Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

Staubfrei nach Ahnen forschen

Kirchenbuchportal im Internet vereinfacht die Familienforschung

Wer in Deutschland in die Geschichte seiner Ahnen eintauchen will, kommt an Kirchenbuechern kaum vorbei. Foto: Susanne Hüber/epd

Von Marcus Mockler (epd)

Wer in Deutschland in die Geschichte seiner Ahnen eintauchen will, kommt an Kirchenbüchern kaum vorbei. Dort sind Taufen, Trauungen und Todesfälle akribisch notiert – und da in früheren Jahrhunderten nahezu alle Bürger auch Kirchenmitglieder waren, findet man in den Büchern sämtliche Namen. Seit fünf Jahren lassen sich viele der historischen Dokumente auch über das Internet einsehen: Das Kirchbuchportal "Archion" mit Sitz in Stuttgart stellt inzwischen 100 000 evangelische Kirchenbücher digital zur Verfügung.

Die Corona-Krise hat das Interesse an der Online-Ahnenforschung noch einmal beflügelt, beobachtet "Archion"-Geschäftsführer Harald Müller-Baur. Die Kirchenbücher lassen sich im Netz gegen Gebühr zu jeder Tages- und Nachtzeit lesen, der Blick hinein ist nicht durch Öffnungszeiten oder Hygieneregeln von Archiven oder Pfarrämtern beschränkt. Außerdem entstehen bei diesem Rechercheweg keine Reisekosten.

Recherche zeigt Familiengeschichte – und so manche Kuriosität

Kirchenbücher bieten für die Genealogie (Ahnenforschung) verlässliche Basisdaten: Wer wurde wann geboren, hat wen geheiratet, hatte wie viele Kinder, ist wann gestorben. Wie ein Detektiv zieht ein Genealoge Namenslinien über Generationen, entdeckt Querverbindungen und möglicherweise Verwandte, von denen er bislang nichts wusste. Manchmal enthalten die Bücher zudem Notizen, etwa zu den Todesursachen eines Menschen, was dann weitere Rückschlüsse auf die Familiengeschichte ermöglicht.

Akribische Recherche in den langen Namenslisten fördert immer wieder Faszinierendes oder Skurriles zutage. So meldete sich etwa beim Pfarramt im nordhessischen Rengshausen ein Soldat, den das Militär als Gefallenen des Deutsch-Französischen Kriegs 1870 deklariert hatte. "Da er noch lebe", ließ er seinen persönlichen Fortbestand von drei Bürgern amtlich beglaubigen. Im westfälischen Rahden beantragte 1780 ein Ehepaar die Scheidung, was in jener Zeit einem gesellschaftlichen Skandal gleichkam. Die beiden bereuten ihren Schritt allerdings und heirateten einander kurz darauf zum zweiten Mal.

Seit der Gründung ist die Datenmenge bei "Archion" geradezu explodiert. Die 100 000 Kirchenbücher liegen auf 16 Millionen Einzelbildern vor, von denen statistisch im vergangenen Jahr jedes dreieinhalbmal aufgerufen wurde. Deshalb überrascht es nicht, dass die Kosten für die Datenverarbeitung rund ein Drittel des Gesamtbudgets von "Archion" ausmachen. Heute gibt es in dem Unternehmen drei Vollzeitstellen, die von insgesamt sechs Mitarbeitern besetzt werden. Nach einer Startfinanzierung durch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) muss sich die Firma selbst tragen. Die Nutzergebühren decken den laufenden Betrieb, sagt Geschäftsführer Müller-Baur.

Leider nicht ökumenisch

Die Digitalisierung aller Kirchenbücher ist allerdings bei weitem noch nicht abgeschlossen. Müller-Baur schätzt, dass bislang weniger als die Hälfte aller evangelischen Bücher erfasst ist. Der Grund: Südliche Kirchen wie Württemberg und Baden konnten schon vor Jahrzehnten staatlich gefördert ihre Bücher auf Mikrofilm archivieren. Andere Kirchen, vor allem im Osten Deutschlands, haben diesen Prozess teilweise erst begonnen.

