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Sekundenschnelle Schulden

Kredite übers Handy stürzen viele Kenianer in noch tiefere Armut

Franklin Ouma und seine Frau Eunice Anyanga Foto: Bettina Ruehl/epd

Von Bettina Rühl (epd)

Was erst nach einer einfachen Lösung aussah, hat Franklin Ouma ruiniert. Der 40-Jährige bewohnt mit seiner Frau und zwei Kindern ein kleines Zimmer in Mathare, einem der Slums in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Das Mobiliar besteht aus ein paar Plastikstühlen, einem Regal, Gaskocher, Alutöpfen und Geschirr. Ein Bett gibt es nicht, die Familie schläft auf dünnen Matten. Denn das Geld, das Ouma als Fahrer für die Taxiplattform Uber verdient, reicht hinten und vorne nicht.

Deshalb hat Ouma vor einigen Monaten einen Kredit aufgenommen. Dafür brauchte er nur ein paar Tasten seines Handys zu drücken. "Seitdem habe ich mir jeden Monat weiteres Geld geliehen", erzählt er. "Schon den ersten Kredit konnte ich kaum zurückzahlen." Anschließend sei er komplett pleite gewesen und habe sich weiteres Geld leihen müssen. "Wenn Du einmal mit diesen digitalen Krediten anfängst, kannst du nicht mehr damit aufhören." Die Zinsen seien zu hoch und die Rückzahlungsfristen zu kurz. "Das ist wie eine andere Form der Abhängigkeit, weil man immer wieder Geld leihen muss, um überleben zu können."

In Kenia haben mobile Technologien den Markt in einem Rekordtempo durchdrungen und die Gesellschaft verändert. Den Anfang machte vor zwölf Jahren das Telekommunikationsunternehmen Safaricom, das zu 40 Prozent der britischen Vodafone gehört. Es brachte "M-Pesa" auf den Markt, den Geldtransfer per Handy. Der neuste Hype sind FinTech-Produkte, also digitale Finanzdienstleistungen. Für deren Entwicklung fließen aus dem Ausland hohe Summen.

Kredite mit „exorbitanten“ Zinsen

Inzwischen gibt es in Kenia rund 50 mobile Kreditplattformen, heißt es in einer Studie der kenianischen Bankervereinigung. Die Rede ist dort auch von "exorbitanten" Zinsen: Die teuerste Kredit-App namens Okoa Stima verlangt demnach monatlich 43,4 Prozent Zinsen, das Geld muss innerhalb eines Monats zurückgezahlt werden. Auch andere digitale Anbieter verlangen Zinsen, die in Deutschland als sittenwidrig verboten sind. In Kenia ist der FinTech-Sektor jedoch weitgehend unreguliert.

"Alle Statistiken zeigen, dass die Rate der überschuldeten Haushalte in Kenia sehr hoch ist", warnt der britische Wirtschaftswissenschaftler Milford Bateman. So kam eine Studie des internationalen Beratungsunternehmens Microsave zu dem Schluss, dass von 2014 bis 2017 etwa 2,7 Millionen Kenianer auf einer "schwarzen Liste" des Bankensektors verzeichnet waren, weil sie ihre Schulden nicht begleichen konnten.

Bateman hat zusammen mit Kollegen untersucht, welche Auswirkungen die FinTech-Produkte in Afrika haben. "Die Leute nehmen drei, vier oder fünf Kredite auf und geraten in vielerlei Schwierigkeiten", sagt Bateman. Das gelte vor allem für junge Menschen, und ganz besonders für diejenigen, die digitale Kredite für digitale Wetten nutzen.

Als Kernproblem bezeichnet Bateman die "riesigen Profite der Unternehmen". Das betreffe vor allem Safaricom, eins der profitabelsten Unternehmen in Ost- und Zentralafrika. 2018 machte es 620 Millionen Dollar Gewinn. Dabei fließe ein Großteil des Geldes ins Ausland, zum Beispiel nach Großbritannien.

Sorge vor Marktkollaps wächst

Ouma ist in gewisser Weise der typische kenianische Kreditnehmer. 2015/2016 untersuchte die kenianische Regierung das Haushaltseinkommen der Bevölkerung. Demnach leihen sich zwei Drittel der Kreditnehmer das Geld, um ihre täglichen Bedürfnisse zu erfüllen: die Miete zu entrichten, Schulgebühren zu zahlen und ähnliches - also um überleben zu können. Was aber auch bedeutet, dass sie das geliehene Geld verbrauchen, statt es zu investieren, um so auf Dauer ihr Einkommen zu erhöhen.

Die hohe Überschuldungsrate verändert in Kenia die Sicht auf mobile Finanzprodukte: Früher wurden sie als möglicher Entwicklungs-Motor gefeiert. Heute wächst die Sorge vor einem Kollaps des Marktes. Und vor noch extremerer Armut in den einkommensschwächeren Schichten der Gesellschaft.

Franklin Ouma sorgt sich nicht nur, er hat Angst. Zuletzt hatte der Familienvater immer zwei Kredite parallel, um einen mit dem anderen zu bezahlen. Schließlich konnte er keinen seiner beiden mehr bedienen. Jetzt gilt er als überschuldet und ist für weitere Kredite gesperrt. Nun hofft er auf das Unmögliche - auf niedrigere Zinsen. "Ich wünschte, die Kreditgeber wüssten, wie sich ein normaler Kenianer fühlt. Wie schwierig das Leben für uns ist, weil sie reich sind und viel Geld verdienen. Wir leben nur dank der Gnade Gottes."

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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