Von Christoph Markschies
Hans Joas ist prominenter (Religions-)Soziologe und seit seiner Emeritierung Ernst-Troeltsch-Professor an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin.
In seinem jüngsten Buch beantwortet er zwei Fragen, die einerseits schon lange gestellt werden, sich andererseits in der unmittelbaren Gegenwart vielleicht noch viel mehr aufdrängen als je zuvor – nicht nur für katholische Christenmenschen.
Die eine Frage lautet, ob es noch weiter in nennenswertem Umfang Religion geben wird und die andere, ob es dazu noch eine verfasste Kirche braucht. Im Zusammenhang des gerade beendeten Katholikentags war gar von einer „Kernschmelze“ des katholischen Christentums die Rede, auch bedingt durch den vielfachen Missbrauch, verübt und vertuscht durch Amtsträger.
Eine solche Untergangsstimmung prägt das Buch nicht. Es besteht aus Aufsätzen, die die beiden grundlegenden Fragen eher umkreisen. Joas wirbt für eine Kirchenreform, die die synodalen Strukturen stärkt. Er setzt sich aber auch mit der klassischen Religionssoziologie eines Ernst Troeltsch auseinander. Er problematisiert die Rede von einer einlinigen Säkularisierung durch einen klugen internationalen Vergleich. Er fragt nach der Besonderheit heiliger Räume und ritueller Vollzüge und stellt prominente Konvertiten der Gegenwart vor. Am Ende verteidigt Joas noch einmal pointiert sein Votum dagegen, Kirche vor allem als Moralagentur zu bestimmen, gegen katholische wie evangelische Kritiker.
Das Buch ist auch für Protestanten interessant: Wir hören die Stimme eines engagierten katholischen Christen, der angesichts von notwendiger Reform nach dem bleibenden Charakter von Kirche fragt und deutsche Befindlichkeiten im internationalen Kontext ansieht. Dieser Ansatz bei der Kirche ist für evangelische Christen vielleicht unvertraut, weil wir gern bei den Einzelnen ansetzen – aber das Buch hilft, katholische Geschwister und die Mühen ihres „Synodalen Wegs“ besser zu verstehen.
Hans Joas, Warum Kirche? Selbstoptimierung oder Glaubensgemeinschaft, Herder-Verlag, Freiburg 2022, 240 Seiten, 22 Euro.