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ÖRK sollte klare Ansagen machen

Christof Theilemann im Interview zur 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK)

21 bunte Schiffe segeln nebeneinander über eine Briefmarke: Zur Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe ist eine 160 Cent Sonderbriefmarke erschienen. Foto: Christine Suess-Demuth/epd

Vom 31. August bis zum 8. September findet in Karlsruhe die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) statt. Mehr als 4000 Teilnehmende aus 352 Kirchen und 120 Staaten der Erde werden zur weltweit größten Zusammenkunft von Christinnen und ­Chris­ten erwartet. Mit dabei ist Christof Theilemann, Direktor des Berliner Missionswerkes, dem Ökumenischen Zentrum der EKBO. Im Gespräch mit ­Sibylle Sterzik spricht er über Freude an der Christenfamilie, nötige Kritik und Antisemitismus.

Herr Theilemann, Sie waren in Ihrer Jugend als Steward, als ­ehrenamtlicher Konferenzhelfer, bei einer Vollversammlung mit dabei. Wann war das und wie haben Sie dieses Treffen erlebt?

Ich war Steward bei der Zentralausschusssitzung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) 1981 in Dresden. Für mich als Jugendlicher, der in der DDR aufgewachsen ist, war das ein tolles Erlebnis: Dort traf sich die Jugend der Welt. Ökumene habe ich als etwas unglaublich Ermutigendes erlebt, die emotionale Erfahrung einer weltweiten Familie. 

Hat das nachhaltig auf Sie­ ­gewirkt?

Unbedingt! Mit vielen der Menschen, die ich dort getroffen habe, schrieb ich mich jahrelang. Mit einigen stehe ich noch heute in Kontakt. Das hat mein Weltbild verändert. Dort erlebte ich Christentum als etwas Befreiendes über Grenzen und Mauern hinweg. Das trägt für mich den Gedanken der Ökumene. Sie ist nicht tot. Es gibt immer eine Chance.

Kann man sich die Vollversammlung wie einen großen ökumenischen Weltkirchentag vorstellen?

Auf jeden Fall. Es ist natürlich für die einzelnen Gruppen unterschiedlich. Die Delegierten arbeiten ein straffes Programm ab. Aber die emotionale Chance, die in der Begegnung liegt, sollte man unbedingt nutzen und wird allen Teilnehmenden Auftrieb geben. Begegnung ist immer eine Chance. Sie wird die Christenheit voranbringen. 

Es kommen viele Menschen ganz unterschiedlicher Glaubens­traditionen zusammen.

Schon als Steward lernte ich die Stärken der anderen kennen. Mitzuerleben, wie andere Konfessionen Gottesdienst feiern – als jemand, der in einem Land hinter der Mauer aufgewachsen ist – war toll. Ökumene verändert und bereichert einen selber. Ich habe bis heute eine besondere Beziehung zur anglikanischen Kirche. Im Urlaub besuche ich den katholischen Gottesdienst. Da merkt man: Die Gedanken sind frei. Auch wenn bei Verhandlungen juristische und theologische Hemmnisse spürbar sind. Eine Chance für ein gutes Miteinander gibt es immer.

Die Welt steht vor großen Herausforderungen. Auch die Vollversammlung wird sich dem stellen. Welche aktuellen Themen werden die Delegierten diskutieren?

Es geht um das Thema Ethik, ökonomische Ungleichheit, die Klimafrage, den Ost-West-Konflikt, die Friedensethik, den Krieg in der Ukraine. Das Menschenrechtsthema gehört immer zu den Diskussionspunkten des ÖRK. Auch zur globalen Krise der Demokratie muss sich der ÖRK verhalten. Sicherlich wird über den Nahost-Konflikt gesprochen. Und über die Themen, die auch bei uns obenauf liegen: Rassismus, Postkolonialismus, Politik, ­Umgang mit den Pfingstkirchen, ­sexuelle Diversität und sexualisierte Gewalt. Bei so vielen Themen muss man aufpassen, dass jedes genug Raum bekommt. Das Tagungsmotto „Die Liebe Christi eint und versöhnt die Welt“ ist das Dachthema, unter dem alles diskutiert wird. Liebe finde ich ein tolles Stichwort. 

