus“ zu werden. Jedoch misstrauen „Schwarze Menschen“ den Kirchen, auch wenn die sich noch so anti-rassistisch geben. Eine Tagung des Amtes für kirchliche Dienste und des Berliner Missionswerkes will Klarheit schaffen.

Foto: pixabay

Von Uli Schulte Döinghaus

Wer über Rassismus in der Evange­lischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz nachdenkt, kann sich zunächst mit einigen ­Fakten und begründeten Annahmen beschäftigen. Dazu gehört, dass aus den Gemeinden der Landeskirche in der jüngeren Vergangenheit keine rassistischen Übergriffe berichtet wurden, weder verbale Beleidigungen noch körperliche Attacken.  

Auch über interne Disziplinarmaßnahmen gegen kirchliche Bedienstete in Haupt- oder Ehrenamt ist nichts bekannt, ebenso wenig über gerichtliche Verfahren, die auf ­Zusammenhänge zwischen evange­lischem Leben in unserer Region und alltäglichem Rassismus hindeuten. Anders als irre Verschwörungs­mythologen oder organisierte Neo­faschisten sind ­bekennende Kirchenmitglieder im Gebiet der Landeskirche augenscheinlich des öffent­lichen Rassismus unverdächtig. 

Thematischer Auftakt auf der Landessynode


Auf ihrer Herbsttagung im vergangenen Jahr hat die Landessynode auf Anregung der Evangelischen Jugend Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EJBO) beschlossen, sich auf den Weg zu einer „Kirche ohne Rassismus“ zu machen. Dabei will sie sich aktiv und selbstkritisch mit Rassismus innerhalb der EKBO aus­einandersetzen. Spätestens auf der Frühjahrstagung 2023 soll das Thema werden. Alle haupt- und ehrenamt­lichen Mitarbeitenden der EKBO ­sollen  sensibilisiert werden. „Wir sind in der Verantwortung, jeder Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegenzuwirken. Rassismuskritische Fortbildungen für Multiplikator*innen sind hierfür ein ­Anfang“, sagt der EJBO-Vorsitzende Yannik Reckner. Den Auftakt dazu macht im Februar eine Tagung des Amtes für kirchliche Dienste der EKBO und des Berliner Missionswerkes. 

Unter Rassismus, einem sprachlich nicht unumstrittenen Begriff, wollen wir an dieser Stelle benennen, was als „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ definiert wird, also etwa Fremdenfeindlichkeit, ­Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, die Abwertung von Sinti und Roma, die Abwertung asylsuchender ­Menschen, die Abwertung von Menschen fremder Herkünfte und Ethnien, „Schwarzen Menschen“ und „People of Color (PoC)“. ­

Evangelische Kirchen, auch die EKBO, verstehen sich als Institutionen in der Mitte der Gesellschaft. ­Sozialwissenschaftliche Untersuchungen, beispielsweise von der Bertelsmann-Stiftung (Religionsmonitor) oder der Friedrich-Ebert-Stiftung („Mitte-Studie“) bestätigen: Die allermeisten Kirchenmitglieder – zumal bekennende Christinnen und Christen – gehören wirtschaftlich, kulturell und sozial zur gesellschaftlichen Mitte, die mehr und mehr rassistischen Versuchungen widersteht. „Rechtsextreme Einstellungen sind über die Gesamtgesellschaft betrachtet insgesamt weiter rückläufig“, schreibt, wenn auch vorsichtig und abwägend, die Friedrich-Ebert-Stiftung. 

