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Steuerfrau der Weggemeinschaft

Mit der Konstituierung der Fünften Landessynode in der kommenden Woche endet die Amtszeit von Präses Sigrun Neuwerth. Im Interview mit Friederike Höhn und Sibylle Sterzik blickt sie auf ihre Amtszeit zurück, gibt Einblick in ihre kirchliche Sozialisation und erklärt, warum der Begriff Karriere in der Kirche ihrer Meinung nach nichts zu suchen hat

Sigrun Neuwerth
Foto: Manuela Schneider/EKBO

Frau Neuwerth, die konstituierende Synode wird nun doch als digitale Versammlung stattfinden müssen. Sie hätten sich lieber persönlich getroffen, oder?

Ich finde es unzureichend, die Menschen nur auf einem Bildschirm zu sehen. Außerdem braucht man auch das Gespräch zwischendurch. Das digitale Format hat uns vieles ermöglicht, aber es ersetzt das andere eindeutig nicht. Unterm Strich ist das ein unschönes Ende der einen und ein unschöner Beginn der anderen Synode. 

Was war Ihr persönliches Highlight in Ihrer Zeit als Präses?

Zwei Sachen finde ich nach wie vor sehr wichtig. Wir haben innerhalb von drei Synoden sehr aufwändig das Thema Frieden ausgeleuchtet. Das war beileibe nicht genug, man muss weiter dranbleiben, gerade beim gesellschaftlichen Frieden angesichts antisemitischer und rassistischer Tendenzen, die wir immer wieder sehen können. Da haben wir auch mit dem Papier „Haltung zeigen“ einen wichtigen Beitrag geleistet, das in den Gemeinden und Kirchenkreisen viel debattiert wurde. Und das sind nur zwei Beispiele, die die Synode gut gemacht hat.

In Ihrer Amtszeit wurde auch die „Trauung für alle“ eingeführt. War das auch ein Höhepunkt für Sie? 

Ich fand gut, dass wir das gemacht haben, aber ich hätte das von mir aus nicht aktiviert. Das wäre immer so rübergekommen, als ob ich im privaten Interesse handeln würde.

Mussten Sie sich als Frau und als Frau, die mit einer Frau zusammenlebt, in den Kirchen­gremien besonders behaupten?

Zweiteres gar nicht. Das gleichgeschlechtliche Zusammenleben ist in der Kirche sehr entspannt, aber das ist auch im öffentlichen Dienst so. Zum ersten Punkt: Ja. Als Frau muss man immer wieder dieselben Hürden überwinden– egal in welchem Gremium. Gezielt überhört zu werden, das habe ich sehr intensiv erlebt. Wenn ein Mann das Gesagte nur wiederholt, ist es plötzlich wichtig, und nur er wird damit zitiert. Dieses Niederschweigen von Frauen, das ist schon enorm. Das ist in der Kirche nicht anders als anderswo. Ich bin ganz dankbar, dass Frauen sich auch mal gegenseitig beispringen. Aber ich finde, das passiert zu selten.

Gibt es etwas, dass Sie noch gerne als Präses umgesetzt hätten?

Ich hätte gerne den Zyklus der Synoden abgeschlossen mit dem Themenbereich Seelsorge und Verkündigung, um deutlich zu machen: Das ist es, wofür wir das alles überhaupt machen. Alle Gesetze und Haushalte dienen nichts anderem, als dass Kirche aktiv bleiben kann und den Menschen erzählt, was ihr Leben hält und ihm Ziel gibt. Das war leider nicht umzusetzen. Auch das Thema der ausgefallenen Frühjahrssynode „Kirche im ländlichen Raum“ ist weggefallen, das bedaure ich sehr.

Wie nehmen Sie die Außenwirkung der Landessynode auf Kreis- und Gemeindeebene wahr?

