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Riss durch die Orthodoxie

Viele orthodoxe Kirchenobere scheuen klare Aussagen zum Ukraine-Krieg

Symbolfoto: epd, Collage: Remo Pefestorff

Karsten Packeiser (epd)

„Das Jüngste Gericht erwartet jeden Menschen. Keine irdische Macht, kein Arzt und keine Leibwache wird vor diesem Gericht bewahren“, heißt es in einem von mittlerweile mehr als 250 Priestern und Mönchen der russisch-orthodoxen Kirche unterzeichneten Brief. Die Verfasser ­fordern, dass das Volk der Ukraine seinen Weg ohne Druck von außen selbst bestimmen müsse, und wehren sich gegen die Verfolgung von Friedens-Demonstrationen in Russland. „Stoppt den Krieg“, appellieren sie. Doch an der Spitze ihrer Kirche stoßen sie bislang weitgehend auf taube Ohren.

Der Mainzer Ostkirchen-Experte Mihai Grigore sieht in der orthodoxen Kirche prinzipiell eine Kraft, die den Verlauf des von Russland begonnenen Krieges beeinflussen könnte. „Die Orthodoxie ist für Putin auch wichtig“, sagt er. Der russische Patriarch Kyrill sei mehr als eine Marionette Putins, er hätte durchaus Einfluss, wenn er sich klar positionieren würde, glaubt der Wissenschaftler. „Er will aber nicht.“ Auch die meisten anderen orthodoxen Kirchenoberhäupter in der Welt hätten sich bislang nur sehr zurückhaltend zu der Invasion geäußert. Eine klare proukrainische und proeuropäische Stellungnahme habe es vor allem in Rumänien gegeben.

In Deutschland haben sich weder die Orthodoxe Bischofskonferenz, noch die Diözesen der russisch-orthodoxen Kirche bislang öffentlich eindeutig auf die Seite der Ukraine gestellt. Allerdings läuft auch in den russischen Kirchengemeinden die Hilfe für Flüchtlinge. „Besondere Erfahrung mit der Unterbringung von Flüchtlingen haben wir nicht“, räumt der russisch-orthodoxe Metropolit Mark in einer Videobotschaft ein. Trotzdem seien alle in den Diaspora-Gemeinden aufgerufen, mit Spenden, Dolmetscher-Diensten oder Unterkünften zu helfen.

„Ich glaube, dass da ein Riss durch die Orthodoxie geht“, sagt Fridtjof Amling, der als evangelischer Pfarrer lange die deutsche Botschafts­gemeinde in Moskau betreute. Der Krieg gegen das Nachbarland, zu dem die allermeisten Russen persönliche Verbindungen hätten, sei sowohl in Russland selbst als auch in der Diaspora nicht populär. Aber weiterhin gebe es eben auch Menschen, die hinter ihrer Staatsführung stünden. Gerade viele jüngere orthodoxe Priester hätten Angst um den Zusammenhalt ihrer Gemeinden und fühlten sich von ihrer Kirchenleitung im Stich gelassen.

In ihrer eigenen Sozialkonzeption aus dem Jahr 2000 hatte die Russische Orthodoxe Kirche sich selbst Regeln für ihre Rolle in kriegerischen Konflikten gegeben und sich zum Dienst am Frieden bekannt. „Zu diesem Zweck richtet sie ihr Wort an die Machthaber und die anderen einflussreichen Kräfte der Gesellschaft und unternimmt Anstrengungen, Verhandlungen zwischen einander bekämpfenden Seiten zu organisieren sowie den Notleidenden Hilfe zu leisten“, heißt es in dem noch immer gültigen Text. Die Kirche widersetze sich Kriegs- und Gewaltpropaganda und Hass. Gemessen an eigenen Grundsätzen blieb der russische Patriarch Kyrill bislang erstaunlich distanziert. In einer aktuellen Predigt äußerte er zwar den Wunsch nach Frieden, ließ aber offen, was er sich unter einer friedlichen Lösung vorstellt. Auch einen offiziellen Kommentar auf den Protestbrief der orthodoxen Priester gab es aus dem Patriarchat bislang nicht.

In der Ukraine, wo es zwei rivalisierende orthodoxe Kirchen gibt und ein Teil der Gläubigen weiterhin mit dem Moskauer Patriarchat verbunden ist, wandelt sich der Unmut über das Kirchenoberhaupt zu Ungehorsam. Dort wird Kyrill teilweise nicht mehr in der Liturgie erwähnt. Eine „kultische Waffe“ gegen den Patriarchen, sagt der Mainzer Religionshistoriker Grigore. Die Ukraine könnte auch in konfessioneller Hinsicht für Russland komplett verloren gehen.

In der katholischen Deutschen Bischofskonferenz befürchtet man mittlerweile „langfristige geistliche und pastorale Verwerfungen zwischen den Kirchen und ihren Gläubigen“. Der Magdeburger Bischof und Vorsitzende der Ökumenekommission, Gerhard Feige, fordert von der Leitung der Russischen Orthodoxen Kirche eine deutliche Stellungnahme gegen die militärische Aggression Russlands in der Ukraine: „Es darf keine offene oder indirekte Unterstützung oder Legitimierung des russischen Krieges durch religiöse Akteure geben.“

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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