Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Inhalt springen
RSSPrint

Scharfschützen schossen auf Flüchtende

Ursula Malchow war Augenzeugin an der Berliner Mauer

Ursula Malchow auf dem Balkon ihrer Wohnung mit Bildern von der Bernauer Straße

Als die Berliner Mauer vor 60 Jahren gebaut wurde, wohnte ­Ursula Malchow im Pfarrhaus neben der Lazarus-Kapelle in der ­Bernauer Straße. Viele Jahre musste sie mit ansehen, wie Menschen bei ihrem Fluchtversuch über die Mauer ums Leben kamen. Das kann sie nicht vergessen.

Von Cordula Möbius

An den 4. September 1962 erinnert sich Ursula Malchow noch sehr genau. Sie sei in ihrem Wohnzimmer gewesen, als sie Schüsse hörte. Aus dem Fenster blickend, habe sie beobachtet, wie Menschen in Richtung Sophienfriedhof/Ecke Bergstraße zur Mauer rannten. „Ich konnte von meinem Standpunkt aus jemanden dort liegen sehen“, erzählt die 86-jährige Rentnerin, die in Westberlin im Pfarrhaus neben der Lazarus-Kapelle in der Bernauer Straße lebte. „Ganz augenscheinlich war da ein Mann von der Mauer gefallen.“ 

Schnell sei ihr Ehemann, der als Chef-Pfleger im nahegelegenen ­Lazarus-Krankenhaus im Westteil der Stadt arbeitete und Dienst in der Rettungsstelle hatte, mit der Trage zum Ort des Geschehens geeilt. Doch er habe nicht ­helfen können, weil der Mann im Ostsektor lag und nur seine Mütze im Westen gelandet war. Dann seien Feuerwehr und Alliierte vor­gefahren. Aber auch sie hätten die Unglückstelle nicht betreten dürfen. Schreie wie „Mörder, Mörder“ vernahm sie. Als auf der Westseite etwas Ruhe einkehrte, hätten DDR-Grenzpolizisten den Toten weggeschafft. 

„Es war einfach furchtbar, mit ansehen zu müssen, wie ein Mensch getötet wird und keiner helfen kann und darf“, erzählt mir Ursula Malchow. Später habe man erfahren, dass es sich bei dem Mann um Ernst Mundt handelte. Er war auf die Friedhofsmauer des Sophienfriedhofs gestiegen und auf dieser in Richtung Westberlin balanciert. Kurz vor dem Ende der Mauer ­hatten ihn zwei Scharfschützen von ihrem Beobachtungssturm aus ­entdeckt, der sich auf dem Gelände des Nordbahnhofs befand, und ihn erschossen. 

Wut und Frust und Angst

Viele der Unfälle oder Todesfälle, die im Zusammenhang mit Flucht­versuchen an der Bernauer Straße geschahen, bekam das Ehepaar ­Malchow damals hautnah mit. Denn die Verletzten wurden mit ihren Knochenbrüchen, Verstauchungen, Schnittwunden meist ins Lazarus-Krankenhaus eingeliefert. Im August/September 1961, also kurz nach der Errichtung der Berliner Mauer,  sei die Belegung mit Flüchtlingen besonders hoch gewesen. Auch das Maueropfer Rudolf Urban – er war bei der Flucht aus seiner Wohnung in der Bernauer Straße ­abgestürzt – wurde im Lazarus-Krankenhaus aufgenommen und starb dort an seinen Verletzungen.

Die Situation habe ihre ganze ­Familie damals erzürnt und frustriert, sagt Ursula Malchow. Alles sei plötzlich anders gewesen: Im Krankenhaus beispielsweise fehlten mit einem Schlag die Arbeitskräfte, da viele Pfleger und Krankenschwestern im Osten lebten und ihr Arbeitsweg nun versperrt war. Und die Anwohner der Bernauer Straße kamen aufgrund des nun hier herrschenden Trubels – häufige Patrouillen von Polizei und Alliierten, sonntägliche Protest-Hubkonzerte – gar nicht mehr zur Ruhe. 

Auch die Familie von Ursula ­Malchow wurde mit einem Schlag getrennt, ein Kontakt untereinander wurde ihr sehr schwer gemacht. „Zur Beerdigung meiner Osterber­liner Tante durfte ich nicht fahren“, erinnert sich die Rentnerin. „Im Grunde genommen fühlten wir uns auch eingesperrt. Am Anfang war das wirklich schwer zu akzeptieren.“

Zu den täglichen Erschwernissen kam die Angst, „dass etwas passiert“. Das Wohnhaus habe man immer durch den Hintereingang verlassen müssen, um nicht Gefahr zu laufen, erschossen zu werden, weil man von den Grenzposten mit einem flüchtigen DDR-Bürger verwechselt wurde. „An unserer Hausfront existierten zahlreiche Einschüsse.“

Nicht weniger beängstigend sei jedoch die Stille gewesen, die sich nach einigen Jahren an der Sektorengrenze eingestellte, nachdem alle Bahnhöfe auf der Ostseite zugemauert und die alten Häuser, auch auf der Westseite, abgerissen worden waren. „Dann war kein Mensch mehr auf der Straße und wenn geschossen wurde, wussten wir nicht, ob dies von der Mauer kommt, von der Straße oder nur aus dem Fernseher. Auf den Straßen war kein Leben mehr und nachts bellten nur die Wachhunde“, sagt Ursula Malchow.