Ich denke, es erschließt sich tatsächlich nicht von alleine, wie die Kirche bei uns aufgestellt ist, sondern man muss sich kümmern. Vielleicht müssen wir neue Wege finden, besser zu kommunizieren. Als ich Präses in der Kreissynode war, haben wir immer nach der Landessynode einen Informationsabend organisiert. Aber das Interesse war irgendwann verschwunden. Da habe ich gemerkt, dass die Themen der Landessynode in den Kirchenkreisen als wenig bedeutend wahrgenommen werden. Da ist eine Lücke zu füllen, auch in den Gemeinden. Sonst gerät die Landessynode völlig aus dem Blick.

Welches ist Ihr Bild von Kirche?

Ich wünsche mir meine Kirche als eine spürbare Weggemeinschaft mit vielen Ehrenamtlichen, die sich um Christus versammelt und den oder die Pfarrer*in in ihrer Mitte hat. Die strahlkräftig den Ort erhellt, an dem sie ist und Menschen anspricht. Das ist etwas, was wir gerade in den vergangenen Monaten auch zeigen konnten, als die Kirchen offen waren und für viele zu einem Zufluchtsort wurden.

Haben Sie da ein besonderes Beispiel in Erinnerung? 

Die Gottesdienste „to go“, die an vielen Orten ausgehängt waren. Bei uns in Wilhelmsruh feiern wir am Gründonnerstag normalerweise ein Tischabendmahl. Das ging nicht. Aber es gab einen Gottesdienst zum Mitnehmen, den wir auch an Haushalte verteilt haben. Ich habe von Nachbarn gehört, dass sie das weitergegeben haben und so Menschen angesprochen wurden, die nie auf die Idee gekommen wären, zum Tischabendmahl zu gehen. Ob sie dann dauerhaft interessiert sind oder nicht, kann ich nicht sagen. Wir tun, was wir können und sprechen von dem, der unserem Leben Halt und Sinn gibt. Und dann wird das Wort weitergehen.

Die Kirche steht vor großen Herausforderungen mit sinkenden Einnahmen und Mitgliederzahlen. Glauben Sie, dass sie sich radikal verändern wird oder gar verändern muss?

Die Kirche wird sich immer verändern. Es wäre schlimm, wenn sie stehenbliebe. Ich glaube, dass Christus seine Kirche nicht fallen lässt, aber er hat nicht von einer Beamtenkirche gesprochen. Es werden sicher weiterhin beruflich Mitarbeitende gebraucht für Seelsorge und Verkündigung, Musik, Recht und Verwaltung. Aber vieles muss ehrenamtlich geschehen. Ich bin mir sicher, dass wir weiterhin Kirche sein können und hoffe darauf, dass sich immer Menschen finden, die bereit sind, mitzuwirken. Da wird es sicherlich viel Veränderung geben. Aber ich glaube nicht an Radikalität, die funktioniert nicht.

Wie war Ihre eigene kirchliche Sozialisation?

Ich bin in Westdeutschland aufgewachsen und da war es damals normal, dass man sich zur Kirche gehalten hat. In der Grundschule wurde zu Beginn und zum Ende des Schultages gebetet. Ein Morgen­gebet, das ich heute noch kann, und ein Gebet für den Weg, das ich vergessen habe. Die biblischen Geschichten und die Lieder aus Kindertagen sind mir immer noch präsent. Nach der Konfirmation gab es eine Phase, in der ich nicht besonders viel in der Kirche war. So etwas wie eine Junge Gemeinde gab es nicht. Aber als Studentin war ich wieder dabei, in der Studierendengemeinde. 

Im Laufe meines Lebens bin ich sehr viel umgezogen. Von Westfalen nach Bayern, dann Frankfurt am Main, Brüssel, wieder Frankfurt, Hamburg, Bonn und Berlin. Und überall war immer Kirche als Anker. Der Ort, der es möglich macht, dass ich zu Hause sein kann. Und ich wusste immer: Solange ich eine evangelische Kirche finde, bin ich richtig. 

