Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

"Nimm selber deine Verantwortung wahr"

Der Theologe Wolfgang Huber über Dietrich Bonhoeffer

Wolfgang Huber mit einer Bronze-Büste von Dietrich Bonhoeffer in seinem Haus in Berlin. Foto: Jürgen Blume/epd

epd-Gespräch: Michael Grau

Frankfurt a.M. (epd). Am 9. April jährt sich zum 75. Mal der Todestag des evangelischen Theologen und Nazi-Gegners Dietrich Bonhoeffer (1906-1945). Er wurde im Konzentrationslager Flossenbürg nördlich von Regensburg erhängt, weil er sich am Widerstand gegen Hitler beteiligt hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Bonhoeffer durch seine Bücher und Briefe zu einem der am meisten zitierten Theologen in Deutschland. Über Bonhoeffers Bedeutung sprach der Evangelische Pressedienst (epd) mit dem früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), dem Theologieprofessor und Bonhoeffer-Experten Wolfgang Huber.

epd: Dietrich Bonhoeffer ist der bekannteste evangelische Theologe des 20. Jahrhunderts. Was macht ihn so besonders?

Huber: In meinen Augen ist der Hauptgrund, dass wir bei ihm in einer ungewöhnlichen Weise eine Einheit von Leben und Glauben und von Lebensgeschichte und Theologie vor uns haben. Er ist bekannt als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Er ist anerkannt als Märtyrer, der um seines Glaubens und seiner Gewissensüberzeugung willen gestorben ist. Und er ist bekannt als einer, der zur Zivilcourage ermutigt und befähigt. Das hat dazu geführt, dass viele Menschen auch in schwieriger Situation sich an ihn gehalten haben und auch heute an ihm orientieren.

epd: Sie haben einmal gesagt, Bonhoeffer sei eine Art evangelischer Heiliger. Dafür gab es viel Kritik. Stehen Sie noch dazu?

Huber: Ja, ich bleibe grundsätzlich dabei. Ich muss aber zugeben, dass es im evangelischen Bereich nicht durchsetzbar ist, ein Verständnis von Heiligen zu entwickeln, wie es dem evangelischen Bekenntnis entspricht. Im evangelischen Verständnis ist ein Heiliger derjenige, der für uns zum Vorbild im Glauben werden kann. Nur in diesem Sinn habe ich von Bonhoeffer als einem evangelischen Heiligen gesprochen.

epd: Ihr Buch über Bonhoeffer trägt den Titel "Auf dem Weg zur Freiheit". Ist Freiheit aus Ihrer Sicht das zentrale Thema von Bonhoeffer?

Huber: Es ist jedenfalls ein ganz zentrales Thema. Der Titel ist ein Zitat, nämlich die Überschrift eines Gedichtes aus seiner Gefängniszeit. Und seine Ethik macht ganz klar, dass die Zusammengehörigkeit von Bindung und Freiheit für ihn das Wesen der christlichen Existenz ausmacht.

epd: Ist Bonhoeffer ein Liberaler?

Huber: Nicht in dem Sinn, in dem wir heute den Liberalen verstehen. Bonhoeffer war zunächst kein in der Wolle gefärbter Demokrat. Er ist noch in der Zeit des Kaiserreichs geboren und aufgewachsen. Er hat die Zeit der Weimarer Republik mit all ihren Abgründen erlebt. Und er war dann ein Opfer einer Diktatur. Eine gefestigte Beheimatung in der liberalen Demokratie war nicht die Wirklichkeit, in der er aufwuchs und lebte. Und er war auch kein Liberaler in dem Sinn der Freizügigkeit, der Distanz zu allen Regeln. Seine Auffassung war, dass Menschen Regeln, Prinzipien, klare Grundorientierungen brauchen, aber dass sie diese Orientierungen aus eigener menschlicher Freiheit wählen und bejahen. Insofern war er nah an einem Begriff von Liberalität im Sinn der menschlichen Autonomie.

epd: Heute beschäftigen uns wie zu Bonhoeffers Zeiten wieder verstärkt Judenhass und Antisemitismus. War Bonhoeffer immun gegen Antisemitismus?

Huber: Ja, das kann man eindeutig feststellen. Er wuchs in einer Atmosphäre auf, in der Menschen jüdischer Herkunft für ihn selbstverständlich Freunde, Partner, Glieder befreundeter Familien waren. Er war von Anfang an immun gegen den Rassen-Antisemitismus der NSDAP. Das ging so weit, dass er im Jahr 1933 der erste war, der die ganz frühen Maßnahmen des Hitler-Regimes gegen die Juden bereits als ein Thema des Glaubens und des Gewissens verstand und von seiner Kirche erwartete, dass sie dazu vom ersten Augenblick an ganz klar Stellung nahm. Leider wurden seine Erwartungen bereits im Jahr 1933 enttäuscht.

epd: Kritiker beobachten zurzeit, dass rechtspopulistische Kreise und Politiker den deutschen Widerstand und auch Bonhoeffer für ihre Zwecke in Anspruch nehmen: Der Widerstand gegen die NS-Diktatur werde bisweilen mit deren eigener Rolle in der heutigen Gesellschaft verglichen. Wie beurteilen Sie das?

Huber: Falls jemand die eigene Rolle heute mit dem Widerstand gegen die NS-Diktatur vergleicht, hat er den Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur nicht verstanden. Er missbraucht die Autorität Bonhoeffers für Zwecke, die mit dessen Leben und Theologie nichts zu tun haben. Denn Bonhoeffer hat sich für die Würde und die gleichen Rechte aller Menschen eingesetzt. Er hat dem Antisemitismus widerstanden und dabei hervorgehoben, dass Jesus Jude war. Jede Art von Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit lag ihm völlig fern.

epd: Was ist aus Ihrer Sicht die Botschaft Bonhoeffers für uns heute?

Huber: Die Botschaft heißt: Nimm selber deine Verantwortung aus Glauben wahr. Verstecke dich nicht hinter anderen Autoritäten. Nimm die Situation genau wahr und vertraue darauf, dass das Gebot der Liebe zu Gott, zum Nächsten dir zeigen wird, welchen Weg du gehen sollst.

Artikelkommentar

Artikelkommentar
captcha
Bitte tragen Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe in das Feld ein.
Hinweis: Die von Ihnen ausgefüllten Formulardaten werden lediglich für die Zwecke des Formulars genutzt. Eine andere Verwendung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Artikelkommentare

(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

Hier gelangen Sie zur Übersicht über alle Kommentare.