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Stäblein für Erinnerungsort an Friedliche Revolution

Im 60. Jahr nach dem Mauerbau und mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es weiter Reibungen zwischen Ost und West. Die Schwierigkeiten beim Zusammenwachsen müssen nach Auffassung von Bischof Christian Stäblein besser aufgearbeitet werden, etwa mit einem Erinnerungsort. Dies sei auch für die Demokratie in Deutschland wichtig, sagte er im Interview mit Yvonne Jennerjahn (epd).

Stäblein Erinnerungsort an Friedliche Revolution
Erinnerungsort der Friedlichen Revolution: Lichtinstallation auf der Fassade der Berliner Gethsemanekirche zum 9. November 2019. Foto: Rolf Zöllner/epd

Herr Stäblein, das Gedenkjahr 2020 zu 30 Jahren Wiedervereinigung ist zu Ende. Welche aktuellen Herausforderungen sehen Sie für den demokratischen Zusammenhalt von Ost und West in Deutschland?

Die problematischen Anteile des Zusammenwachsens gerade im ersten Jahrzehnt nach der Friedlichen Revolution sind noch nicht aufgearbeitet worden. Wir brauchen mehr offenes Gespräch und Austausch über eine Zeit, in der sich die Menschen in Ostdeutschland im Prozess der Vereinigung mehrheitlich nicht als wahrgenommen erlebt haben. Die unterschiedlichen Biografien differenziert und in ihrem Eigenwert wahrnehmen heißt auch, dass wir aufhören müssen, die westdeutsche Biografie als „normal“, die ostdeutsche demgegenüber als Abweichung davon zu behandeln.

Es gibt noch viele Ungerechtigkeiten in der Wahrnehmung und Aufarbeitung unserer Geschichte von Menschen aus Ostdeutschland. Dieses belastet den Zusammenhalt und ist auch eine Hypothek für die demokratische Weiterentwicklung des Landes. Demokratie kann nur erfolgreich sein, wenn sie offene Debatten über gesellschaftliche Gerechtigkeit ermöglicht. Andernfalls zerfällt die gemeinschaftliche Basis, das erleben wir derzeit immer wieder. Extremistischen Kräften gelingt es, Spaltungstendenzen in das Zusammenleben von Ost und West zu setzen.

Welche Rolle kann die Kirche dabei spielen?

Wir haben nicht nur zu den bereits zurückliegenden Erinnerungsdaten die Kirchenräume für notwendige Diskurse und Gespräche geöffnet, sondern werden dies auch weiterhin tun, auch zur Rolle der Kirche in der Friedlichen Revolution. Im Raum der Kirche sind solche Diskussionen stets umfangen von der Zusage eines Gottes, unter der Spannungen und Differenzen, auch unversöhnliche, ausgehalten werden können. Und schon im Zuhören und Aushalten verändern sich die Spannungen, sie lösen sich ein Stück. Darauf jedenfalls setze ich.

Bundespräsident Steinmeier hat sich für einen herausgehobenen Erinnerungsort an die Demokratie- und Bürgerrechtsbewegung der DDR ausgesprochen, einen Ort, „der daran erinnert, dass die Ostdeutschen ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen und sich selbst befreit haben“. Sie befürworten das. Was genau wünschen Sie sich?

Einen festen Ort, an dem die Erinnerung an die Friedliche Revolution, besonders an die „friedlichen Revolutionär*innen“, ihren Platz hat. Das Gedenken an die Opfer der Mauer findet an der Bernauer Straße statt, für die Einheit kommt die Einheitswippe in Schlossnähe. Aber einen prominenten und öffentlichen Ort für die Erinnerung an die Menschen der Friedlichen Revolution gibt es in der Hauptstadt noch nicht. Das sollten wir ändern.

Welcher Ort, der mit der Weimarer Nationalversammlung und der Frankfurter Paulskirche als Symbol der Freiheitsbewegung von 1848 vergleichbar wäre, könnte so ein Erinnerungsort sein?

Die Gethsemane-Kirche in Berlin-Prenzlauer Berg wäre ein sehr guter Ort. Oder auch die Zionskirche mit den ehemaligen Räumlichkeiten der Umweltbibliothek in der Nähe. Beides sind Orte, die zentral für die Bewegung der Friedlichen Revolution stehen. Die Gethsemane-Kirche trägt auch heute die Impulse der Fried­lichen Revolution sehr lebendig weiter, ich denke etwa an die täg­lichen Gebete für Peter Steudtner in der Zeit seiner Inhaftierung.

Welche Persönlichkeiten sollten dort gewürdigt werden?

Öffentlich bekannt gewordene Persönlichkeiten der Friedlichen Revolution wie auch Personen, von denen weniger gehört und geschrieben wurde, deren persönliche, zum Teil auch tragische Geschichten es nicht namentlich in die Geschichtsbücher geschafft haben. Wie es gelingen kann, der Erinnerung Gesichter zu geben, zeigt in besonderer Weise die Stiftung Aufarbeitung. Vor einigen Monaten ist Hans Simon gestorben. Er war in den 1980er Jahren Pfarrer in der Zionskirche und eine zentrale Persönlichkeit in den Aus­einandersetzungen um die Umweltbibliothek. Ich stelle mir vor, dass Menschen wie Hans Simon mit einem solchen Gedenkort endlich auch ihren Platz in der Geschichte bekommen. Wir verdanken ihnen viel.

Es gibt auch einstige DDR-Bürgerrechtler, die heute am rechten Rand der Gesellschaft aktiv sind und keine Berührungsängste zu rechten Extremisten zu haben scheinen. Wie erklären Sie sich das?

Ich finde es schockierend und abstoßend, wie Gruppen und insbesondere eine Partei am rechten Rand die Geschehnisse von 1989 gewissermaßen diametral gegen ihren eigenen Sinn ausnutzt und wendet. Statt für Freiheit wird für Ausgrenzung und Abwertung plakatiert und dabei der Ruf „Wir sind das Volk“ in sein Gegenteil verkehrt. Das ist perfide. Dass sich in diesem Umfeld immer wieder auch einstige DDR-Bürgerrechtler*­innen finden, irritiert mich und bleibt mir ein Stück unverständlich. Darum würde ich gerne mit diesen Menschen ins Gespräch kommen.

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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