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Nichts ist gut an der EU-Außengrenze

Titelkommentar in Ausgabe 40/2021

Grafische Darstellung als starker Muskelmann
Grafik: Uwe Baumann

Nichts ist gut an der  EU-Außengrenze

Wie Verbrecher werden Flüchtlinge an der polnisch-belarussischen Grenze zusammengetrieben. Weder dürfen Hilfsorganisationen zu ihnen noch Rechtsbeistand oder Ärzte. Inzwischen kritisieren auch  die Kirchen das Vorgehen polnischer Behörden.

Von Dariusz Bruncz

An der polnisch-weißrussischen Grenze wird derzeit die Flüchtlingskrise von 2015/2016 im kleineren Format durchgeübt, und zwar mit Stacheldraht, ideologischen Hasstiraden zum innenpolitischen Gebrauch sowie teils ­erschreckenden Debatten. Darin schrecken Verantwortungsträger und regierungsnahe Medien nicht vor abscheulichen Bildern mit ­pädophilen und zoophilen Inhalten auf einer Ministerpressekonferenz zurück, die angeblich auf Handys von Flüchtlingen gefunden worden sein sollen, und betreiben so Stimmungsmache gegen Flüchtlinge, die über Belarus nach Polen kommen.

Der ausgerufene und vor ein paar Tagen verlängerte Notstand in den Grenzgebieten, der auch der lokalen Bevölkerung zu schaffen macht, wird als nötige Brandmauer gegen die illegale Einwanderung stilisiert. Gleichzeitig aber wird der Einsatz von Frontex, der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, nicht willkommen geheißen, anders als in Litauen. Unabhängige Berichterstattung ist wegen des Notstands nicht möglich und die Öffentlichkeit ist entweder auf Informationsfetzen der NGOs oder das auf Parteilinie getrimmte Staatsfernsehens angewiesen. Menschen, darunter auch unterkühlte Kinder mit einem Polizeimaskottchen beschenkt, werden von Sicherheitskräften in die weißrussischen Grenzwälder zurückgedrängt. Dies zeigt die Ohnmacht und Verantwortungsverdunstung auf vielen Ebenen.

Nichts ist gut an der EU-Außengrenze – die Worte der früheren EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann sind leider auf diese ­Situation gut anwendbar. Auch die Kirchen in Polen melden sich zu Wort, eigentlich nur zwei – zuerst mahnte per Twitter der leitende Bischof der Evangelisch-Augsburgischen (Lutherischen) Kirche Jerzy Samiec an, ein starker Staat solle keine Angst vor einer Handvoll Menschen haben, die im Grenzgebiet festsitzen. Ein christliches Land biete ein Dach über dem Kopf, etwas zu essen – so der Bischof. Dann kam noch der Appell des lutherischen Konsistoriums, in dem betont wurde, die christliche Identität des Landes lasse sich weder in kirchlichen Krypten festbetonieren noch auf religiöse Lippenbekenntnisse reduzieren. – Wir kennen kein anderes Evangelium als dieses über Gott, der für uns in Jesus Liebe geworden ist und das die Erzählung vom barmherzgien Samariter zum Ausdruck bringt – schrieb das Konsistorium. Die evangelisch-lutherische Kirche rief die Gemeinden und Gläubigen zu einer Spendenaktion auf, aber nicht unter kirchlicher Schirmherrschaft. Sondern sie ermutigte zur Unterstützung der Stiftung Ocalenie (Rettung), die vor Ort zu helfen versucht. Noch vor Verhängung des Notstands war sie die erste NGO, die den Flüchtlingen beistand. Auf der Internetseite des lutherischen Informationsbüros wurde sogar eine Zahlungsweiterleitung direkt an Ocalenie eingeblendet. Damit sollte die Arbeit der Stiftung gestärkt und Doppel-Strukturen vermieden werden, da die evangelische Minderheitskirche nicht überall im Lande repräsentiert wird, auch nicht im Osten Polens.

Inzwischen sind auch Stimmen aus der ­römisch-katholischen Mehrheitskirche vernehmbar – sowohl von verschiedenen Laien als auch von Priestern aus dem „Reformflügel“, aber auch seitens einzelner Würdenträger. Mahnungen und zumal auch klare Worte prallen jedoch an relativ hohen Zustimmungswerten für die Regierungspolitik exzellent ab. In einem komplizierten Interessennetz aus ideologischen Seilschaften zwischen den Regierenden und bedeutenden Kreisen der kirchlichen Hierarchie und Geistlichkeit wird die Lage der Hilfesuchenden fast ausschließlich aus dem Blickwinkel der geopolitischen Machtspiele des Lukaschenko-­Regimes gesehen, dessen zynisches Spiel wohl niemand bestreitet.

