Das Dilemma mit dem Verpachten
Hecken als heimliche Wahrzeichen der Artenvielfalt? Am 22. Mai wird der Tag der Biodiversität international begangen. Kirchengemeinden sind bisweilen mitten in Zielkonflikten zwischen Ökonomie, Ökologie und Sozialethik, wenn sie Kirchenland verpachten. In der Prignitz hatten die Landwirtschaftsexperten des Kirchenkreises eine pfiffige Idee.
Von Uli Schulte Döinghaus
„Es gibt kaum eine Klimaschutzmaßnahme im Agrarbereich, mit der auf so wenig Fläche so viel Effekt erzielbar ist.“ So zitiert die Bauernzeitung den Agrarwissenschaftler Axel Don. Und der meint damit Hecken. Sie schützen den Acker vor Winderosion und haben eine kühlende Wirkung. Hecken auf Ackerland sind eine Heimstatt für Brutvögel, und sie dienen der Arterhaltung von vielerlei Insekten. Das heimliche Wahrzeichen der Biodiversität könnte mithin eine schnöde Haselnusshecke sein.
Nach so viel Lobgesang auf gewöhnliches Strauchwerk sollte allen, die mit kirchlichem Pachtland zu tun haben, klar sein: Hecken müssen her, um unsere Schöpfung dauerhaft zu bewahren. Ludwig Seeger, ein engagierter Christ, macht gerade andere Erfahrungen. Seeger ist in Börnicke bei Bernau Gemüsegärtner und Direktvermarkter. Zudem ist er Mitbegründer des Bürgerguts Börnicke, einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, die Produkte in Bioqualität anbietet. Dafür hat sie auch Kirchenland der Kirchengemeinde Sankt Marien zu Bernau angepachtet. „Unser junges landwirtschaftliches Unternehmen möchte hier ein Heckensystem errichten, und ich wünsche mir von unserer Landeskirche, dass sie dieses Heckensystem als Bereicherung ansieht. Nicht als einen Wertverlust ihres Ackerbodens, sondern als wichtigen Beitrag zur Bewahrung unserer Schöpfung.“ Dieses Plädoyer für angewandten Arten-, Klima- und Bodenschutz gab Seeger vor anderthalb Jahren auf der Facebook-Plattform der EKBO. Mit der Bernauer Kirchengemeinde als Verpächterin waren die Bürgergut-Genossen schnell einig: Hecken gehen klar!
Vorbehalte gegen Hecken
Aber es gab und gibt Einwände, Hinweise und Vorbehalte in anderen kirchlichen Instanzen. Etwa aus dem zuständigen Kirchlichen Verwaltungsamt oder dem beratenden Grundstücksreferat im Konsistorium. „Wir befürworten grundsätzlich Naturschutzmaßnahmen dieser Art, weisen allerdings auch auf mögliche Zielkonflikte. Hecken können den Wert der Fläche mindern, weil sich dort, wo sie wachsen, die Produktionsfläche vermindert. Außerdem sind sie langlebig, stehen unter besonderem Schutz und benötigen regelmäßige Pflege“, so Martin Czarnowski, Referent für Forst- und Landwirtschaft im Konsistorium.
Die Genossenschaft und ein von ihr beauftragtes Dienstleistungsunternehmen – so ungefähr beschreibt Genossenschaftsbauer Seeger das Dilemma – sollen für mögliche Wertverluste bei einem eventuellen Verkauf des Kirchenlandes geradestehen. Konsequenz: Fürs erste wird es keine Hecken auf dem Bernauer und Börnicker Kirchenland geben. Seegers Genossenschaft wird auf dem kirchlichen Pachtland keine Sträucher und Büsche anpflanzen.
So wird am Beispiel der Allerweltspflanze „Hecke“ einer dieser Zielkonflikte deutlich, mit denen es auch die evangelischen Christ*innen unter dem Dach ihrer Landeskirche zu tun haben. Es gilt auch, das Vermögen der Kirche ökonomisch zu bewahren und zu vermehren, um Seelsorge, Gemeindediakonie und Verkündung in Stadt und Land finanziell abzusichern, zumal in Zeiten des Mitgliederschwunds. „Der Begriff ‚Nachhaltigkeit‘ setzt sich zusammen aus Ökonomie, Ökologie und dem sozialen Bereich. Bei der Verpachtung von Land muss jeder dieser Punkte berücksichtigt werden“, sagt Martin Czarnowski, der studierter Forstwissenschaftler ist.
