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Vom Kirchturm ins Museum

Auf einer Rudower Kirchenglocke wurden Nazisymbole entdeckt. Daraufhin nahm man sie ab und erforschte ihre Geschichte. Jetzt kommt sie in ein Museum

Glocke Rudow Nazisymbole, Philipp-Melanchthon-Kapelle
In der Philipp-Melanchthon-Kapelle in Berlin-Rudow läutete jahrelang eine Glocke mit Nazisymbolik. Foto: Wikipedia

Von Marion Gardei

Seit 85 Jahren rief in der Philipp-­Melanchthon-Kapelle in Berlin-Rudow eine Glocke mit nationalsozialistischen Symbolen zum Gottesdienst. Ausgestattet mit Reichsadler und Hakenkreuz wurde sie 1935 ­gemeinsam mit der Kapelle ein­geweiht. Wie konnte es zu dieser abscheu­lichen Verstrickung mit der Nazi-Ideologie kommen?

Begleitet von der EKBO hat sich die Dreieinigkeitskirchengemeinde auf einen langen, oft schmerzhaften, aber doch lohnenden  Aufarbeitungs­prozess begeben, um sich ihrer ­Geschichte in der Nazizeit zu stellen.  Es war ein schwieriger Weg vom ersten Anruf beim damals amtierenden Gemeindepfarrer bis zum Abschluss der Forschungen in diesem Jahr. Kurz vor dem ersten Advent 2017 erhielt der Pfarrer die  verstörende Mitteilung, dass in „seinem“ Kirchturm eine Glocke hänge, die mit ­Nazisymbolik belastet ist und  dass diese ab sofort nicht mehr ­läuten dürfe.

Zukünftige Generationen sollen zurückblicken können 

In diesem Sinne ist die Auseinandersetzung mit dem braunen Erbe der Dreieinigkeits­gemeinde ein gelungener Akt evangelischer Erinnerungsarbeit: In einem vom ­Gemeindekirchenrat eingesetzten Ausschuss beschäftigte sich die ­Gemeinde zum Beispiel mit der Frage, wer von dieser Glocke ­wusste, und warum dieses Wissen verschwiegen oder verdrängt wurde. Man kam zu dem Schluss, dass die Glocke zwar ab­genommen, aber erhalten werden sollte, damit auch zukünftige Generationen davon lernen können, wie weit die Verquickung der Kirche mit nationalsozialistischen Ideologien gehen konnte. 

Gleichzeitig wollte die Gemeinde sie nicht auf ihrem Gelände behalten, um keinen Anziehungsort für neue Nazis zu schaffen: Immerhin werden vor Ort in Neukölln regel­mäßig Naziparolen an Häuserwände und Mauern gesprüht. Banner des Kirchkreises gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus wurden zerschnitten oder entwendet, Steine auf Fensterscheiben von Buchläden geworfen und PKWs in Brand gesetzt. 

Recherche von neutraler Seite 

Schnell wurde klar, dass die ­Gemeinde die Erforschung ihrer Geschichte in der Nazizeit in professionelle und neutrale Hände legen will. Sie engagierte die auf dem ­Gebiet des Kirchenbaus in der NS-Zeit profilierte Kunsthistorikerin Beate Rossié. Die Ergebnisse ihrer sorgfältigen Recherche sind nun in einer gerade erschienenen Publikation zusammengefasst. Sie analysierte Architektur und Bau­geschichte der Philipp-Melanchthon-Kapelle sowie deren Glocken und ihre historischen Hintergründe. 

Auch werden in diesem Zusammenhang Pfarrer Paul Zorn und die Gemeindeschwester Margarete Stirnatis noch einmal ­gewürdigt. Sie hatten in der Nazizeit mit ihrem christlich-sozialen Engagement gegen das braune Gedankengut zu wirken versucht, waren aber von den sogenannten Deutschen Christen aus der Gemeinde herausgemobbt worden. Dieser belastenden Vergangenheit müssen wir uns heute stellen, ohne etwas zu beschönigen. Trotzdem kann die Gemeinde beim Rückblick auf ihre Geschichte nun dank der ­detaillierten Forschung auch auf diese glaubwürdigen Christen verweisen, an die es ebenfalls zu erinnern gilt. 

Ein Lernort entsteht 

Die Glocke wird Anfang Juni vom Kirchturm genommen und ins ­Museum Neukölln gebracht. Sie soll für zukünftige Generationen zum Zeugnis erhalten werden, wohin die Verquickung von Christentum und totalitärem Zeitgeist führen kann. Sie wird also in einen pädagogischen Kontext gebracht und kann künftig als eine Art Lernort dienen. 

Mit der Schenkung an das ­Museum Neukölln, dessen Direktor Udo Gößwald ein hilfreicher Kooperationspartner im Prozess der Auf­arbeitung war, hat die Geschichte der mit Nazi-Symbolen belasteten ­Glocke ein gutes Ende gefunden. Sie wird im Speicher des Museums aufgestellt, wo sie zukünftig von Interessierten nach Voranmeldung unter pädagogischer Begleitung besichtigt werden kann. 