Weniger Rassismus gegenüber Schwarzen Menschen


Nur wenige Menschen, so die FES-Mitte-Studie, stimmen rassistischen Aussagen gegenüber Schwarzen Menschen zu. Das ist eine Tendenz, die von Erhebungswelle zu Erhebungswelle sogar immer besser wird. Die FES-Studie resümiert: „Rassismus wird mehrheitlich geächtet und steht im Jahr 2021 oben auf der gesellschaftlichen und politischen Agenda.“

Mindestens neun von zehn Christinnen und Christen, die in der Mitte der Gesellschaft verortet sind, wehren rassistische Aussagen strikt ab; das dürfte sich hier in Berlin, Brandenburg und der schlesischen Oberlausitz nicht vom Rest der Republik unterscheiden. Darauf weist auch die beeindruckende Zahl der Protestanten hin, die sich – zwischen Prenzlau und Görlitz, Perleberg und Eisen­hüttenstadt – für Flüchtlinge und Auswanderer nach Kräften einsetzen. Das ist aktiver, angewandter Anti­rassismus. 

Nur ein Drittel Teil der christlichen Gemeinschaft 


Widersprüchlich dagegen ist, was der sogenannte Afrozensus des Vereins Each One Teach One (Eoto) dokumentiert. Im „Afrozensus 2020“, einer Studie, welche die Lebensrealität Schwarzer Menschen in Deutschland untersucht, wurden repräsentativ mehr als 5000 Menschen (von rund einer Million Schwarzer Menschen) befragt, die in Deutschland leben. Nur etwas mehr als ein Drittel der Befragten (36,4 Prozent) gab an, sich als Teil einer christlichen Glaubensgemeinschaft zu verstehen. Die meisten ­Befragten sind atheistisch, agnostisch oder machten keine Angabe.

Unter Schwarzen Menschen ist scheinbar das Ansehen der verfassten Kirchen denkbar gering. An zweitletzter Stelle der Institutionen, denen in den Schwarzen Gemeinschaften vertraut wird, steht „Kirche“ mit fast 60 Prozent („kein Vertrauen“ und „eher kein Vertrauen“). Dahinter rangieren nur noch die Ausländer­behörden. Und: Die wenigsten ­Befragten geben an, sich nach einem diskriminierenden Vorfall an Politiker (2,3 Prozent) oder eine Kirche/Glaubensgemeinschaft zu wenden (1,8 Prozent). „Afrozensus“-­Forscher sind ratlos: „Auf der Grundlage der vorliegenden Daten können wir nicht erklären, warum das mehrheitliche Misstrauen gegenüber ,der Kirche‘ so groß ist.“

Vielleicht hat auch die Evange­lische Kirche in Brandenburg, Berlin und der schlesischen Oberlausitz ein Kommunikations- und Repräsentationsproblem mit „Schwarzen Menschen“ und „People of Color“? „Man geht nicht in eine Kirchengemeinde, wenn man sich mit ihren Leuten nicht identifizieren kann“, sagt Lý-Elisabeth Dang, Pfarrerin im ­Projekt „Missionarischer Erprobungsraum“ im Kirchenkreis Zossen-Fläming. 

Weiße Menschen in den Kirchengremien 


Am 21. März des vergangenen Jahres, dem Internationalen Tag gegen Rassismus, hatte sie während eines vielbeachteten digitalen ­Gottesdienstes von BIPoC-Menschen gepredigt. BIPoC steht für Black, Indigenous und People of Color, also Schwarz, Indigen und People of Color. „Ich vermisse die Repräsentation von Menschen of Color in unseren Kirchen und ihren Gremien. Dort sind ausnahmslos weiße Menschen vertreten“, sagt Pfarrerin Dang. 

Das Amt für kirchliche Dienste (AKD) der EKBO und das Berliner Missionswerk laden am 11. und 12. Februar zu einem Online-Impuls- und Werkstatttag „Kirche ohne Rassismus?!” (via Zoom) ein. Die Tagung ist kostenlos. Weitere Informationen und Kontakt:  

Amt für kirchliche Dienste 

Telefon: (030)3191287
E-Mail: frauenarbeit@akd-ekbo.de 
Anmeldungen sind noch möglich bis zum 6. Februar unter https://akd-ekbo.de/kalender/kirche-ohne-rassismus

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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