Wo erhoffen Sie sich klare ­Ansagen des Weltrates der Kirchen an die Welt?

Der ÖRK hat die Chance, Position zu beziehen. Die drei großen Themen im Vordergrund sind für mich Klimagerechtigkeit, der Ukraine-Krieg und der Nahost-Konflikt. Da erhoffe ich mir klare Ansagen. Auch wenn eine Abstimmung bei so vielen Delegierten aus allen Teilen der Welt nicht einfach ist – denn es herrscht seit 2006 das Konsensprinzip. 

Wird es eher Einzelbeschlüsse geben oder eine große Erklärung?

Die Vollversammlung 2013 in südkoreanischen Busan verabschiedete beispielsweise eine Erklärung zu Mission und Evangelisation. Aber es gibt auch immer einzelne Resolutionen zu Themen. Das hängt sehr davon ab, wie gut die Vorlagen für die einzelnen Gruppen vorbereitet sind. Der Weltrat will keine der Orthodoxen Kirchen verlieren, die eine wichtige Rolle im ÖRK spielen, aber er muss klar Stellung nehmen zum Ukraine-Krieg. 

Die Teilnahme der Russisch-­Orthodoxen Kirche hat im Vorfeld für Kontroversen gesorgt. Patriarch Kyrill und Kirchenvertreter, die Putin unterstützen, dürfe keine Bühne gegeben werden, so die ­Kritiker. Wie denken Sie darüber?

Hier ist es wichtig zu unterscheiden zwischen den Menschen in der Russisch-Orthodoxen Kirche und den leitenden Vertretern, die Stellungnahmen pro Putin abgegeben haben. Ich finde, der ÖRK muss ­diesen menschenrechtswidrigen ­Aggressionskrieg klar verurteilen. Für einen Ausschluss der Russisch-Orthodoxe Kirche aus dem ÖRK würde ich mich aber nicht aussprechen. Mein Vorschlag wäre, über eine ­Suspendierung nachzudenken. So würde man ein klares Zeichen setzen, aber das Gespräch nicht komplett abbrechen. 

Teilnehmen wird auch eine chinesische und eine taiwanesische ­Delegation. Erhoffen Sie sich eine Chance für einen Dialog?

Es ist eine große Chance! Die Gäste aus beiden Ländern sprechen die gleiche Sprache. Auch wenn die Voraussetzungen, mit denen beide Seiten ins Gespräch gehen würden, sehr unterschiedlich sind. Ob es zu einer Begegnung kommen wird, vermag ich nicht zu sagen. Aber ich bin immer dafür, ­Gesprächs-kanäle offenzulassen. 

Der Ökumenische Rat der Kirchen wird immer wieder mit Antisemitismus in Verbindung gebracht. Wie kommt es zu diesem Vorwurf und wie beurteilen Sie diesen?

Es ist schwer zu sagen, wie es zu diesem Vorwurf kommt. Unsere ­palästinensische Partnerkirche ist Mitglied im ÖRK. Die palästinensischen Christen möchten natürlich auf ihre Probleme aufmerksam machen. Und viele Mitgliedskirchen des ÖRK ­wollen sich stärker für sie einsetzen. Die Menschenrechte dürfen nicht hinten runterfallen. Das ist für mich kein Antisemitismus. Und ich habe bisher den Weltkirchenrat auch nicht als antisemitisch erlebt. Allerdings haben wir als Deutsche eine besondere Verantwortung gegenüber dem jüdischen Volk. So steht es in der Grundordnung der EKBO, Artikel I,12. Die Kirche hat Mitschuld an der Ausgrenzung und Vernichtung jüdischen Lebens. Und nimmt besonderen Anteil am Weg des jüdischen Volkes. Beidem, der Beziehung zur palästinensischen Partnerkirche und der zum jüdischen Volk müssen wir uns stellen. 