Erlebnisse müssen erzählt werden

So manches Mal trug sich das Ehepaar Malchow in der „Mauerzeit“ mit dem Gedanken, die Gegend zu verlassen. Doch es entschied sich ­dagegen. „Wie haben das Beste aus unserer Situation gemacht“, sagt die Rentnerin zurückblickend. „Aber eines war uns stets wichtig: Die ­Menschen müssen erfahren, wie es damals wirklich war.“ So lange es ihre Kräfte zuließen, berichteten die Malchows deshalb an der Gedenkstätte Berliner Mauer als Zeitzeugen aus ihrem Leben. Sie halfen mit dem Schildern ihrer Erlebnisse vielen anderen Menschen, Geschichte zu verstehen. Notwendig ist dies in jedem Fall heute noch.

Artikelkommentar

Artikelkommentar
captcha
Bitte tragen Sie das Ergebnis der Rechenaufgabe in das Feld ein.
Hinweis: Die von Ihnen ausgefüllten Formulardaten werden lediglich für die Zwecke des Formulars genutzt. Eine andere Verwendung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht.

Artikelkommentare

(3) Artikel Name Ihr Kommentar
1. Bischof Meister räumt Fehler ein, bleibt aber im AmtNr14,24,o3.20244 Wolfgang Banse Wie geht mnan mit Menschen um, die in der Kirche, hier Ev.luth. Landeskirche Hannover zu Schaden kommen,hier Umgang mit sexueller Gewalt.Das verhalten von Landesbischof Meister, früher Generalsuperintendent des Sprengels der EKBO ist nicht zu rechtfertigen. Trotz schwerwiegende Fehler bleibt er im Amt.Er sollte nicht allein entscheiden über diese Thematik.Hier sollten die mündigen Kirchenglieder der Ev.luth. Landeskirche darüber befinden, ob diese sich noch eine gedeihliche Zusammenarbeit mit Ralf Meister in der Ev.luth. Landeskirche Hanover vorstellen können.Ebenfalls sollte diese Thematik auf der Frühjahrs-Synode als Tagesordnungspunkt behandelt werden.Hier handelt sich um keine Lappalie, sondern um einen schwerwiegenden Fehler, der nicht mit einer Entschuldigung von Ralf Meister beglichen ist.
2. Kirchen erhalten.... Heinz-Walter Knackmuss Lieber Herr Röger,die Kulturministerin des Landes Brandenburg, Dr. Manja Schüle, hat auf meine Anregung eine Verordnung erlassen, dass mit Zustimmung des Denkmalschtzes und des Konsistoriums Photovoltaik auf Kirchen der Normalfall sein soll. Das wäre eine Möglichkeit die Stromversorgung der Kirchengebäude autark zu machen, denn die Akkus erlauben eine Versorgung bei Tag und Nacht und durch die Einspeisungen noch Geld zu Verdienen und evtl. eine Heizung zu betreiben. Nun sind aber die Pfarrer dagegen und blockieren solche Maßnahmen. Sie haben im voauseilenden Gehorsam Angst, dass der Denkmalschutz das Projekt für Ihre Kirche ablehnen würden oder führen ästhetische Gründe an. Ich würde gern für die SMA in Rathenow dafür eine Spenenaktion starten, aber es fehlt die Zustimmung des Pfarrers. Ich finde, die Kirchenleitung müsste auch die Pfarrer motivieren, solche Projekte zu unterstützen.Wenn es den Christen mit dem Erhalt der Schöpfung Gottes wirklich ernst ist, müssten Photovoltaikanlagen auf alle Kirchendächer.
3. Die Kirche weiter umbauen Wolfgang Banse Nicht immer denkt eine Konsistorialpräsidentin.hier EKBO, Viola Vogel in den richtigen Kategorien.Ist sie eine Prophetin, Hellseherin, was den Zustand der EKBO betrifft.Bei grundsätzlichen Entscheidungen, sollte die Basisdemokratie angewendet w erden, hier Anhörung, Beteiligung der Kirchenglieder, im Bezug:"Wir sind das Kirchenvolk"Einsparungen, was das aufgeblähte Personal im Konsistorium betrifft.Der Rotstift sollte was das Personal anbetrifft, nicht das Bischofsbüro aussperren.Verabschiedung vom Beamtentum, Fahrer abschaffen,Mittelklasse PKw sich zu wenden.Pfarrwohnungen und Pfarrhäuser entsprechend zu aktuellem Mietzins vermieten.Die Kirche unterliegt keinem Modetrend, der wechselt.Gläubige identifizieren sich mit der Kirche, hier Kirchengemeinden, mit denen sie sich verbunden fühlen, beheimatet sind.Sie Familienkirchen , von der Taufe, über Konfirmation, Trauung bis zur Beerdigung für die Familie sind. Gemeindeglieder möchten nicht alle ein paar Jahre ein neues Gesangbuch...Dem Volk, hier Kirchenvolk auf`s Maul schauen, hier Reformator Martin Luther, sollte das Konsistorium beherzigen.Es ist nicht alle gut, was in der EKBO angedacht, umgesetzt wird.Kirchernmitgliedsaustritte zu Hauf belegen dies.

Hier gelangen Sie zur Übersicht über alle Kommentare.