Von Harald Geywitz
Der Reformationstag liegt nicht sehr lange zurück, an dem die evangelische Kirche ihrer Ursprünge gedenkt. Allerdings nicht stolz und selbstgewiss, sondern zumindest heutzutage eher fragend, forschend, auf der Suche nach dem, was uns als Evangelische ausmacht und mit wem wir dazu im Dialog sein sollen. Die Frage treibt uns um, wie heute die frohe und befreiende Botschaft Gottes in Wort und Tat in unsere Welt getragen werden kann.
Wie kann das gelingen, bei uns vor Ort? Ob in der Kirche Wartenberg im Osten Berlins, ein Neubau aus dem Jahr 2000, umringt von etwas älteren Neubauten, die als Hochhäuser auf den schönen Kirchturm und die Ausgabestelle von „Laib und Seele“ herabblicken. Oder in der Dorfkirche in Blankenburg in der Nähe des malerischen Oberuckersees, wo ein Martinsumzug gefeiert wird. Oder auch in der wunderschönen Nikolaikirche in Luckau, in der sich am Reformationstag 2021 Martin Luther, Katharina von Bora und Johannes Bugenhagen versammelten.
So vielfältig sind schon die Orte, an denen Kirche präsent ist in unserer Landeskirche. Das geht noch weiter mit der Art und Weise, Gottesdienst zu feiern, mit Kindern und Jugendlichen auf Entdeckungstour zu gehen, auf Orgel oder E-Gitarre Musik zu machen oder bei einer Fuckup-Night in der Siemensstadt dabei zu sein. Von der Vielfalt der Menschen ganz zu schweigen, einzigartig, befreit und mit dem ganz eigenen Blick auf den eigenen Glauben und darauf, wie unsere evangelische Kirche sein soll.
Doch wer bestimmt, wie Gottes frohe Botschaft zu den Menschen kommt? Zum Glück nicht wir allein, sondern wir dürfen auf Gottes Hilfe vertrauen und im Gebet nach Wegen forschen. Gehen müssen wir dann schon selbst. Die Richtung und wie wir gehen, das bestimmt in unserer evangelischen Kirche die Gemeinde vor Ort.
Na klar, es gibt Regeln, die wir uns gemeinsam als Kirche gegeben haben, damit alles seine Ordnung hat. Manchmal zu viel Ordnung und zu wenig Freiheit für meinen Geschmack, aber in einem Landstrich, in dem geharkte Sandstreifen und „Geschützte-Grünanlagen-Schilder“ dazugehören, irgendwie auch verständlich. Die Ordnung geht so weit, dass unsere Kirche und bisher jede einzelne Gemeinde tatsächlich eine „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ ist. Staatsähnlich aufgebaut und mit rechtlichen Verpflichtungen versehen, die von einigen als große Belastung empfunden werden. Deshalb diskutieren wir seit mehreren Jahren darüber, die große Zahl von über 1100 Gemeinden, davon ein Drittel mit weniger als 100 Gemeindegliedern, zu verringern. Das schlägt nun ein Gesetzentwurf mit einer Mindestmitgliederzahl von 300 vor, der auf der Herbsttagung der 5. Landessynode beraten und beschlossen werden soll.
Natürlich ist das eine für viele Gemeinden sehr bedeutende Frage. Es ist verständlich, dass strittig, manchmal hitzig diskutiert wird. Das wird auf der Synodaltagung auch geschehen und das ist gut so. Doch auch solche langjährigen intensiven Debatten müssen zu einem Ende geführt werden.
Entsteht durch die Mindestmitgliederzahl die Gefahr, dass die Kirche nicht mehr im Dorf ist? Nein. Denn über das kirchliche Leben vor Ort, wie die befreiende Botschaft Jesu Christi in die Welt getragen wird, darüber wird auch künftig vor Ort entschieden. Die Kirche, der Martinsumzug, das Sommerfest oder das Osterreiten – alles bleibt im Dorf. Denn das hängt nicht davon ab, ob die christliche Gemeinde vor Ort eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist.
Als ehrenamtlicher Präses der Landessynode ist mir wichtig: In einer demokratisch verfassten Kirche mit von den Gemeindekirchenräten aufwärts gewählten Synodalen, sind sie es, die über Kirchengesetze allein entscheiden. Sie sind frei und können auch Änderungen am Entwurf vornehmen. Jedes Mitglied unserer Landessynode, so legt es unsere Grundordnung fest, „trägt persönlich in alleiniger Bindung an Jesus Christus und sein Wort Mitverantwortung für die ganze Kirche“. Diesem Anspruch versuchen wir alle gerecht zu werden.
Harald Geywitz ist Präses der Landessynode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.