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Unbeugsam bis zuletzt: Ernesto Cardenal ist tot

Idol der einen - Ärgernis der anderen: Ernesto Cardenal gehörte zu den wichtigsten Persönlichkeiten des kulturellen Lebens in Lateinamerika. In Deutschland wurde der Dichter, Theologe und Querdenker mit Baskenmütze auf rebellischem Haar eine Symbolfigur der Linken. Am Sonntag ist der überzeugte Marxist und Befreiungstheologe mit 95 Jahren gestorben.

Foto:Norbert Neetz/epd-bild

 Von Natalia Matter (epd)

"Ich bin kein Extremist", hatte Cardenal noch im vergangenen Dezember auf einer Konferenz in Mexiko gesagt. "Demokratie zu verlangen ist kein Extremismus." Das richtete sich an den nicaraguanischen Präsident Daniel Ortega, den zu kritisieren der katholische Dichter nicht müde wurde. Cardenals einstiger Kampfgefährte für die Befreiung Nicaraguas von der Somoza-Diktatur regiert seit Jahren autoritär. "Was Ernesto Cardenal vor der Repression schützt, die andere Kritiker bedroht, ist seine Bekanntheit im Ausland", sagte der Musiker Roberto Deimel, ein langjähriger Freund Cardenals.

Der kämpferische Literat war schmächtig geworden in seinen letzten Lebensjahren, sein schlohweißes Haar dünner, für mehr als ein paar Schritte brauchte er einen Rollstuhl. Doch so, wie er weiter entschieden und öffentlich für seine Überzeugungen wie Gerechtigkeit und Solidarität eintrat, arbeitete er auch weiter. Zuletzt erschien das Langgedicht "Hijos de las estrellas" (Kinder der Sterne) in einer illustrierten Ausgabe. "Er schreibt immer weiter", sagte seine langjährige Assistentin Luz Marina Acosta bei der Vorstellung des Buches 2019. "Es scheint, als hätten wir den Dichter noch eine Weile."

Doch schon vor rund einem Jahr erschien das anders: Eine Niereninfektion zwang Cardenal, der in Nicaraguas Hauptstadt Managua lebte, zu einem längeren Krankenhausaufenthalt. Dort erreichte ihn die Nachricht, auf die er Jahrzehnte gewartet hatte: Der Vatikan hob die Sanktionen gegen ihn auf. Wegen seiner Beteiligung an der ersten Regierung nach der sandinistischen Revolution in Nicaragua hatte Johannes Paul II. Cardenal 1985 von seinen priesterlichen Ämtern enthoben. Er durfte keine Messen mehr halten und keine Sakramente erteilen. Johannes Paul II. war ein vehementer Gegner der Befreiungstheologie, die sich für die Benachteiligten und Armen einsetzt.

"Die Nachricht seiner Rehabilitierung hat ihm so gutgetan, dass er sich erholt hat", sagte Deimel, der über Jahre Cardenals zahlreiche Auftritte in Deutschland organisiert hat. In der Bundesrepublik hatte der Dichter eine treue Fangemeinde. "Tatsächlich ist er zuerst in Deutschland bekannt geworden und dann in Lateinamerika", berichtete Deimel. Einige Werke wie das autobiografische "Verlorenes Leben" (Vida Perdida) erschienen zuerst auf Deutsch.

Seine ersten literarischen Versuche, meist elegische Liebesgedichte, machte Cardenal in seiner Zeit im Jesuitenkolleg. Danach studierte der Sohn wohlhabender Eltern Literatur in Nicaragua, Mexiko und den USA und engagierte sich in der revolutionären Bewegung. 1954 entkam er nur knapp einem Massaker. Ein "mystisches Erlebnis" bewegte ihn dazu, 1957 in ein Trappistenkloster in den USA einzutreten. "Die Liebe zur Schönheit der Mädchen führte mich zur Liebe zu Gott, Schöpfer aller Schönheit", sagte Cardenal.

Während seines Theologiestudiums entstanden die Psalmen, die zu seinen wichtigsten Werken gehören. Darin klagte er Gewalt, Diktatur und Habgier an und äußert doch Zuversicht auf Gottes Schutz. Aber er erlaubte sich auch Zweifel: "Wie lange noch Herr, wirst Du neutral sein?/Wie lange teilnahmslos zusehen?"

1966 kehrte er nach Nicaragua zurück, wo er die Gemeinschaft von Solentiname mitbegründete, die im "Evangelium der Bauern von Solentiname" zu Literatur wurde. Mit Beginn der Revolution 1977 floh Cardenal und wurde Sprecher der Sandinistischen Befreiungsfront FSLN. Nach dem Sieg 1979 der Sandinisten war er bis 1987 Kulturminister. 1980 erhielt er für sein Engagement den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels - nur eine von zahlreichen Auszeichnungen.

Nach zunehmenden Meinungsverschiedenheiten mit Ortega verließ Cardenal 1994 die sandinistische Bewegung. Seitdem litt er unter den Entwicklungen in seinem Land. Doch sein fragiler Gesundheitszustand erlaubte ihm kaum mehr seine geliebten Reisen ins Ausland.

 

Trauermesse für nicaraguanischen Dichter Ernesto Cardenal gestört

Oaxaca de Juárez/Managua (epd). Anhänger des nicaraguanischen Präsidenten Daniel Ortega haben am Dienstag (Ortszeit) die Trauermesse zu Ehren des Dichters und Befreiungstheologen Ernesto Cardenal gestört. Berichten mehrerer lokaler Medien zufolge riefen die Sympathisanten der Regierung in der Kathedrale der Hauptstadt Managua "Wir wollen Frieden", aber auch "Verräter" und "Es lebe Daniel".

Die Störer hätten sich noch vor der Ankunft des Sarges auf einer Seite des Gotteshauses niedergelassen. Die Kathedrale sei in die mit schwarz-roten Halstüchern gekleideten Anhänger Ortegas und die in den Farben der Opposition - Blau und Weiß - auftretenden Regierungsgegner gespalten gewesen. Auch die Predigt des Bischofs von Matagalpa, Rolando Àlvarez, sei gestört worden, berichtete die Tageszeitung "La Prensa".

Nach dem Tod des Dichters, katholischen Priesters und Revolutionärs Ernesto Cardenal am vergangenen Sonntag hatte die Regierung eine dreitägige Trauer angeordnet. Cardenal hatte sich schon seit langem von der regierenden Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) losgesagt. Aufgrund seiner kritischen Haltung gegenüber Ortega und seiner Frau Rosario Murillo, denen er Korruption und Machtkonzentration vorwarf, wurde er seit Jahren staatlich verfolgt.

In den 70er Jahren unterstützte Ortega die FSLN im Kampf gegen den Diktator Anastasio Somoza, nach dessen Sturz 1979 bekleidete er für die Partei acht Jahre lang das Amt des Kulturministers. Cardenal zählte zu den wichtigsten Dichtern Nicaraguas. Weltweit erlangte er Berühmtheit, weil er zu den führenden Vertretern der Befreiungstheologie zählte, mit der sich lateinamerikanische Geistliche in den 60er Jahren auf die Seite der Armen stellten. Er starb am vergangenen Sonntag im Alter von 95 Jahren.

 

 

 

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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