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Rebell im Talar

Die Umweltbewegung „Extinction Rebellion“ will, dass die Menschen der nahenden Katastrophe ins Auge sehen. Ihr hat sich auch der Nürnberger Pfarrer Thomas Zeitler angeschlossen.

Extinction Rebellion Pfarrer
Foto: Garnet Könning

Von Jutta Olschewski und Jasmin Kluge

Die Klimaaktivisten der „Extinction Rebellion“ (Rebellion gegen das Aussterben) arbeiten mit drastischen Mitteln. Sie legen sich auf die Straße und stellen sich tot, verwenden bei ihren Aktionen Tierknochen oder Kunstblut, färben Wasser in Brunnen. Gewalt aber lehnen sie ab. Zu dieser Bewegung, die sich XR abkürzt, bekennt sich der Nürnberger Pfarrer Thomas Zeitler. „Wir stellen uns gegen das Business as usual“, sagt der große Mann mit Brille, die langen grauen Haare zu einem Zopf zusammengebunden. Er hat XR bei Freunden in England kennengelernt, war im Oktober bei einer Blockade in Berlin-Tiergarten dabei, über die die Medien viel berichteten. Im April hat der 47-Jährige vor dem Nürnberger Rathaus bei einem Trauermarsch von XR eine Trauerrede gehalten – im Talar.

„Die Klimaforscher sagen uns, dass es tatsächlich lebensbedrohend wird, wenn wir unseren Lebensstil und unsere Wirtschaft nicht umsteuern“, erklärt Zeitler. Die wissenschaftlichen Tatsachen seien vielleicht in den Köpfen der Menschen, aber noch nicht in ihren Gefühlen angekommen. Und hierfür will XR sorgen. „Uns drohen große Katastrophen“, stellt der Pfarrer fest, „aber die müssen wir uns anschauen und dürfen uns nicht lähmen.“

„Weil es um Leben und Tod geht“, hat für den Theologen Zeitler das Thema ganz klar auch eine religiöse Dimension. Und es passt zu seinem bisherigen Aufgabenfeld. Zeitler ist in Nürnberg Pfarrer der Lorenzer-Laden-Gemeinde (LoLa). Die befasst sich mit Fairem Handel, den Themen Frieden, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. „Wir sind politisch aktiv und sehr fromm“, beschreibt Zeitler die Gemeinde, „der Glaube schwebt nicht in einer anderen Welt.“ Christen könnten sich nicht raushalten.

Der Pfarrer drängt daher, die Klimathemen mehr in die Kirche reinzuholen und christliche Antworten zu suchen. „Wir sind da als Kirche noch nicht gut aufgestellt“, kritisiert er. Leute würden der Kirche nicht wegen langweiliger Predigten weglaufen, sondern wenn sie lebenswichtigen Themen, die die Menschen bewegten und berührten, keinen Raum geben, befürchtet er. Dass er mit seinem Engagement für XR in seiner Kirche anecken könnte, denkt Zeitler nicht: „Wenn sie das nicht verträgt, dann bin ich da falsch“, sagt er mit einem breiten Lächeln.

Es gibt Kritiker, die werfen XR vor, sie würden einer Sekte ähneln, die apokalyptische Endzeitängste schürt. Zeitler widerspricht: Das würde der Klima-Aktion ja unterstellen, Ängste für einen irrationalen Zweck zu instrumentalisieren. Es gehe aber bei XR darum, auf die „riesige Verdrängungsleistung“ der Menschen hinzuweisen. Er räumt ein, in der Bewegung „tummeln sich viele“. Manche hängen sich an Schamanismus, andere an Naturreligionen. Und er selbst sei bei den Aktivisten als Pfarrer und könne als Seelsorger wirken oder sein Wissen über den Umgang mit Ängsten einbringen.

„Es geht nicht darum, Asket zu sein und im Kratzehemd im Freien zu schlafen“, stellt Zeitler klar. Ob der Einzelne auf das Fliegen, Fleisch oder den SUV verzichte, sei irrelevant. Die Menschheit müsse dagegen insgesamt einen Lebensstil finden, der eine hohe Qualität habe, aber dennoch weniger klimaschädliche Gase produziere und den Tieren nicht den Lebensraum nimmt.  Er selbst hat seit 20 Jahren kein Auto mehr, fährt Fahrrad, isst saisonale und regionale Produkte und fliegt nicht. Aber er ist als Protestant, der zwischendurch gerne einen Döner isst, überzeugt: „Wir müssen nicht sündlos leben.“ 

Pfarrer Thomas Zeitler ist am 26. Februar, 19.30 Uhr in der Kirchen­gemeinde Alt-Pankow zu Gast. Er hält einen Vortrag zum Thema: „Christentum im Klimakollaps. Wie die ökologische Krise den Glauben herausfordert und was Glaube den Aktivist*innen zu bieten hat“. Gemeindehaus, Breite Straße 38, Berlin-Pankow.

Am Samstag, 29. Februar findet zudem in Berlin ein Workshop mit Thomas Zeitler statt, um sich als gewaltfreie christliche Klimaaktion (Christian Climate Action) zu vernetzen. 

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1. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
2. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.
3. Frieden? Gert Flessing Das Wort Frieden ist ziemlich abgenutzt. Nicht erst heute ist das so. Als ein gewisser britischer Premierminister einst in London davon sprach, den "Frieden für unsere Zeit gesichert zu haben", war das den Atem nicht wert, den er verschwendet hat.
Ist es heute besser? Ich hörte irgendwann mal was von einer "europäischen Friedensordnung". Selbst das war eine Illusion.
Und unter uns, im eigenen Land? Man mag in keine Diskussion eintreten, weil viel zu oft die Emotionen über die Vernunft siegen. In unserer Kirche ist es leider nicht sehr viel anders.
Sind wir nur noch Kirche für jene Menschen, die eine "richtige Gesinnung" haben? Wobei ich mehr und mehr daran zweifle, dass es jene Gesinnung sein soll, von der Paulus im Philipperbrief schrieb.
Wie soll da Frieden entstehen?
Aber wenn wir selbst nicht, in unserer Mitte, unter dem Kreuz und in der Hoffnung des leeren Grabes lebend, miteinander in Frieden sein können, wie wollen wir dann der "Welt" dazu helfen?
Viel zu oft, auch da, wo sich Kirche und Politik kreuzen, sehen wir den Splitter im Auge des anderen. Das sollte nicht sein. sonst können wir uns alles, was wir so von Frieden und Mitmenschlichkeit erzählen, sparen.

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