Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

Multiform und ökumenisch

Kirche neu denken: Vor 60 Jahren startete das „Gemeindeexperiment Ladenkirche“ in Berlin-Spandau

"Dritter Ort" anno 1960? Die Ladenkirche in Berlin-Spandau, mitgegründet

Von Barbara Deml

Es begann zu Pfingsten 1960 in einem Bäckerladen am Brunsbütteler Damm in Spandau und war bald über die Grenzen Berlins hinaus bekannt: das Gemeindeexperiment Ladenkirche. Ins Leben gerufen wurde das Projekt von den Theologen Ernst Lange und Alfred Butenuth, inspiriert durch Erfahrungen, die Lange im Rahmen einer ökumenischen Reise in der "East Harlem Protestant Parish" in New York gemacht hatte. "Experiment" bedeutete in diesem Zusammenhang, neue Arbeitsformen, ein neues Gemeindekonzept und die Nutzung von für eine Kirchengemeinde unüblichen Räumlichkeiten zu erproben und die Erfahrungen damit zu dokumentieren. 

Das ist bis heute inspirierend und überraschend aktuell: Das Anliegen war eine "Verflüssigung" der Ortsgemeinde, um Kirchendistanzierte zu erreichen, die im Rahmen der traditionellen Angebote nicht zur Kirche kamen. Von Anfang an waren niederschwellige Bildungs- und Begegnungsangebote im Laden, der rund um die Uhr geöffnet war, unmittelbar verknüpft mit der Kommunikation des Evangeliums. 

Kirche hat im Rahmen ihrer Mission die Aufgabe, Menschen unter den Bedingungen ihrer Lebenssituation die Teilhabe an der Verkün­digung zu ermöglichen, so lautete die Prämisse des Projektes. Daraus ergaben sich wie von selbst die Angebote und Arbeitsformen: Familienseminare, Gesprächskreise, gemeinsame Predigtvorbereitung, geteilte Leitung (Dienstgruppe): "Nicht nur die Kirche als Ganze, sondern auch die örtliche Gemeinde muss multiform reagieren, denn sie hat es mit einer Pluralität von Herausforderungen und Bedürfnissen zu tun", so heißt es in der offiziellen Bestandsaufnahme, der "Bilanz 65". Damit war in den 1960er Jahren die Soziologie zur Ekklesiologie hinzugekommen, ein Prozess, der in der Theologiediskussion der damaligen Zeit nicht unumstritten war. Die Praktische Theologie hat diese Impulse aufgenommen. Eine Weiterführung der Gedanken Ernst Langes lässt sich bis heute nicht nur in der Lehre von der Predigt, sondern auch in Gemeindeaufbau, Mission und Ökumene nachweisen.

In den 1970er und 1980er Jahren war in der Ladenkirche unter der Leitung von Alfred Butenuth, Paul Aldrup und Mone Kraft sowie Karin Steinberg in der kooperierenden Gemeinde am Germersheimer Platz eine lebendige Kultur des Gesprächsgottesdienstes entstanden. Nach der Predigt oder auch anstelle der Predigt hatte das Gespräch zum biblischen Text seinen festen Platz im Gottesdienst, der an einem runden Tisch gefeiert wurde. Die weltweite Ökumene blieb dabei stets präsent: Vor der Fürbitte wurden die „Nachrichten“ ausgetauscht, in denen auch von den Partnern aus Riesi (Italien) oder London oder von der Auferstehungsgemeinde jenseits der Mauer in Berlin berichtet wurde. Aus der ökumenischen Verbundenheit heraus war zudem der erste "Dritte-Welt-Laden" Berlins entstanden.

Ursprünglich auf dem Gemeindegebiet der Kirchengemeinden von Klosterfelde und St. Nikolai errichtet, war die Ladenkirche erst 1970 selbstständige Gemeinde geworden. Weil die Miete nicht mehr weiter übernommen wurde und die Gemeinde dafür keine Rücklagen hatte, fusionierte die Ladenkirche 1998 mit St. Nikolai und wurde Teil der großen Gesamtgemeinde. Das Mietverhältnis des Ladens wurde 2004 nach einigen Jahren kontroverser Diskussionen um die Zukunft der Ladenkirche beendet. Der "Gottesdienst am runden Tisch" findet seither mit einigen Engagierten in den Gemeinde­räumen der Petruskirche in der Grunewaldstraße statt.

Die für das Jubiläum geplante Predigtreihe dort und der feierliche Pfingstgottesdienst müssen coronabedingt verschoben werden. Aber das Gespräch geht weiter.

Barbara Deml ist landeskirchliche Pfarrerin für Ökumene und Weltmission und stellvertretende theologische Direktorin des Berliner Missionswerkes. Sie war von 1998 bis 2002 als Entsendungspfarrerin in der Ladenkirche tätig.

Artikelkommentar

Artikelkommentar
captcha
Bitte tragen Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe in das Feld ein.
Hinweis: Die von Ihnen ausgefüllten Formulardaten werden lediglich für die Zwecke des Formulars genutzt. Eine andere Verwendung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Artikelkommentare

(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

Hier gelangen Sie zur Übersicht über alle Kommentare.