Frau Fromke, die evangelische Grundschule in Pritzwalk ist die erste in der Prignitz. Was bedeutet das für die Region?
Bildungsvielfalt ist immer ein Gewinn. Wenngleich der ländliche Raum in der letzten Zeit an Attraktivität gewonnen hat, gibt es noch Entwicklungsbedarf. Ich denke, es war kein Zufall, dass sich auch die Kommunen und der Landkreis stark für unsere Schulgründung einsetzten.
Das Brandenburger Bildungsministerium hatte den ersten Antrag zur Schulgründung im Juni 2021 abgelehnt. Warum?
Im bundesweiten Überblick ist erkennbar, dass Schulgründungen im Land Brandenburg mit besonderen Anstrengungen verbunden sind. In meiner Wahrnehmung können derzeit durchschnittlich 10 Prozent der Antragsteller eine Genehmigung auf den Weg bringen. Die Anforderungen sind sehr hoch, was sicherlich begründet ist. Auch wenn die Stephanus-Stiftung mit der Waldhofschule Templin bereits ein in Brandenburg anerkannter Schulträger ist, mussten wir antragstechnisch von vorn beginnen.
Die Schüler*innen werden jahrgangsübergreifend und interdisziplinär unterrichtet. Wie kann man sich das vorstellen?
Es gibt zum Glück im Land Brandenburg das Modell der „Kleinen Grundschule“. Dieses wird vor allem kleineren Kommunen gerecht. Jeweils zwei Jahrgänge werden hier zusammengefasst. Diverse pädagogische Konzepte sehen in der Jahrgangsmischung eine große Chance. Im Grunde sind homogene Jahrgangsklassen nur ein theoretisches Konstrukt, was sich in der Praxis hinterfragen lässt. Wir haben uns halt inzwischen nur alle daran gewöhnt. In der Stephanus-Grundschule möchten wir Abläufe stellenweise anders denken.
Welches pädagogische Modell verfolgt die Schule?
Grundsätzlich orientieren wir uns am kompetenzorientierten Lernen. Darüber hinaus inspirieren uns die Achtsamkeitspädagogik, Fragen der Nachhaltigkeit und das sogenannte „4-K-Modell“. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das für uns: kooperatives, kritisches, kreatives, kommunikatives und konzentriertes Lernen.
Freie Schulen werden nur zu etwa 93 Prozent aus staatlichen Mitteln gefördert. Woher kommen die restlichen Mittel?
Schulen in freier Trägerschaft müssen leider Elternbeiträge erheben, um diese Lücken zu decken. Insbesondere die Aufbauphasen erfordern einen großen finanziellen Einsatz.
In vielen Bundesländern greift die Refinanzierung oft erst nach 2 bis 3 Jahren, in Berlin erst nach sechs Jahren. Insofern verwundert es nicht, dass Schulgründungen fast nur noch von großen Trägern realisiert werden können. Die meisten Evangelischen Schulen erheben sozial gestaffelte Elternbeiträge, so dass allen Schüler*-innen der Zugang möglich ist. Diese Norm liegt auch der Stephanus-Grundschule zu Grunde.
Wie wird Christsein in der Schule gelebt und gefördert?
Das christliche Profil differenziert sich immer in eine Innen- und Außenseite. Dort wo sich im Schulkontext Menschen wertschätzend begegnen, offenbart sich schon die Außenseite des evangelischen Profils. Darüber hinaus benötigen wir im Kern auch Rituale und verbindliche Inhalte. In der Stephanus-Grundschule haben wir uns einiges vorgenommen. Ich denke da an monatliche Schulgottesdienste, das Einüben christlicher Lieder sowie feste Rituale, die den Tag begleiten.
Was motiviert Sie, hier Schulleiterin zu sein?
Als Geschäftsführerin der EKD-Schulstiftung habe ich acht Jahre viele sehr gute evangelische Schulen besucht. Da bleibt es nicht aus, dass die Lust, es selbst auszuprobieren, ein steter Begleiter ist. Vor allem das evangelische Profil betrachte ich als Herausforderung. Es gibt nicht viele evangelische Schulen, die das überzeugend leben. Schnell ist es nur ein Anhängsel, das recht und schlecht bedient wird. Oft hängt es an einzelnen Personen, die sich kümmern. Dies ist jedoch nicht sehr weitsichtig gedacht.
Welche Pläne gibt es für die Zukunft der Schule?
Es gibt sehr viele Klippen, die unsere Schule derzeit umschiffen muss. Vor allem der Lehrermangel schlägt sich auch bei uns nieder und wir müssen durch guten Lehr-Raum überzeugen. Derzeit sind wir in einem Übergangsgebäude und hoffen, 2025 in das endgültige Schulgebäude umziehen zu können. Darüber hinaus liegt natürlich auch noch die staatliche Anerkennung vor uns. Doch so weit denken wir derzeit nicht. Wenn man neu beginnt, freut man sich über jeden Tag, der gelingt. Alles wird neu geschöpft. Eine Schulgründung heißt, Wege durch den Dschungel zu schlagen und Neuland zu gewinnen, jedenfalls wenn man den Ehrgeiz hat, Schule etwas anders zu machen.
Die Fragen stellte Constance Bürger.