Im Vorfeld des bevorstehenden Weihnachtsfestes und der damit verbundenen Dramatik vom Kindlein Jesus, das mit seinen sittlich suspekten Eltern nach Ägypten flieht, fragen sich manche, wieso kirchliche Wortmeldungen zur Nächstenliebe, ja der Sorge um das geborene Leben, so wenig Zuspruch und Interesse finden, wohingegen aggressive Gereiztheit mit christlich-national verbrämter Empörungsindustrie bei solchen Themen wie LGBT- und Frauenrechten blitzschnell die Schlagzeilen erobern und von Predigtpulten durchgehend verbreitet wird. Womöglich ist die Glaubwürdigkeit der Kirche(n) unwiederbringlich durch Anbiederungen an die Machthaber verspielt. Vielleicht ist auch die fortschreitende Säkularisierungswelle dafür mitverantwortlich. Vielleicht ... Sicher ist aber, dass die Debatte über Migration erbarmungslos Defizite im kirchlichen sowie ­gesellschaftlichen Raum aufdeckt und das ­Öffentlichkeits-Christentum in Polen immer mehr ins Rituelle und Bedeutungslose abgleitet. Gott sei Dank, gibt es hier und da Hoffnungsschimmer, dass manches auch anders gehen kann. Noch ist Polen nicht verloren.

Dariusz Bruncz ist Publizist und freischaffender Journalist aus Warschau, Chefredakteur der ökumenischen ­Internetseite ekumenizm.pl, sowie DaF-Lehrer (Deutsch als Fremd­sprache) an der TU Warschau. 

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1. Kirchen erhalten.... Heinz-Walter Knackmuss Lieber Herr Röger,die Kulturministerin des Landes Brandenburg, Dr. Manja Schüle, hat auf meine Anregung eine Verordnung erlassen, dass mit Zustimmung des Denkmalschtzes und des Konsistoriums Photovoltaik auf Kirchen der Normalfall sein soll. Das wäre eine Möglichkeit die Stromversorgung der Kirchengebäude autark zu machen, denn die Akkus erlauben eine Versorgung bei Tag und Nacht und durch die Einspeisungen noch Geld zu Verdienen und evtl. eine Heizung zu betreiben. Nun sind aber die Pfarrer dagegen und blockieren solche Maßnahmen. Sie haben im voauseilenden Gehorsam Angst, dass der Denkmalschutz das Projekt für Ihre Kirche ablehnen würden oder führen ästhetische Gründe an. Ich würde gern für die SMA in Rathenow dafür eine Spenenaktion starten, aber es fehlt die Zustimmung des Pfarrers. Ich finde, die Kirchenleitung müsste auch die Pfarrer motivieren, solche Projekte zu unterstützen.Wenn es den Christen mit dem Erhalt der Schöpfung Gottes wirklich ernst ist, müssten Photovoltaikanlagen auf alle Kirchendächer.
2. Die Kirche weiter umbauen Wolfgang Banse Nicht immer denkt eine Konsistorialpräsidentin.hier EKBO, Viola Vogel in den richtigen Kategorien.Ist sie eine Prophetin, Hellseherin, was den Zustand der EKBO betrifft.Bei grundsätzlichen Entscheidungen, sollte die Basisdemokratie angewendet w erden, hier Anhörung, Beteiligung der Kirchenglieder, im Bezug:"Wir sind das Kirchenvolk"Einsparungen, was das aufgeblähte Personal im Konsistorium betrifft.Der Rotstift sollte was das Personal anbetrifft, nicht das Bischofsbüro aussperren.Verabschiedung vom Beamtentum, Fahrer abschaffen,Mittelklasse PKw sich zu wenden.Pfarrwohnungen und Pfarrhäuser entsprechend zu aktuellem Mietzins vermieten.Die Kirche unterliegt keinem Modetrend, der wechselt.Gläubige identifizieren sich mit der Kirche, hier Kirchengemeinden, mit denen sie sich verbunden fühlen, beheimatet sind.Sie Familienkirchen , von der Taufe, über Konfirmation, Trauung bis zur Beerdigung für die Familie sind. Gemeindeglieder möchten nicht alle ein paar Jahre ein neues Gesangbuch...Dem Volk, hier Kirchenvolk auf`s Maul schauen, hier Reformator Martin Luther, sollte das Konsistorium beherzigen.Es ist nicht alle gut, was in der EKBO angedacht, umgesetzt wird.Kirchernmitgliedsaustritte zu Hauf belegen dies.
3. "Kontrast könnte nicht größer sein" Wolfgang Banse Die evangelische, protestantische Kirche sollte eindeutig Stellung, Position beziehen, wo sie steht im Bezug was die AFD betrifft.Lippenbekenntnisse sind nicht gefragt, sind fehl am Platz.Die Kirchen sollten sich intensiv beteiligen Ausländerfeindlichkeit, im Bezug:"Suchet der Stadt Bestes" Das Wächteramt, welches die Kirchen inne haben, sollte zum Vorschein kommen, im Bezug Antisemitismus, Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit,Behindertenfeindlichkeit.Aus der jüngsten deutschen Geschichte, hier 1933 bis 1945 sollten Lehren gezogen werden.Die Kirchen sind KPÖR, dieses sollten sie leben, erfahrbar werden lassen, im Bezug AFD. In drei neuen Bundesländern finden 2024 Landtagswahlen statt.Beide Amtskirchen sollten ein gemeinsames Wort zu den jeweiligen anstehenden Landtagswahlen herausgeben, im Hinblick auf die AFD.Flagge,Gesicht zeigen,wo für die Kirche, die Kirchen im Jahr 2024 stehen.

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