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Quelle für seelische Kraft

Die neue Kreativität des Singens

Von Cornelia Ewald

„O welche Lust in freier Luft den Atem leicht zu heben“ - so singen die Gefangenen in der Oper Fidelio von Ludwig van Beethoven, als sie zum Aufatmen in den Gefängnishof geführt werden. Der andere, vielleicht noch bekanntere Gefangenenchor stammt aus der Oper Nabucco von Giuseppe Verdi. Die Hebräer, gefangen in Babylonien, beklagen die Ferne der Heimat und rufen Gott um Hilfe an (Psalm 137). Nach der Uraufführung am 9. März 1892 in der Mailänder Scala wurde „Va, pensiero“ („Flieg, Gedanke“) ­sofort begeistert auf allen Straßen gesungen und gilt seither als heim­liche Nationalhymne Italiens und Ausdruck des Freiheits- und Unabhängigkeitswillen der ­Italiener jener Zeit. 

Nicht verwunderlich, dass Verdis Chor in einem der ersten und tausendfach geklickten Videos mit dem Zusammenschnitt der in häuslicher Quarantäne singenden Opernsänger zum Sinnbild des Durchhaltewillens der Menschen in Italien und zur Würdigung der Kranken, der Toten und der Helfer während der Krise wurde. Singen in Gemeinschaft stärkt die Entwicklung und Stabilisierung gesundheitsfördernder Struk­turen. Die Ambivalenz, dass ausgerechnet der lebensspendende Atem nicht frei geholt und in Form von Tönen ­gefahrlos abgegeben werden kann, ist schwer zu ertragen. Denn Singen im wertschätzenden Kontext eines gut geführten Chores ist Quelle für innere Sicherheit, Zufriedenheit und seelische Kraft. Mit der im Chor erprobten Selbstwirksamkeit steigt unser Vermögen, die Herausforderungen einer Krise anzunehmen und gestärkt daraus hervorzugehen.

In ungeheurer Kreativität sind deshalb vielfältige bewegende Angebote und Aktionen entstanden. Not macht bekanntlich erfinderisch und in der Isolation wachsen schöpferische Kräfte. Die sorbischen/wendischen Ostersängerinnen verkündeten auch in diesem Jahr die frohe Botschaft der Auferstehung im Morgengrauen singend in den Straßen ihrer Dörfer – mit gebotenem Abstand. So lässt es sich auch vor Altenheimen gegen die Einsamkeit an­musizieren und Solidarität mit den Betroffenen zeigen. So manches zu Hause eingespielte Lied erreichte über den Facebook-Account der EKBO allabendlich eine Fan-­Gemeinde. Aufgezeichnete oder gestreamte Gottesdienste bieten uns ein Stück Ausgleich für die gewohnte Realität. Kann die wertvolle Inter­aktion von Mensch zu Mensch ­technisch ersetzt werden?

Die digitale Chorprobe über eine Meetingplattform bietet sozialen Kontakt ohne physischen Kontakt. Zur Chorprobe am heimischen PC oder Laptop können bereits bekannter Werke aufgefrischt und leichte bis mittelschwere neue Werke einstudiert werden. Auch Stimmbildung ist gut möglich – da Singen hauptsächlich Muskelarbeit ist, muss regelmäßig trainiert werden und das kann auch virtuell angeleitet werden. Es kostet allerdings Über­windung, sich einem Gerät allein mit seiner Stimme zu stellen. 

Und es fehlt das Spezifische des Chorsingens: das gute Gefühl beim gemeinsamen Einatmen, die Sänger*- innen rechts und links neben einem, die mich „mitziehen“, der Klang aus vielen Kehlen und Herzen, der Musik lebendig macht. Aber die vertrauten Gesichter zu sehen und der belebende Austausch vor und nach dem Singen zu lauschen, haben mich persönlich sehr berührt. Ich spüre jetzt besonders, um wie viel ärmer unser Leben ohne Singen im Chor ist.

Zum Sonntag Kantate möchte ich daher alle darbenden Sänger*innen zum zweiten Mitsing-Projekt über Youtube einladen. Meine Kollegin Christiane Hrasky und ich haben uns für den Kanon mit Motiven aus der Arie „Er weidet seine Herde“ aus dem Messias von Georg Friedrich  Händel entschieden und hoffen ­natürlich auf baldiges „frisches ­Wasser“ im übertragenen Sinne. Und verschiedene digitale Einsingen für Chöre und Tutorials zum Erlernen von noch unbekannten Liedern unseres Gesangbuches sind in Arbeit. 

Virtuell zusammen singen macht Freude, kann aber niemals in Konkurrenz zum gemeinsamen Singen live treten. O welche Lust wird es bereiten, den Atem mit Vertrauen und ohne Angst neu zu heben, uns nicht leise zurückzuhalten, welch Glück.

Cornelia Ewald ist Landessingwartin der EKBO. Möglichkeiten zum Mit­singen:
www.kirchenmusik-ekbo.de/ueber-uns/landessingwartin/mitsingen.html

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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