Von Gunnar Müller (epd)
Konfirmationen sind wichtige Momente des Erwachsenwerdens: Hinter dem Pfarrer schreiten die Jugendlichen durch das Kirchenschiff, die Gemeinde erhebt sich. Omas und Opas blicken stolz auf ihre Enkel, und Orgelmusik erfüllt den Raum. So war es bis zum vergangenen Jahr, als deutschlandweit mehr als 150.000 Jugendliche an den Frühjahrssonntagen eingesegnet wurden.
In Zeiten der Corona-Pandemie ist aber alles anders: Alle Gottesdienste sind abgesagt, und nur wenige Besucher dürfen für einen stillen Moment die Kirchen aufsuchen. Die evangelische Brücke-Gemeinde in Braunschweig hat trotzdem einen Weg gefunden, Jugendlichen die Konfirmation zu ermöglichen: per Video-Schalte ins heimische Wohnzimmer.
Für Ladina Polzin war am Samstag der langersehnte Tag ihrer Konfirmation. Die 13-Jährige zog sich ein neues Kleid an und setzte sich mit einem Liedblatt in der Hand vor den aufgeklappten Laptop ihrer Eltern. Auf dem Monitor erschien dann groß im Bild Pfarrer Sebastian Fitzke. Die Diakonin, die Teamer, der Kirchenvorstand und neun ihrer rund 30 Mitkonfirmanden gruppierten sich dann in kleinen Fenstern auf dem Monitor rund um den Pfarrer herum. Bis zu 50 Laptops konnten sich zuschalten.
Auf dem gedeckten und blumengeschmückten Tisch stellte Mutter Jennifer ein Kreuz auf, das der Pfarrer der Familie zugeschickt hat – die Familie wird zur Gemeinde und die Stube zum Andachtsraum. „Ich hätte meine Konfirmation wirklich lieber in der Kirche gefeiert“, sagt Ladina. Aber niemand wisse, wann das in der Corona-Krise wieder möglich sei.
Der Pfarrer habe auch eine Verschiebung angeboten, in den Spätsommer oder Herbst oder nächstes Jahr, ergänzt Jennifer Polzin. „Die Entscheidung wollten wir Ladina nicht abnehmen.“ Aber andererseits sei es doch auch toll, wenn die Kirche mit der Zeit gehe – und eine große Feier könne ja auch später nachgeholt werden.
Irgendwie näher dran
Pfarrer Fitzke war am Samstag im schwarzen Talar vor seinen Laptop zu sehen. Im Grunde sei es jedoch gar nicht sein Segen, der wichtig sei, sagt der 45-Jährige. „Sondern wir bitten Gott um den Segen.“ Die
Videokonferenz verlief dabei gar nicht anders als ein normaler, feierlicher Konfirmationsgottesdienst. „Wir beten, singen, ich werde eine Predigt halten, und jede Familie hat ihren Segenstext bekommen“, berichtet der Pfarrer im Vorfeld. Denn er spricht zwar den Segen aus dem Bildschirm mit – das Handauflegen bei den Konfirmanden geschieht jedoch vor Ort durch Eltern, Geschwistern oder Großeltern.
Dieser Augenblick sei bei der neuen Form der Feier womöglich noch eindrücklicher als sonst, sagt Fitzke. „Bei einer Konfirmation in der Kirche stehen wir vorne im Altar ja doch etwas entrückt von der Gemeinde. Hier sind sich alle in den Wohnzimmern ganz nah, auch wenn wir am Bildschirm gleichzeitig fern sind.“
Ganz ähnlich sieht das auch der braunschweigische Oberlandeskirchenrat Thomas Hofer: „Der Bekenntnisakt ist möglicherweise noch größer, als wenn das im Gemurmel einer großen Gruppe untergeht.“ Das braunschweigische Konfirmationsgesetz kennt keine Online-Konfirmationen. Dennoch müsse Kirche in der gegenwärtigen Situation kreative Lösungen suchen, sagt Hofer. Und da sei vieles denkbar, wenn die Beteiligten zustimmen. „Dass der Segen in der Familie weitergegeben wird, finde ich eine gelungene Idee des mündigen Christseins.“ Es sei allerdings schade, dass kein wirkliches Abendmahl möglich sei. Das solle zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.
Auf nachgeholte Feiern hoffen auch viele Restaurants und Gaststätten. Normalerweise sind Konfirmationen für sie ein einträgliches Geschäft. Die Polzins haben die Essenslieferung wie viele andere storniert. Nach der Konfirmation am Laptop gab es ein Stückchen selbst gebackene Torte. Ihr Konfirmationsspruch aus der Bibel passt besonders gut in die aktuelle Situation, findet Ladina: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem“ (Römer 12,21).