Wie kam es, dass Sie sich aktiv in der Kirche engagiert haben?

Richtig aktiv, das heißt ehrenamtlich tätig geworden bin ich erst in Berlin. Ich habe für meine Gemeinde in Wilhelmsruh einen Förderkreis ins Leben gerufen. Dort wurde enorm viel Geld gebraucht für das marode Kirchendach und es gab keinerlei Einnahmen oder große Sponsoren. Aber wir haben es möglich gemacht, mit Geld aus „kleinen Taschen“. So konnte das ganze Dach neu gedeckt und weitere Renovierungen in Angriff genommen werden. Ich dachte, da kann ich nützlich sein und etwas zurückgeben. Kirche hat mir immer geholfen. Jetzt kann ich der Kirche helfen.

Sie haben ja nicht nur eine Karriere in der Kirche gemacht, sondern auch in Ihrem Beruf als Referatsleiterin im Bundeslandwirtschaftsministerium. Wie haben Sie es geschafft, beides unter einen Hut zu bekommen? 

Von Karriere in der Kirche zu sprechen widerstrebt mir. Das ist nicht die richtige Einstellung. Ja, für jede Gemeinschaft muss es einen geben, der sagt: Ich übernehme die Verantwortung für die nächsten Jahre und ziehe das Schiff. Und dann muss man es wieder abgeben können und jemand anderes übernimmt. Das Karrieredenken ist: Ich bin hochgeklettert und darf nicht wieder runter. In anderen Kontexten mag das in Ordnung sein, aber ich denke, für die Weggemeinschaft Kirche kann das nicht das Bild sein.

Dann anders formuliert: Sie haben für eine bestimmte Zeit ein aufwändiges Ehrenamt übernommen – zusätzlich zu einem anspruchsvollen Berufsleben. 

Tatsächlich war es bisweilen durchaus herausfordernd. Als man mich anfragte, ob ich kandidieren wolle, dachte ich zunächst: Das schaffe ich nicht. Nach weiteren Anfragen: Ich kriege das parallel hin – um dann zu merken: klappt nicht. Also habe ich meine Berufstätigkeit auf 80 Prozent reduziert, sodass ich einen Tag frei habe. Das geht gut. Es ist eine Frage der Selbstorganisation und der Disziplin.

Werden Sie jetzt wieder auf 100 Prozent gehen? 

Ab Oktober bin ich im Ruhestand, für die „Restlaufzeit“ ändert sich nichts.

Was machen Sie dann mit Ihrer freien Zeit?

Ich möchte den Kirchlichen Fernunterricht, die Prädikantenausbildung, anfangen, die ich für das Präsesamt zurückgestellt hatte. Das ist eine erfüllende Betätigung, nicht nur zeitlich, sondern auch intellektuell. Es wird Spaß machen, sich da reinzudenken. Außerdem bin ich auch weiterhin in der Synode und als Lektorin in meiner Gemeinde tätig. Haben Sie also keine Sorge, langweilig wird mir nicht. Ich hoffe, ich werde Zeit haben zu lesen, mehr Sport zu machen, ein bisschen mehr Ruhe in mein Leben zu bringen. 

Haben Sie auch Interessen, die abseits von Kirche stattfinden?

Mein Interesse geht natürlich stark in Richtung Naturwissenschaften. Ich bin Diplom-Agraringenieurin und befasse mich viel mit Fragen, die jetzt akut sind: der Klimawandel, das Artensterben, die biologische Vielfalt nimmt ab. Damit werde ich mich weiterhin fachlich auseinandersetzen. 

Sie bleiben Synodale. Wie wird das werden, wieder in den Bänken zu sitzen?

Viel entspannter. Es war eigentlich immer so, dass der oder die Präses anschließend wieder ganz normal Synodale geworden ist. Ich freue mich darauf!