Die Forschungsergebnisse über die Glocke werden am 4. Juni um 19 Uhr bei einer Veranstaltung im Museum Neukölln präsentiert. Hier wird auch ein Film von der Abnahme und Überführung der Glocke gezeigt. Link zum Livestream: https://youtu.be/R5W9d7fIMR0

Pfarrerin Marion Gardei ist Beauftragte der EKBO für jüdisches Leben und für den Kampf gegen Antisemitismus (Antisemitismusbeauftrage) und Beauftragte für Erinnerungskultur der EKBO. 

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1. Recht auf teilhabe von Christina -Maria Bammel, Wv. Wochenzeitung :die Kirche,Nr.16, vom 14,04.2024 Wolfgang Banse Worten müssen Taten folgen
Teilhabe hin, Teilhabe her, Inklusion, Rerhabilitation wird nicht gelebt , was Menschen mit einem Handicap in Deutschland, im weltlichen, wie auch im kirchlichen Bereich betzrifft. so auch was die Gliedkirche EKBO betrifft.Integration m und Inklusion sieht anders aus, was was im Alltag erleb, erfahrbar wird.Nicht nur der Staat, s ondern auch die Kirche, die Kirchen dind w eit n fern vom Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes. "Niemand darf auf Grund...benachteiligt werden!:Homosexualität, Lesbilität wird chauffiert, Handicap nicht. Hier wird der Gleichheitsgrundsatz verworfen. Ouo vadis EKBO, wes Menschen mit einem Handicap betrifft.
2. Offen sein - für alle Menschen Gert Flessing Ja, eine Kirche, die auch für die Menschen weit offen ist. Ich glaube, dass wir das brachen. Die Idee der Forster Pfarrer ist gut. Natürlich gehört dazu, das man selbst auch bereit sein, sich für alle zu öffnen. Das Gespräch mit dem frustrierten Menschen, der AfD wählt, zeigt, wie nötig es ist - auch wenn man jemanden nicht überzeugen kann.
Die Flüchtlingspolitik polarisiert natürlich und - die Ängste der Menschen sind da. Dass sie gerade in der Nähe der polnischen Grenze besonders hoch sind, verstehe ich. Grenzregionen sind immer sensibel. Aber so wenig, wie wir die Migranten verteufeln dürfen, sollten wir sie zu sehr positiv betrachten. Sie sind Menschen und Menschen sind nicht per se gut. Jeder von uns weiß ja, das jemand, der neu in den Ort kommt, egal woher er ist, skeptisch betrachtet wird.
Schon von daher ist das offene Gespräch, das niemanden außen vor lässt, wichtig.
Ich habe es, zu meiner Zeit im Amt, immer wieder geführt. Auch in der Kneipe, wenn es sich anbot. Aber auch wir haben, als eine Flüchtlingsunterkunft in unserem Ort eröffnet wurde, die Kirche für eine große Bürgersprechstunde geöffnet, die sich, in jeder Hinsicht, bezahlt gemacht hat.
Bei alle dem dürfen wir nie vergessen, das wir Kirche sind und nicht Partei. Dann werden wir auch das für diese Arbeit notwendige Vertrauen bei allen Seiten finden.
3. Kontroverse über Potsdams Garnisionskirche hält an Wolfgang Banse Kein Platz für alle
Nicht jede, nicht jeder kam die Ehre zu Teil am Festgottesdienst am Ostermontag 2024 teil zu nehmen , mit zu feiern.Standesgesellschaft und Standesdünkel wurde hier, sonst auch was in kirchlichen Reihen praktiziert wird.Ausgrenzung, Stigmatisierung,Diskriminierung.Gotteshäuser sind für alle da. Hier sollte es keine Einladungskarten geben, gleich um welche Veranstaltung es sich handelt. Verärgerung trat auf bei Menschen, die keinen Zugang zur Nagelkreuzkapelle hatten.Aber nicht nur verärgerte Menschen gab es an diesem Ostermontag vor der Nagelkreuzkapelle, sondern auch Demonstration , von anders Denkenden, die eine Inbetriebnahme der Nagelkreuzkapelle befürworten.Ein großes Polizeigebot war zu gegen, um die Geladenen zu schützen.Was hat der Einsatz des Sicherheitskräfte, der Polizei dem Steuerzahler gekostet.Ein Gotteshaus wie die Nagelkreuzkapelle in Potsdam soll ein Ort des Gebetes, der Stille, Andacht sein.Garnison hört sich militärisch an-dies sollte es aber nicht sein.Die Stadtgesellschaft in Potsdam ist gespalten, nicht nur was die Nagelkreuzkapelle betrifft.Möge das Gotteshaus ein Ort des Segens sein.Offen und willkommen für Klein und Groß, Jung und Alt.

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