Wie ist das machbar? 

Als Berliner Missionswerk setzen wir uns zum Beispiel mit Talitha Kumi, unserer renommierten deutschen evangelischen Schule in Beit Jala im palästinensischen Autonomiegebiet, für Bildung und Toleranz und damit für den Frieden ein. Christliche und muslimische Schülerinnen lernen dort gemeinsam. Aber ich betone, und ich denke, das tut auch der ÖRK: Wir haben keine ­Konfliktlösungskompetenz für den Nahen Osten. Das ist Sache der Israelis und Palästinenser. Und die Sache derer, die dort vermitteln können. 

Bleibt nur, sich herauszuhalten?

Nein. Das heißt nicht, dass wir schweigen. Bildung ist wirklich ein Weg, um Menschen in Palästina dazu zu verhelfen, selber Position zu ­beziehen. Denn letztendlich müssen die Menschen dort das Problem lösen. Wir sollten das Selbstbestimmungsrecht der Menschen auf palästinensischer als auch auf israelischer Seite anerkennen. Und nicht so tun, als könnten wir die Situation angemessen zu beurteilen. Auch der ÖRK wäre gut beraten, die Dinge differenziert zu sehen. 

Der Vorwurf des Antisemitismus wird mit dem Argument verbunden, der ÖRK habe eine Nähe zum BDS, „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“. Diese politische Kampagne ruft unter anderem zum Boykott Israels und zum Ende der Besatzung auf. Ist da etwas dran?

Dafür kenne ich die Positionen der einzelnen Vertreter im ÖRK nicht gut genug. Wir haben dazu als Landeskirche eine klare Haltung: Boykott durch deutsche evangelische Christen geht gar nicht. Dazu hat die EKBO-Synode eine gute Erklärung zum Kairos-Palästina-Dokument (2009) verabschiedet. In dem Aufruf palästinensischer Christen geht es um deren Lage in den Autonomiegebieten. Ich weiß, in anderen Kirchen wird das anders gesehen. Diese muss ich dann um Verständnis bitten, dass wir hier eine besondere Verantwortung haben. Also keinen Boykott. Und den Begriff Apartheid möchte ich auch nicht verwenden.

Soll wirklich auf der Vollversammlung der Staat Israel als Apartheidstaat verurteilt werden?

Ich weiß nicht, was im Einzelnen als Vorlage in die Gruppen gegeben wird. Einige betreiben für eine ­solche Formulierung Lobbyarbeit. Aber die Frage ist doch: Wird man dem ­Interesse der palästinensischen Menschen gerecht, wenn man solche Begriffe vor sich herträgt? Ich denke nicht. 

Ist dennoch ein kritisches Wort zur Besatzung und zu einzelnen politischen Maßnahmen erlaubt?

Natürlich. Wir sprechen in unseren Veröffentlichungen auch von Besatzung. Aber wir müssen unterscheiden zwischen Urteilen und Richten. Letzte Urteile können wir in dieser Welt nicht abgeben. Entscheidend ist für mich, was die Partner auf beiden Seiten sagen. Wir dürfen nicht „über“ die Partner reden oder meinen, wir wüssten besser, wie die Dinge behandelt werden sollen. Da würde ich mir von allen, die jetzt einen Begriff wie Apartheid vor sich hertragen, ein bisschen mehr ­Zurückhaltung wünschen. 

Sie reisen auch nach Karlsruhe. Was werden Sie dort machen?

Ich bin kein Delegierter und nehme also nicht direkt an der Vollversammlung teil. Das wird Pröpstin Dr. Christina-Maria Bammel als Delegierte tun. Für mich ist es eine gute Gelegenheit, die Partner:innen zu treffen, die als Delegierte teilnehmen. Dabei können wir die Perspektiven der Partnerschaft besprechen und uns über die Situation der Partnerkirchen austauschen. Die Vollversammlung bietet dafür ein tolles Forum und einen geschützten Raum.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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