Alle Kirchengemeinden in der EKBO zusammengenommen, seltener auch Kirchenkreise und die Landeskirche selbst, verpachten schätzungsweise zwischen 20000 und 40000 Hektar Pachtland, teils Acker, teils Grünland. Ein Hektar Kirchenland kann zurzeit – je nach Bodenqualität – durchschnittlich um die 207 Euro erlösen. Fast jeder dritte erlöste Pacht-Euro wird zum Zwecke des Finanzausgleichs zwischen den Gemeinden in den Kirchenkreis „hoch“gereicht. Pachtpreise schießen zwar ins Kraut, klagen Landwirte. Aber Verpächter von kirchlichem Bodenland nehmen an Spekulationen mit dem aktuellen Boden-Boom nicht teil, heißt es übereinstimmend aus mehreren Brandenburger Regionen.
Dafür werden die Kirchengemeinden anspruchsvoller und sensibler, wenn es um Pachtverlängerung oder Neuverpachtung geht. Viele nehmen Empfehlungen und Musterverträge zur Grundlage von Verhandlungen, die von evangelischen Umwelt- und Naturschützern, aber auch praktizierenden Landwirten wie Ludwig Seeger, für die EKBO erstellt und vom Umweltbüro mitentwickelt wurden.
„In den Pachtverträgen wird uns immer häufiger vorgeschrieben, was auf den Flächen erlaubt ist und was nicht. Es geht also um die Düngung, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und die Art der Bewirtschaftung.“ Das kritisierte jüngst die Nauener Landwirtin Stefanie Peters, über deren Wahl zur Vorsitzenden der Landfrauen im Havelland die „Märkische Allgemeine“ berichtete. Man sei nun mit Vertretern der Kirche übereingekommen, so Peters, sich regelmäßiger zu treffen, um Unklarheiten zu beseitigen und offene Fragen zu besprechen.
Verpachtung an Demeterbetrieb statt für Biogasanlage
Genau dafür haben Pachtexperten im Kirchenkreis Prignitz eine Kirchenlandtour erfunden, die sie kürzlich erstmals – und sehr erfolgreich, wie es hieß – durchführten. Prignitzer Kirchengemeinden verpachten insgesamt 4241 Hektar Land, was etwa der Ausdehnung der Stadt Wittenberge an der Elbe entspricht.
Umweltausschuss und Pachtausschuss im Kirchenkreis Prignitz gelten als innovativ und durchsetzungsfähig. Gegen erheblichen Widerstand setzten sie vor drei Jahren die Verpachtung von 50 Hektar Ackerland an einen ökologischen Demeterbetrieb durch und ließen den Vertrag mit einem Biogaserzeuger auslaufen, der weithin Mais als Monokultur anbaute. Die Agrarfabrik ließ zwar Rechtsanwälte anrücken – aber die beteiligten Verpächter aus der Kirchengemeinde blieben standhaft. An diese Beharrlichkeit in den Diensten einer schonenden Bewirtschaftung erinnert der pensionierte Tierarzt Detlef Guhl gern. Unter seiner Leitung war der achtköpfige Pachtausschuss im Rahmen der Kirchenlandtour zu Besuch bei Pachtbetrieben in Kunow, Göricke und Vehlow. Bei Kaffee, Kuchen oder auch hofeigenen Bratwürsten und Kaltgetränken wurde über die Verlängerung von Pachtverträgen gesprochen. Die Regeldauer sind sechs Jahre. Themen waren auch die die Zusammenlegung von Kleinstgemeinden in der Prignitz und die Planungen zu Hecken-Gehölzen, die als Erosionsschutz in Kunow und Vehlow in der Prignitz ähnlich wie in Bernau erwogen werden.
„Wir wollen die Kirchenlandtour im Norden und im Osten der Prignitz unbedingt wiederholen“, sagt Rouven Obst, ehrenamtlicher Lektor und Mitglied im Pachtausschuss sowie Mitorganisator der Kirchentour. Das Gespräch zwischen Pächtern, Kirchengemeinden und Experten des Kirchenkreises sei sehr wichtig zum gegenseitigen Verstehen gewesen, so Rouven Obst, der selbst als Landwirt einige Hektar Boden beackert.