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(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Bischof Meister räumt Fehler ein, bleibt aber im AmtNr14,24,o3.20244 Wolfgang Banse Wie geht mnan mit Menschen um, die in der Kirche, hier Ev.luth. Landeskirche Hannover zu Schaden kommen,hier Umgang mit sexueller Gewalt.Das verhalten von Landesbischof Meister, früher Generalsuperintendent des Sprengels der EKBO ist nicht zu rechtfertigen. Trotz schwerwiegende Fehler bleibt er im Amt.Er sollte nicht allein entscheiden über diese Thematik.Hier sollten die mündigen Kirchenglieder der Ev.luth. Landeskirche darüber befinden, ob diese sich noch eine gedeihliche Zusammenarbeit mit Ralf Meister in der Ev.luth. Landeskirche Hanover vorstellen können.Ebenfalls sollte diese Thematik auf der Frühjahrs-Synode als Tagesordnungspunkt behandelt werden.Hier handelt sich um keine Lappalie, sondern um einen schwerwiegenden Fehler, der nicht mit einer Entschuldigung von Ralf Meister beglichen ist.
2. Kirchen erhalten.... Heinz-Walter Knackmuss Lieber Herr Röger,die Kulturministerin des Landes Brandenburg, Dr. Manja Schüle, hat auf meine Anregung eine Verordnung erlassen, dass mit Zustimmung des Denkmalschtzes und des Konsistoriums Photovoltaik auf Kirchen der Normalfall sein soll. Das wäre eine Möglichkeit die Stromversorgung der Kirchengebäude autark zu machen, denn die Akkus erlauben eine Versorgung bei Tag und Nacht und durch die Einspeisungen noch Geld zu Verdienen und evtl. eine Heizung zu betreiben. Nun sind aber die Pfarrer dagegen und blockieren solche Maßnahmen. Sie haben im voauseilenden Gehorsam Angst, dass der Denkmalschutz das Projekt für Ihre Kirche ablehnen würden oder führen ästhetische Gründe an. Ich würde gern für die SMA in Rathenow dafür eine Spenenaktion starten, aber es fehlt die Zustimmung des Pfarrers. Ich finde, die Kirchenleitung müsste auch die Pfarrer motivieren, solche Projekte zu unterstützen.Wenn es den Christen mit dem Erhalt der Schöpfung Gottes wirklich ernst ist, müssten Photovoltaikanlagen auf alle Kirchendächer.
3. Die Kirche weiter umbauen Wolfgang Banse Nicht immer denkt eine Konsistorialpräsidentin.hier EKBO, Viola Vogel in den richtigen Kategorien.Ist sie eine Prophetin, Hellseherin, was den Zustand der EKBO betrifft.Bei grundsätzlichen Entscheidungen, sollte die Basisdemokratie angewendet w erden, hier Anhörung, Beteiligung der Kirchenglieder, im Bezug:"Wir sind das Kirchenvolk"Einsparungen, was das aufgeblähte Personal im Konsistorium betrifft.Der Rotstift sollte was das Personal anbetrifft, nicht das Bischofsbüro aussperren.Verabschiedung vom Beamtentum, Fahrer abschaffen,Mittelklasse PKw sich zu wenden.Pfarrwohnungen und Pfarrhäuser entsprechend zu aktuellem Mietzins vermieten.Die Kirche unterliegt keinem Modetrend, der wechselt.Gläubige identifizieren sich mit der Kirche, hier Kirchengemeinden, mit denen sie sich verbunden fühlen, beheimatet sind.Sie Familienkirchen , von der Taufe, über Konfirmation, Trauung bis zur Beerdigung für die Familie sind. Gemeindeglieder möchten nicht alle ein paar Jahre ein neues Gesangbuch...Dem Volk, hier Kirchenvolk auf`s Maul schauen, hier Reformator Martin Luther, sollte das Konsistorium beherzigen.Es ist nicht alle gut, was in der EKBO angedacht, umgesetzt wird.Kirchernmitgliedsaustritte zu Hauf belegen dies.

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