Als Propst ist er in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz fest verankert. Nun kandidiert Christian Stäblein auch für das Bischofsamt. Im Interview spricht Christian Stäblein über seine Erfahrungen im Dialog mit Politik und Wissenschaft, wie er sich für junge Menschen in der Kirche einsetzen will und welche Botschaft Kirche heute zu verkündigen hat.
Herr Stäblein, was waren Ihre ersten Gefühle, als Sie gefragt wurden, ob Sie bereit wären zu kandidieren?
Freude, Ehre und vor allem riesiger Respekt.
Sie stehen dafür, in Bildern zu predigen. Wenn Sie das Bischofsamt mit einem Bild beschreiben sollten, wie sähe dieses aus?
Johannes der Täufer kommt mir als erstes in den Sinn: Weg weisen im Von-sich-weg-Weisen, auf Christus hin. Das Bischofsamt verstehe ich ganz vom Wort her, vom Leiten und Geleitetwerden durch das Wort. Und ich sehe das Bild vom Bischof, der Bischöfin als Hirten, als Hirtin. Denke allerdings sofort: Oje, Hirte, ein altmodisches, ja sehr problematisches Bild, nicht zuletzt das Gefälle in diesem Bild ist völlig unpassend, zum Glück überholt. Also, wenn, dann so: Ein Hirte oder eine Hirtin ist nicht der oder die, die vorneweg läuft, sondern sichtbar mittendrin. Nur um das mag es bei diesem Bild gehen: gemeinsam und zusammen auf dem Weg zu bleiben.
Wie wollen Sie den Kontakt zu den Menschen vor Ort halten?
Das geht nur dadurch, dass ich viel vor Ort bin und den Menschen zuhöre – so, wie ich es jetzt zu allen nur möglichen Gelegenheiten tue. Das ist mir sehr wichtig.
Welche Botschaft hat Kirche heute zu verkündigen?
Diese Zeit ist geprägt von Verunsicherung. Wie befreiend, da von der Menschenfreundlichkeit Gottes zu erzählen, sie zu zeigen, zu leben: Das schafft Vertrauen ins Leben. Ich erlebe, wie Menschen sich gegenwärtig immer mehr auf sich und auf Dinge, die vermeintlich Sicherheit versprechen, fixieren. Das macht befangen, ängstlich. Ich traue dem Wort, das wir weitersagen, dass es solche Ängste tatsächlich entknoten kann, dass es den Boden unter den Füßen zurückgibt, uns frei und aufrecht gehen lässt.
Sie stehen dafür, sogenannte dritte Orte stärken zu wollen. Welche Vision haben Sie dafür?
Ich sehe es als entscheidend für die Zukunft unserer Kirche an, dass Gemeinden in allen Formen gestärkt werden. Zuerst die Gemeinde als Ortsgemeinde. Mit solchen Orten fing und fängt alles an: Menschen treffen sich, um ihre Freude am Evangelium zu teilen, sich gegenseitig daraus zu stärken. Das sind die ersten Orte.
Mit der Entwicklung der modernen Gesellschaft haben wir auch „zweite“ Orte. Dort wird zum Beispiel in Gefängnissen und Krankenhäusern, in Kitas, in Schulen oder in den Medien dafür gesorgt, dass das Evangelium vorkommt und präsent wird, gut so. Und dann glaube ich, dass es schon immer noch andere Orte daneben gegeben hat, die aus sich heraus anziehend waren, Orte des Aufbruchs und der Spiritualität. In Lehnin oder Chorin, am Stadtkloster Segen und im Refo-Campus Moabit ist das spürbar. Wenn es uns gelingt, alle diese Formen als einander ergänzend zu denken, wird das richtungsweisend für die Kirche insgesamt sein.
Wie leben Sie persönlich Spiritualität?
Als erstes schaue ich, dass die Losungen jeden Tag vorkommen, nicht zwingend morgens, manchmal im Laufe des Tages. Zweitens habe ich das große Glück, dass in meinem Kopf fast immer die Vorbereitung einer nächsten Predigt vor sich geht. Schließlich versuche ich, viel mit Gott zu reden. Das ist manchmal kurz, abends länger, viel zwischendurch. Und: gemeinsam singen, das hilft mir, den Kopf frei zu bekommen und mich auf Gott auszurichten.
Viele Ehrenamtliche gehen an ihre Grenzen. Wie haben Sie das aus eigener Erfahrung erlebt?
Ich war erst Teamer in der Konfi-Arbeit, später im Ehrenamt in einem kirchennahen Verein, Begegnung Christen und Juden e.V., ein Thema, das mir am Herzen liegt. Ich habe selbst oft erlebt, dass das Ehrenamt eine Aufgabe ist, die erfüllt, die aber nach einem langen Arbeitstag auch Zeit, Kraft und Geduld fordert. Da ist entscheidend, dass Kommunikation zwischen den beruflich und den ehrenamtlich Mitarbeitenden im Fluss bleibt. Für das Miteinander ist das ungeheuer wichtig, wie auch die ehrliche Wertschätzung.
Politik und Wissenschaft sind Gesprächspartnerinnen für die Kirche. Welche Erfahrungen konnten Sie schon sammeln?
Ich hatte kürzlich ein faszinierendes Podiumsgespräch mit einem Atomphysiker in Zeuthen. Es ging um die Voraussetzungen des Glaubens und moderne Naturwissenschaft. Wie wir mit den verschiedenen Weltbildern umgehen, wie darin Glaube vorkommt, das bewegt Menschen. Ich wünschte mehr solchen Dialog.
Auch das Gespräch mit der Politik gehört zu meinen derzeitigen Aufgaben, um dort, wo wichtige zivilgesellschaftliche Entwicklungen berührt sind, theologische Überzeugungen ins Gespräch einzubringen, zu Fragen der Umweltarbeit, der
Digitalisierung, der Arbeit mit geflüchteten Menschen, nicht zuletzt auch zu Lebensfragen wie etwa der Trauung.
Bei allen Themen ist es mir wichtig, den Prozess so zu gestalten, dass wir mit verschiedenen Positionen beieinander bleiben können. Ich denke, dieses Moderieren und dabei Menschen und Themen zielorientiert zusammenzuhalten – innerkirchlich und im Kontakt mit Politik und Wissenschaft – das ist eine Stärke von mir.
Welchen Beitrag kann Kirche für eine friedliche demokratische Gesellschaft leisten?
Jeder Mensch lebt als Ebenbild Gottes zunächst einmal aus einer bedingungslosen Würde und Annahme von und mit Gott. Das sagen wir weiter und stehen dafür ein, da, wo wir uns ökumenisch vernetzen, da, wo es interreligiöse Kooperationen auch über Gemeinden hinaus gibt. So ist unsere Landeskirche mit ihren politischen Teilungs- und Vereinigungserfahrungen der vergangenen Jahrzehnte auch ein sehr wirksamer Lernort für Demokratie.
Wie wollen Sie sich für junge Menschen einsetzen?
Wir müssen Jugendliche darin unterstützen, aktiv mitzureden, mitzugestalten und mitzubestimmen. Die Impulse aus den letzten Jahren, zum Beispiel #rEJBOmation haben wertvolle, weil kontroverse Debatten angestoßen. Die Jugendlichen in unserer Landeskirche stehen für eine Kultur der Beteiligung. Wir bestellen das gemeinsame Haus heute schon für morgen. Und wenn das gut werden soll, dann nur gemeinsam!
Das Interview führte Constance Bürger.