Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

Staatsleistungen an Kirchen werden Thema im Bundestag

FDP, Grüne und Linke legen Gesetzentwurf zu Ablösezahlungen vor. Kirchen zeigen sich gesprächsbereit

Foto: Ansgar Scheffold/unsplash

Berlin/epd FDP, Grüne und Linke lassen die Debatte um die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen neu aufflammen. Die religionspolitischen Sprecher der drei Bundestagsfraktionen legten am Freitag in Berlin einen konkreten Entwurf für ein sogenanntes Grundsätzegesetz vor, das den Rahmen für Ablösezahlungen definieren soll. Seit 100 Jahren sei der Gesetzgeber dazu aufgefordert, sagte der FDP-Politiker Stefan Ruppert. Bislang war die Linke mit Vorschlägen, die als ungerecht gegenüber den Kirchen galten, mit dem Vorhaben gescheitert. Dieses Mal zeigen sich auch die Kirchen gesprächsbereit.

Beide Kirchen erhalten die sogenannten Staatsleistungen als Entschädigung für Enteignung und Säkularisierung kirchlicher Güter vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts. Das Grundgesetz sieht eine Ablösung der Zahlungen vor, die sich derzeit auf mehr als eine halbe Milliarde Euro pro Jahr summieren. Über die konkreten Ablösesummen müssen die Bundesländer mit den evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümern verhandeln.

Entschädigung auch über Grundstücke möglich

FDP, Grüne und Linke schreiben in ihrem Gesetzentwurf, dass die Ablösung am Äquivalenzprinzip orientiert sein müsse. Sie schlagen in ihrem Entwurf vor, sich am Bewertungsgesetz zu orientieren, das für "wiederkehrende Nutzungen und Leistungen" einen Wert angibt, der das 18,6-Fache der jährlichen Zahlungen umfasst.

Das ist mehr als bei vorherigen Vorschlägen. Die Linken hatten 2012 eine Ablösung gegen das Zehnfache der jährlichen Zahlungen vorgeschlagen. Unter Kirchenrechtlern kursierte derweil in der Vergangenheit auch ein höherer Faktor, nämlich das 25-Fache der jährlichen Zahlungen.

Die Ablösung könne durch einmalige Zahlungen oder Raten erfolgen, heißt es im Entwurf. Auch eine Entschädigung auf andere Weise - etwa die Zurückgabe von Grundstücken - soll laut Entwurf möglich sein. Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass die Länder fünf Jahre nach Inkrafttreten eines Rahmens im Bund eigene Gesetze zur Ablösung erlassen sollen und die Ablösung selbst dann binnen 20 Jahren - bei einem Inkrafttreten in diesem Jahr also 2040 abgeschlossen sein soll.

"Das ist kein Schritt gegen die Kirchen", betonte der Grünen-Politiker Konstantin von Notz. Er plädierte für faire Verhandlungen. Die Länder hätten selbst ein Interesse daran, dass die Kirchen ihre Infrastruktur nicht zurückschneiden müssten, die gerade im ländlichen Raum eine wichtige Rolle spielte, sagte er. Die Linken-Abgeordnete Christine Buchholz sagte, man müsse aber endlich dem Anspruch der weltanschaulichen Neutralität des Staates gerecht werden.

EKD offen für Gespräche

Die drei Fraktionen wollen den Entwurf bereits in der nächsten Sitzungswoche des Parlaments diskutieren. Ihnen fehlt aber eine Mehrheit, wenn es zur Abstimmung kommt. In der Koalition herrschte Zurückhaltung. "Wir haben derzeit wichtigere Themen", sagte der SPD-Kirchenpolitiker Lars Castellucci dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er schlug eine Kommission vor, in der alle Betroffenen einen Vorschlag erarbeiten sollen. Der Unionsbeauftragte für die Kirchen, Hermann Gröhe (CDU), wollte den Entwurf nicht kommentieren.

Die evangelische Kirche selbst zeigte sich offen für Gespräche. Der vorgelegte Entwurf der Oppositionsparteien biete "einen hilfreichen Anknüpfungspunkt für weitere notwendige Erörterungen", sagte eine Sprecherin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Ähnlich äußerte sich die Bischöfin der Nordkirche, Kristina Kühnbaum-Schmidt. Der Finanzderzernent der mitteldeutschen Kirche, Stefan Große, sagte, der Weg zu einer Einigung werde lang und schwierig sein, "ist aber nicht unmöglich".

Der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig bezeichnete den Gesetzentwurf als "eine solide und verfassungskonforme Grundlage, über die man jetzt ernsthaft diskutieren sollte". Er riet dazu, die Bundesländer schnell in die Diskussion einzubeziehen. Sie waren bei dem Thema in der Mehrheit bislang zurückhaltend.