Die Ökumene funktioniert bei den Online-Kirchenbüchern allerdings nicht. Zwar hat "Archion" aus der Pfalz auch katholische Dokumente archiviert, weil diese teilweise im Landesarchiv in Speyer lagern. Doch für andere Regionen sieht es dünn aus. Auf katholischer Seite hat das österreichische Portal "Matricula" die Marktführerschaft übernommen, dort wurden jüngst zum Beispiel 900 Kirchenbücher aus dem Bistum Augsburg hochgeladen.

Auch wenn inzwischen eine Fülle dieser historischen Dokumente digital vorliegt – allzu einfach darf man sich die Ahnenforschung via Kirchenbuch nicht vorstellen. Wichtigste Voraussetzung ist, alte Schriftarten wie die Sütterlin-Schrift lesen zu können. Ohne diese Fähigkeit ist man beim Blick auf Tauf- und Sterberegister verloren. Doch gibt es im Internet dazu kostenlose Kurse.

Die alte Schrift verhindert bislang auch eine effektive Texterkennung durch den Computer. Das bedeutet: Die Recherche findet tatsächlich nur durch das Ansehen der fotografierten Buchseiten statt. Eine Namenssuche wie bei Google ist noch nicht möglich. Von den 6 000 Menschen, die "Archion" im vergangenen Jahr genutzt haben, kamen 84 Prozent aus Deutschland, der Rest überwiegend aus den USA.

Ab und zu entdeckt auch der studierte Archivwissenschaftler Harald Müller-Baur erstaunliche Perlen der Alltagsgeschichte in den alten Büchern: So heiratete ein evangelischer Pfarrer in Mehrstetten auf der Schwäbischen Alb im späten 17. Jahrhundert eine gebürtige Muslimin, die in den Türkenkriegen aus Belgrad verschleppt worden war. Die Frau musste allerdings zum Christentum übertreten, bevor sie den Theologen ehelichen konnte.

Artikelkommentar

Artikelkommentar
captcha
Bitte tragen Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe in das Feld ein.
Hinweis: Die von Ihnen ausgefüllten Formulardaten werden lediglich für die Zwecke des Formulars genutzt. Eine andere Verwendung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Artikelkommentare

(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
2. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.
3. Frieden? Gert Flessing Das Wort Frieden ist ziemlich abgenutzt. Nicht erst heute ist das so. Als ein gewisser britischer Premierminister einst in London davon sprach, den "Frieden für unsere Zeit gesichert zu haben", war das den Atem nicht wert, den er verschwendet hat.
Ist es heute besser? Ich hörte irgendwann mal was von einer "europäischen Friedensordnung". Selbst das war eine Illusion.
Und unter uns, im eigenen Land? Man mag in keine Diskussion eintreten, weil viel zu oft die Emotionen über die Vernunft siegen. In unserer Kirche ist es leider nicht sehr viel anders.
Sind wir nur noch Kirche für jene Menschen, die eine "richtige Gesinnung" haben? Wobei ich mehr und mehr daran zweifle, dass es jene Gesinnung sein soll, von der Paulus im Philipperbrief schrieb.
Wie soll da Frieden entstehen?
Aber wenn wir selbst nicht, in unserer Mitte, unter dem Kreuz und in der Hoffnung des leeren Grabes lebend, miteinander in Frieden sein können, wie wollen wir dann der "Welt" dazu helfen?
Viel zu oft, auch da, wo sich Kirche und Politik kreuzen, sehen wir den Splitter im Auge des anderen. Das sollte nicht sein. sonst können wir uns alles, was wir so von Frieden und Mitmenschlichkeit erzählen, sparen.

Hier gelangen Sie zur Übersicht über alle Kommentare.