 

Jurist Heinig: Vorschlag zu Staatsleistungen gute Gesprächsgrundlage

 

Berlin/epd Der Verfassungsrechtler Hans Michael Heinig begrüßt den Vorstoß von FDP, Grünen und Linken zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen. Der Gesetzentwurf sei "eine solide und verfassungskonforme Grundlage, über die man jetzt ernsthaft diskutieren sollte", sagte der Göttinger Experte für Kirchenrecht dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Die Ablösung der Staatsleistungen ist seit 100 Jahren ein Auftrag der Verfassung", betonte der Jura-Professor. Bisher habe es kaum ernsthafte Versuche gegeben, das anzugehen, oder Versuche seien als kirchenfeindlich angesehen worden. "Das hat sich verändert", sagte Heinig.

Die drei Oppositionsparteien haben am Freitag in Berlin einen Entwurf für ein sogenanntes Grundsätzegesetz zur Ablösung der Staatsleistungen vorgelegt. Es definiert die Regeln, nach denen die Bundesländer dann über die konkreten Summen mit den Kirchen verhandeln sollen. Die evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümer erhalten als Entschädigung für frühere Enteignungen jährlich Leistungen vom Staat, insgesamt mehr als 500 Millionen Euro.

In der Weimarer Verfassung wurde ein Auftrag zur Ablösung der Leistungen formuliert, die ins Grundgesetz übernommen, bislang aber nicht umgesetzt wurde. Der Entwurf von FDP, Grünen und Linken sieht vor, dass die Länder für die Ablösung maximal das 18,6-Fache der jährlichen Leistungen zahlen sollen, Entschädigungen aber auch anders, etwa durch die Rückübertragung von Grundstücken, möglich wären.

"Über Details wie den Ablösefaktor und die Zeit, die man den Ländern für die Ablösung einräumt, kann man sicher noch reden", sagte Heinig, der auch Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Für einige Länder sei das eine "gewaltige finanzielle Herausforderung".

"Deswegen muss man die Länder auch schnell ins Boot holen bei Überlegungen zur Ablösung", riet Heinig. Bislang hätten sie gescheut, das Thema anzugehen. Bei den Kirchen sehe er Gesprächsbereitschaft bei diesem Thema, sagte der Jurist.

 

Das Stichwort: Staatsleistungen an die Kirchen

 

 

Berlin/epd Die Staatsleistungen an die Kirchen gehen auf die Enteignung und Säkularisierung kirchlicher Güter im Zuge der Reformation und vor allem durch den sogenannten Reichsdeputationshauptbeschluss von 1803 zurück. Damals verpflichteten sich die Landesherren, die Besoldung und Versorgung etlicher katholischer und evangelischer Würdenträger sicherzustellen.

Diese Verpflichtung gilt im Grundsatz bis heute. In Verträgen zwischen den Bundesländern auf der einen sowie den evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümern auf der anderen Seite ist festgehalten, in welcher Form die Entschädigungsleistungen heute erbracht werden.

Die Staatsleistungen summieren sich aktuell auf mehr als eine halbe Milliarde Euro pro Jahr. In einem Gesetzentwurf von FDP, Grünen und Linken mit einem Vorschlag zur Ablösung dieser Leistungen ist von derzeit 548 Millionen Euro die Rede. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und katholische Deutsche Bischofskonferenz haben nach eigenen Angaben keine aktuelle bundesweite Zahl. Die einzelnen Bundesländer leisten dabei Zahlungen in sehr unterschiedlicher Höhe: Im Saarland wurden für 2019 rund 680.000 Euro veranschlagt, in Bayern waren es 2018 rund 90 Millionen Euro.

Die Weimarer Nationalversammlung bemühte sich 1919 um eine finanzielle Entflechtung von Staat und Kirche. Die Weimarer Reichsverfassung sah in Artikel 138 Absatz 1 die Ablösung der Staatsleistungen vor. Möglich wäre dies etwa durch eine einmalige Entschädigung. Dieser Paragraf wurde ins Grundgesetz übernommen, konkret politisch angegangen wurde das Thema aber auch seit 1949 nicht.

Die Ablösung müsste zwischen Kirchen und Ländern verhandelt werden. Einhellige Auffassung unter Experten ist dabei, dass der Bund, der selbst finanziell nicht beteiligt ist, zunächst ein Gesetz mit den Grundsätzen für eine Ablösung verabschieden müsste.

Zu unterscheiden sind die Staatsleistungen in ihrem Entschädigungscharakter von anderen und durchaus wichtigeren Finanzierungsquellen der Kirchen. Aus der Kirchensteuer beispielsweise erhielt die katholische Kirche 2018 insgesamt 6,65 Milliarden Euro, die evangelische Kirche 5,79 Milliarden Euro.

Artikelkommentar

Artikelkommentar
captcha
Bitte tragen Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe in das Feld ein.
Hinweis: Die von Ihnen ausgefüllten Formulardaten werden lediglich für die Zwecke des Formulars genutzt. Eine andere Verwendung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Artikelkommentare

(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

Hier gelangen Sie zur Übersicht über alle Kommentare.